16/04/2024

Die Grazer Arkadenhöfe sind berühmt. Peter Laukhardt spürt einzelnen in ihrer Geschichte und Bedeutung nach. In Teil 4 lädt er zu einem Spaziergang rund um Judenviertel und Bischofshof ein.

Die Kolumne Schau doch! von Peter Laukhardt zu unersetzlichen, schützenswerten Bauten im Grazer Stadtraum erscheint regelmäßig am 3. Dienstag im Monat auf GAT. 

16/04/2024

Die Arkaden der Stadt Graz, Teil 4, Judenviertel und Bischofshof

Bild 2: Herrengasse 16, Landhaushof-Arkaden

©: Peter Laukhardt

Bild 3: Herrengasse 13

©: Peter Laukhardt

Bild 4: Hans-Sachs-Gasse 7

©: Peter Laukhardt

Bild 5: Hans-Sachs-Gasse 6

©: Peter Laukhardt

Bild 6: Bischofplatz 4

©: Peter Laukhardt

Bild 7: Bischofsplatz 2

©: Peter Laukhardt

Bild 8: Stempfergasse 1, Arkade

©: Peter Laukhardt

Bild 9: Stempfergasse 5, Arkade

©: Peter Laukhardt

Bild 10: Stempfergasse 7

©: Peter Laukhardt

Bild 11: Stempfergasse 6, Keplerkeller

©: Peter Laukhardt

Bild 12: Herrengasse 9, Innenhof

©: Peter Laukhardt

Bild 13: Herrengasse 7, Hof 1

©: Peter Laukhardt

Die dritte Route beendeten wir bei Herrengasse 18; jetzt beginnen wir bei Herrengasse 16, ohne die eindrucksvolle Fassade von Nr. 16 a, des Landeszeughauses, zu übersehen.

34) Herrengasse 16: Landhaushof
In der vorigen Route haben wir den ältesten Teil des Landhauses, den Hof des 1531 errichteten Rittersaaltraktes Ecke Schmiedgasse-Landhausgasse besucht. Nun widmen wir uns dem Haupthof, dem schönsten Arkadenhof der Renaissance außerhalb Italiens, wie Kunstkenner meinen. Die Pfeilerarkaden mit toskanischen Pilastern über drei Geschoße der Nord- und Ostseite und den Balustraden zwischen den Bogenöffnungen sind eine architektonische Besonderheit (Bild 2). In den Jahren 1557 bis zu seinem plötzlichen Tod 1564 hat sich damit der große italienische Baukünstler Domenico dell’Allio – übrigens im Auftrag der damals protestantisch gewordenen Stände – ein Denkmal gesetzt, das ihn weit mehr als die Planung der Neubefestigung der Stadt und des Schloßbergs unvergesslich gemacht hat. Wie sehr man früher auf harmonische Einfügung geachtet hat, zeigt der zweigeschossig Arkadengang mit den bekrönenden Obelisken der Südseite, der erst 1890 einen schmucklosen Trakt ersetzte und dem Hof einen würdigen Abschluss nach Süden gab.  

Wir überqueren nun die Herrengasse und betreten durch ein schönes Portal mit der Inschrift 1793 einen Innenhof ganz anderer Prägung.

35) Herrengasse 13: Ehemaliges Palais Stubenberg
Dieses Haus hat eine lange aristokratische Geschichte. Seit dem 16. Jh. waren die Grafen Saurau, dann die Freiherrn von Stadl Besitzer, und als Napoleon hier 1797 übernachtete, gehörte es dem Grafen Christian von Stubenberg. Der im Obergeschoß des Südteils gelegene „Napoleon-Saal“ wurde vom Grazer Theatermaler Alois Gleichenberger aber erst 1810 gestaltet (Zutritt mit Erlaubnis der Besitzer ist möglich). Nachdem die Escompte-Bank 1870 das Objekt erworben hatte, kam es ab 1906 zu einem großzügigen Umbau der Hofgebäude. Dabei wurden an der West- und Nordseite späthistoristische Laubengänge mit Säulenarkaden und gotisierenden Balustraden gebaut. An einer Ecke ist unter einem Erker ein pittoresker Brunnen mit Maskaron und Fisch zu sehen (Bild 3). Auch das Obergeschoß der Südseite ist durch eine Säulenarkade geschmückt.

