13/02/2013

Franz Riepl (*1932 in Sarleinsbach / OÖ) studierte Architektur an der TU Wien (Diplom 1956). Von 1958 bis 1962 war er Assistent an der TH München, danach Mitarbeiter und Partner von Prof. Johannes Ludwig, München. Von 1980 bis 2000 war er Professor am Institut für Landwirtschaftliches Bauwesen und ländliches Siedlungswesen an der TU Graz. Seit 1967 betreibt Franz Riepl ein Architekturbüro in München.
Riepl wurde 1983 mit dem Kulturpreis des Landes Oberösterreich für Architektur, 1998 mit dem Mauriz-Balzarek-Preis, 2004 mit dem Heinrich-Gleißner-Preis und 2006 mit dem Kunstwürdigungspreis der Stadt Linz in der Sparte Architektur ausgezeichnet.

13/02/2013

Franz Riepl am 24.01.2013 bei der Eröffnung der Ausstellung "Franz Riepl - Architekt einer anderen Moderne" im HDA Graz.

©: Thomas Raggam

GAT berichtete anlässlich der laufenden Ausstellung „Franz Riepl – Architekt einer anderen Moderne“ im HDA Graz (bis 15.02.2013) über Franz Riepl, den Mann, der in seiner Architektur unbeirrt einem leisen und subtilen Weg folgt. Für ihn dient Architektur nicht der Selbstdarstellung und nicht, um dem Architekten ein Denkmal zu setzen, sondern schlicht, um praktische, orts- und zweckgebundene Bauten umzusetzen. Sie sollen den Nutzern Behaglichkeit geben, einen Rahmen, der ihnen vertraut ist. Anlässlich der Ausstellungseröffnung am 24.01.2013 bat GAT den Architekten zum Gespräch.

Wann waren Sie das letzte Mal in Graz?

Riepl: Ich habe von 1980 bis 2000 hier unterrichtet, seither komme ich nur sehr selten nach Graz. Eigentlich nur privat mit meinen Münchner Freunden, wenn ich die Steiermark besuche.

Das heißt also, dass Sie mit den Kollegen hier nicht so eng in Kontakt geblieben sind?

Riepl: Meine echten Berufskollegen sind in München, auch die geistige Auseinandersetzung findet mit den Kollegen in München statt. Denn Sie wissen ja, dass ich sozusagen als Antipode zur Grazer Szenerie hierher berufen wurde.

Wie ging es Ihnen denn damit – war das nicht unangenehm?

Riepl: Es gab durchaus Situationen, in welchen man meinen Ansatz mit „Das ist ja ein alter Hut“ kommentierte. Das Schöne erkennt man oft erst später und es freut mich jetzt, dass es sich bei den ehemaligen Mitarbeitern, den Assistenten und der gesamten Entwicklung zeigt, dass es für gewisse Situationen und Aufgaben eigentlich das Verträglichere oder auch das Brauchbarere und Überzeugendere war.

Es muss Ihnen gut tun, dass Sie so eine Bestätigung für Ihre Weitsicht bekommen.

Riepl: Man muss schon unterscheiden: Das, wovon wir hier sprechen, sind Alltagsaufgaben, in denen die soziale Verpflichtung wesentlich bedeutender ist als die künstlerische Potenz. Wir können nicht nur von Museen und öffentlichen Bauten leben. Es gibt da durchaus ein großes Problem, denn die Alltagsarchitektur verkümmert immer mehr. Der Großteil unseres Umfelds besteht aus Alltagsbauten und nicht aus Sonderbauten und diese brauchen den Lebensraum der Alltagsbauten, denn sonst sind sie ja keine besonderen Bauten mehr. Wenn ich nur noch Sonderbauten hinstelle, verflachen auch die. Das ist eine ganz wesentliche Sache.
Die europäische Stadt hatte diese Struktur, um die auch sehr gerungen wird, weil sie gerade diese Qualitäten aufweist. Ich bin traurig über diese Problematik, denn man scheint zu glauben, dass mit Rationalisierung und Optimierung der maschinellen Ausstattung unsere Arbeitswelt gestaltet werden kann. Und wenn das so weitergeht, werden nur noch Gegenden gebaut, wo die Leute nicht mehr gerne zum Arbeiten hinfahren. Die Menschen wünschen sich ein Umfeld, mit dem sie in Kontakt treten können, das sie angenehm finden. Es ist eine schlechte Lösung, wenn wir nur zwischen der lästigen Situation der Arbeit und der positiven Situation der Freizeit in der schönen Natur hin und her pendeln. Wir haben heute natürlich ganz andere Möglichkeiten als früher und viele Dinge führen uns wieder zurück. Die Stadt bekommt wieder mehr Bedeutung, erst recht für die älteren Menschen.

Wie könnten gute Lösungen zu diesem Thema aussehen?

Riepl: Wir brauchen wieder Siedlungen, wo der Alltag seine Wertigkeit bekommt und das ist eine ganz schwierige Sache. Leider ist es noch immer so, dass Menschen, die sich stark für das Alltagsgeschehen einsetzen, nicht nur zu wenig Anerkennung, sondern auch eine zu geringe Bezahlung bekommen. Leider scheint man nur für die extremsten Dinge am besten auszusteigen.

Was meinen Sie, wer muss auf welcher Seite noch mehr lernen? Die Politik, die Gesellschaft oder die Architekten?

Riepl: Alle miteinander!

Sehen Sie bei den jungen Architekten Verständnis für das, was Sie propagieren, für diese Alltagsqualität und dafür, dass es nicht unbedingt darum geht, sich ein Denkmal zu setzen?

