09/09/2021

MINUS – Roseggerhaus

Fragwürdige Umgestaltung des 1913 errichteten, historisch bedeutenden Roseggerhauses in der Grazer Annenstraße durch das Online-Handelsunternehmen Niceshops

.

Kommentar von Elisabeth Kabelis-Lechner

.

09/09/2021

Warum tragende Strukturen hinter einer um die Ecke gezogenen Glasfassade verschwinden mussten, der Eingang durch orange Felder betont ...

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

... und der ohnedies enge Gehsteig in der Elisabethinergasse noch weiter reduziert wurde, bleibt unverständlich.

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

Die Annenstraße in Graz ist als Weltkulturerbe-Pufferzone ausgewiesen. Sie ist ein Verbindungkorridor zwischen dem Weltkulturerbe Historische Altstadt von Graz und dem Weltkulturerbe Schloss Eggenberg. Im Weltkulturerbe-Masterplan gibt es für bauliche Veränderungen in dieser Pufferzone Handlungsempfehlungen. Diese scheinen aber beim Umbau des Roseggerhauses nicht berücksichtigt worden zu sein.
Nach dem Umbau sind die tragenden Strukturen des Roseggerhauses hinter einer um die Ecke gezogenen Glasfassade verschwunden. Grelle orange Felder heischen nach Aufmerksamkeit. Etwas engagierter hätte der Umbau an dieser prägnanten Stelle schon sein können.

„Die Glasfassade, wie sie bei der Billa-Filiale im Roseggerhaus zu sehen ist, wird die ganze Erdgeschoßzone entlang um das Gebäude gezogen. Wie das gegenüberliegende Styria-Center, das ab 2015 saniert wurde, präsentiert sich das Roseggerhaus ab dem Sommer dann frisch aufpoliert“… schreibt Andrea Riegler in der Kleinen Zeitung vom 19. Februar 2021.

Wenn eine Geschäftsfassade mit der Billa-Fassade oder der Fassade des Styria-Centerswisse verglichen wird, ist das per se noch kein Lob. Eine Nachfrage beim Architekten, ob es hier keine Auflagen betreff Weltkulturerbe-Korridor gegeben habe, ergab, dass dieser von keinen Vorgaben wisse und das Gebäude ja in keiner Altstadtschutzzone liege. Auf die Frage, warum die vorgesetzte Glasfassade nun den sowieso nicht gerade üppigen Gehsteig in der Elisabethinergasse verschmälere, erfährt man das war auch vorher so" und im Übrigen habe man das Bauverfahren für den ursprünglich geplanten Hofermarkt übernommen. Daher stammt also das Orange in der Fassade! Aus Bauherrensicht ist das vielleicht verständlich. Dem Image der Weltkulturerbe-Stadt Graz schaden solcherart unsensible Gebäudeveränderungen massiv.

Was gibt der Weltkulturerbe-Masterplan eigentlich für diese Zone vor? Eine Handlungsempfehlung für diese Achse lautet: „Bauliche Veränderungen in der Pufferzone sollen durch gestalterische Maßnahmen die Wertigkeit der physischen Verbindung zwischen dem Historischen Zentrum und Schloss Eggenberg verstärken und das Stadtquartier aufwerten.“

Die Schutzzonenausweisungen nach dem GAEG (Grazer Altstadterhaltungs-gesetz) sind kritisch zu hinterfragen. Es kann nicht sein, dass so bedeutsame Gebäude wie das Roseggerhaus nicht in einer solchen liegen.

Anhang:
Definition Schutzzone laut Weltkulturerbe-Masterplan:
„Die Pufferzone zeichnet sich per se nicht durch eine Vielzahl an historisch bedeutenden Bauten aus, sondern hat in ihrer die Kernzone umgebenden Ausweisung die Schutzfunktion für das Welterbe zu gewährleisten. Sie soll Beeinträchtigungen durch bauliche Anlagen in einer unangemessenen Höhe, Kubatur oder Gestaltung, gebietsuntypische oder maßstabslose Gebäude vermeiden, insbesondere was Sichtachsen und Blickbeziehungen und den angrenzenden Straßenraum betrifft. Die Farbgebung sollte sich in die Stadtlandschaft einfügen (keine grellen Farben). Die Maßstäblichkeit der Bebauung hat sich am Bestand zu orientieren (keine hohen Häuser). (…)“
Auf Seite 98 des WKE mp ist zu lesen: „Sämtliche Bauvorhaben in den Schutzzonen sind grundsätzlich nach dem Stmk. BauG und dem GAEG 2008 zu beurteilen. Parallel dazu erfolgt bei denkmalgeschützten Bauten die Prüfung nach dem DMSG.“

Ambitionierte Ziele, denen es offensichtlich an Durchsetzungskraft fehlt.

Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
GAT+