18/11/2021

MINUS – Grazer Pflaster-Flickwerk

Die Kulturhauptstadt Graz und ihr unrühmlicher Umgang mit historischem Straßenpflaster

Kommentar von Elisabeth Kabelis-Lechner

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In der GAT-Kommentar-Reihe
PLUS / MINUS werden kurz und bündig positive wie negative Gestaltungen und Details aufgezeigt, die das Auge erfreuen oder beleidigen.

18/11/2021

Pflaster-Flickwerk beeinträchtigt den Grazer Hauptplatz optisch schwer – hier beim Billa-Eck.

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

Der Mariahilfer Platz weist vor der Kirche einen unrühmlichen Fleckerlteppich auf ...

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

... nur in Platzmitte ist – trotz intensiver Nutzung – das Kleinsteinpflaster noch sehr gut erhalten.

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

Besonders krasses Beispiel: die Kosakengasse, die zwar Reste von Kleinsteinpflaster aufweist, aber ...

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

... am Ende etlicher Grabungsarbeiten schwarz asphaltiert wurde. Ist das klimagerecht?

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

Dominikanergasse: Das historische Kleinsteinpflaster ist mit Asphalt ausgeflickt, ...

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

... anstatt es – zur Erhaltung der Versickerungsfähigkeit – auszubessern.

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

Vergleicht man die Bodenbeläge der Altstadt von Graz mit anderen Städten, so fällt einem zuerst einmal der katastrophale Zustand dieser Oberflächen auf. Diesen Missstand hat am 26. Juli 2020 bereits derGrazer in einem Beitrag mit dem Titel „Geht das nicht schöner? Grazer Innenstadt als Fleckerlteppich“ moniert. Der Beitrag führte u.a. als Negativ-Beispiele die Fleckerlteppiche am Mariahilfer-Platz und am Hauptlatz beim Billa-Eck an. Der Konzernsprecher der Holding Graz, Gerald Zaczek-Pichler erklärte diesen Missstand so: Das seien nur vorübergehende Lösungen. Beim Hauptplatz müsse man auf die Fertigstellung der Schmiedgasse warten, dann müsse erst die Albrechtgasse zur Gänze saniert werden und erst dann kann der Fleckerlteppich am Hauptplatz saniert werden.
Frage 1: was ist das für eine Logik? Was hat das Billa-Eck mit der Albrechtgasse zu tun? Und Frage 2: wie lange dauert vorübergehend? Mittlerweile ist mehr als ein Jahr vergangen, die Schmiedgasse seit einem Jahr fertiggestellt, mit der Sanierung der Albrechtgasse wurde dennoch nicht begonnen und der Hauptplatz sowie der Mariahilfer Platz sind noch immer durch Pflaster-Flickwerk optisch schwer beeinträchtigt.

Im Bereich Kunsthaus führt die Kosakengasse zur Barmherzigenkirche in die Annenstraße. Diese Gasse weist noch Spuren einer historischen Pflasterung auf. Während der mehrjährigen Baustelle des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder konnte man hoffen, dass die Kosakengasse, mehrmals aufgegraben, am Ende doch auch neu gestaltet wird. Nein wurde sie nicht, sie wurde lediglich schwarz asphaltiert. Der Bereich vor dem Brunnen zeigt die ganze optische Misere auf und der einzige Baum wurde geschlägert, aber kein neuer bisher nachgepflanzt.
Wer hat dies so entschieden? Die Holding Graz, als der von der Stadt beauftragte Straßenerhalter? Es geht hier aber um mehr als um bloße Erhaltung. Es geht um Gestaltung des öffentlichen Raumes mit Fokus auf klimagerechte Stadt. Schwarzer Asphalt trägt wesentlich mehr zur Erhitzung im Stadtraum bei als hellerer Pflasterbelag. Das gehört mittlerweile zum Allgemeinwissen und sollte auch der Holding Graz bekannt sein.

Ähnlich steht es auch um die Dominikanergasse, die zur Bürgerspitalkirche und zur Andräkirche führt. Das historische Straßenpflaster ist ebenfalls schrecklich mit Asphalt ausgeflickt. Auch hier ist zu befürchten, dass im Falle einer Sanierung das historische Straßenpflaster durch schwarzen Asphalt ersetzt werden wird.

Wer schützt die Altstadt vor der Praxis der Holding? Wo bleiben ASVK und Altstadtanwalt? Nicht nur historische Gebäude machen den Charme einer Altstadt aus. Ein möglichst einheitlicher Bodenbelag aus gepflegtem Pflaster bildet den Präsentierteller für die Gebäude einer historischen Stadt. Dafür gibt es unzählige Beispiele.

Eine kleine Auswahl von Städten unseres nördlichen Nachbarn Tschechiens, die ich besucht habe und wo die gesamten Altstadtbereiche und nicht nur die ausgewiesenen Fußgängerzonen zur Gänze mit Kleinsteinpflaster (in bestem Zustand) versehen sind: Krumlau, Znaim, Telc, Trebic, Kutna Hora, Mikulov, Prag, Liberec, Olmütz.
Jedes Mal, wenn ich von solchen Reisen nach Graz zurückkehre, erlebe ich einen Kulturschock. Was ist los in der Kulturhauptstadt Graz?

Anselm Wagner

Sie haben leider vollkommen recht. Zu ergänzen wäre noch der Tummelplatz. Diese vor 30 Jahren als vorbildlich gepriesene Platzgestaltung ist seit vielen Jahren nur mehr ein einziger Schandfleck. Die ASVK hat in der Zeit, als ich darin tätig war (2011–2020), wiederholt diesen Missstand gegenüber den Verantwortlichen kritisiert. Leider ohne Erfolg. Das Argument war immer: Pflaster mit Pflasterung auszubessern wäre zu teuer und es werde eh bald alles saniert. Wie man ja an Ihren Beispielen gut sehen kann...

Di. 23/11/2021 11:40 Permalink
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