Riepl: Ich hab überhaupt nichts dagegen, sich ein Denkmal zu setzen, wenn wir die entsprechenden Aufgaben haben. Das Wesentliche ist, dass wir individuell auf Situationen eingehen müssen. Sie wollen ja auch nicht zu einem Mediziner gehen, der alle nach dem gleichen Schema behandelt, sondern der auf Ihre persönliche Situation und Fragen eingeht. Wissen Sie, im Grunde haben wir auch eine Inflation der akademischen Berufe. Es gibt furchtbar viele Menschen, die zwar Akademiker sind, aber überhaupt nicht übergeordnet denken oder handeln können oder Verständnis haben. Wesentlich ist, dass man lernt, zu differenzieren. Führungspersonen zum Beispiel wussten früher, wenn sie auf das Land gingen, wie sie sich dort verhalten mussten und wie in der Stadt. Heute wird das alles egalisiert. Ich glaube, wenn wir weiterkommen wollen, müssen wir sorgfältig differenzieren. Ich hab überhaupt nichts gegen progressive Lösungen, dort wo sie angebracht sind und wo das Umfeld stimmt, aber wenn das nicht der Fall ist, wirkt es überzogen und hält dann auch nicht.
Selbstverständlich ist die Politik da gefragt. Ich verlange von einem Politiker nicht, dass er überall fachkundig ist, aber er muss sich aufgeschlossen zeigen. Er muss aber auch irgendwie übergeordnete Erfahrungen haben. Ich kann Ihnen Beispiele aus Linz nennen. Wenn es um übergeordnete kulturpolitische Fragen geht, bemerkt man plötzlich, dass, wie in diesem Fall die Entscheidungsträger, alle nur in Linz studiert haben und wenn es dann um Fragen der Urbanität geht, wie zum Beispiel einen Theater- oder Museumsbau, dann wissen diese Personen nicht um die Wertigkeit einer solchen Institution im Stadtgefüge. Man kann so ein Gebäude ja nicht irgendwie an die Peripherie setzen, denn dann gehen die Menschen ins Theater und steigen danach ins Auto und fahren nach Hause, wenn es keine Infrastruktur gibt.
Das bekannteste und erfolgreichste Beispiel bezüglich einer richtigen Platzierung ist das Salzburger Festspielhaus. Wenn das Festspielhaus heute nicht in der Stadt wäre, wäre Salzburg tot, die Entscheidungen, die hier getroffen wurden, waren einfach glücklich.

Es heißt, dass München oder Bayern im Laufe der Jahre trotz zahlreicher Baumaßnahmen schöner geblieben sei als Österreich, als Graz. Warum ist das so?

Riepl: Das ist eine ganz interessante Frage, die die Architekten ganz intensiv beschäftigt. Die Raumplanung in Bayern hat einen höheren Stellenwert und wird wesentlich strenger gehandhabt als in Österreich. Das heißt, dass die Zersiedelung nicht im gleichen Ausmaß zugelassen wird. Das hat Vor- und Nachteile. Der Nachteil besteht darin, dass die Gemeinden sehr strenge Vorschriften machen, wie gebaut werden darf und somit die Progressivität stark eingeschränkt ist und nicht mehr so modern und fortschrittlich gebaut werden kann wie hier in Österreich. Das Ortsgefüge und das Umland bleiben jedoch geschont und letztlich ist das Ortsgefüge das Übergeordnete. Ein ganz krasser Fall ist Vorarlberg. Dort gibt es zum Teil sehr gute Architektur, aber siedlungsräumlich wurde es katastrophal zerstört. In Österreich ist die Architektur bestimmt besser, hochwertiger, das geriet jedoch zu Lasten der Siedlungsstruktur und diese Zusammenhänge muss man bedenken.

Sie betonen immer wieder, dass es für Sie wichtig ist, dass die Menschen sich orientieren können.

Riepl: Sie werden oft verunsichert, denn die Projekte sind zu stark danach ausgelegt wie sie noch toller, noch auffälliger gemacht werden können, aber das darf nicht das übergeordnete Ziel sein. Selbstverständlich brauchen wir diese speziellen Zeichen, aber eingefügt in eine uns sonst verständliche Umgebung. In Österreich ist eine design-orientierte Architektur hochwertiger als in Bayern, aber das übergeordnete Gefüge ist in Bayern wesentlich besser erhalten oder weiter entwickelt als in Österreich.

Wie wäre es denn möglich beidem den gleichen Stellenwert zu geben?

Riepl: Das hängt davon ab, wie und wo man die Gleichwertigkeit setzt. Man muss nicht auf Spitzenqualität verzichten, muss diese aber dort hinsetzen, wo sie auch realisiert werden kann. Diese vielen Freiheiten führen ja auch dazu, dass viele Dinge mit Ansätzen einer Spitzenarchitektur gemacht werden, obwohl das Geld gar nicht da ist und dann kommen nur Halbheiten heraus. Das ist ja das Wesentliche der Angemessenheit. Ich muss verstehen und wissen, ob etwas zumutbar und realisierbar ist. Manchmal möchten Entscheidungsträger etwas Besonderes, das aber eigentlich nicht realisierbar ist und das Resultat ist dann Unzulängliches. Da ist das Bescheidene von Grund her besser.

Bescheidenheit – ein Stichwort für Sie?

Riepl: Wo sie angebracht ist. Nicht grundsätzlich, das Wichtigste ist, dass die Maßstäbe stimmen, dass man zum Beispiel, wenn man eine Fabrik oder Manufaktur baut, wie ich sie für die Fleischerei meines Neffen realisiert habe, eine Arbeitswelt schafft, wo die Leute gerne hingehen, wo ihnen das Prinzip der Ordnung und das Umfeld gleich verständlich sind. Das sind ganz wichtige Lernprozesse.

Danke für das Gespräch!

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