Wir gehen nun die Herrengasse weiter und biegen in die Mesnergasse ein, das gotische Eingangsportal der Stadtpfarrkirche rechts liegen lassend. Hinter dem Kirchenchor ist das schon bei den Durchgängen beschriebene Tor in Richtung Bischofshof zu sehen. Die katholische Kirche verweist einerseits auf „Begehen und Betretene auf eigene Gefahr“, ein anderer Zettel sagt aber „Kein Durchgang zum Bischofplatz“ – wie lange noch? Der kleine Platz erinnert ein wenig an das ehemalige Judenviertel. Nach dem Haus Mesnergasse 7 – ehemals kaiserliches Spital, jetzt Jugendkeller“ – gelangen wir durch ein Türl neben der Johanneskapelle in den hier noch erkennbaren Kreuzgang des ehemaligen Dominikanerklosters; dem Predigerorden war von Friedrich III. 1466 die bald nach 1439 im aufgelassenen Judenviertel errichtete Fronleichnamskapelle zum Bau von Kirche und Kloster überlassen worden. Ein kurzer Blick in den schönen Kirchenraum und den schmucken Innenhof mit den Skulpturen und der „bischöflichen“ Sonnenuhr lohnt sich! Dann, eine schwere Tür aufdrückend, gelangen wir durch einen verwahrlosten Vitrinengang zu einem barocken Portal im Hausinneren, das die Lage der mittelalterlichen Stadtmauer markiert. Der weiter zur Straße seltsam schräg verlaufende Korridor zeigt direkt auf unsere nächste Station.

36) Hans-Sachs-Gasse 7: Ehemaliges Palais Welsersheimb
Dieses schöne Stadtpalais wurde 1689 bis 1694 vom bekannten Baumeister Joachim Carlone für Sigmund Graf von Stubenberg errichtet. Durch ein Rustikaportal kann man das Stiegenhaus und den Hof erreichen. Aber viel schöner kann man den „fachgerechten“ Aufbau der Arkadengänge an der Ostseite von den Obergeschoßen der Buchhandlung Moser aus betrachten: ganz unten eher schmucklose Pfeiler, darüber mit ionischen, im zweiten Stock mit korinthischen Kapitellen (Bild 4). Vom Café und seiner Terrasse lässt sich sehr gut nachvollziehen, wie man einst vom Stiegenaufgang zunächst ein dreijochiges Vestibül mit wunderbaren Deckenmalereien durchschreiten musste, um zu den gräflichen Wohnräumen zu gelangen. Diese sind schon lange durch moderne Einbauten ersetzt worden. Dass ein Bombentreffer diese Arkadenseite nicht zerstört hat, ist ein kleines Wunder.

37) Hans-Sachs-Gasse 6: Haus an der Stadtmauer
Wenn wir diesen Hof besuchen, passieren wir die im Mittelalter mitten durch die Häuser verlaufende Stadtmauer (siehe Bild 1). Der rückwärtige Teil dieses Hauses (es war früher im Besitz der Grafen Schrattenbach und Trauttmansdorff) ist 1483 entstanden, als Kaiser Friedrich III. das „Lustgärtlein“ von Bischof Matthias Scheit zwischen dessen Hof und der Stadtmauer verbauen ließ, um den vor ungarischen Horden aus St. Leonhard Geflüchteten eine Heimstatt zu bieten. Der Anbau innen an die Stadtmauer war möglich geworden, weil unter Friedrich um 1441 der Stadt im Osten und Süden eine Zwingermauer vorgelegt worden war. Eine 12 Schuh (ca. 3,6 m) breite Gasse musste jedoch den Zugang zu den neuen Häusern sicherstellen, es ist der 1903 geschaffene und derzeit noch immer verschlossene Durchgang entlang des bischöflichen Grundes. Den Namen „Neugasse“ erhielt die heutige Hans-Sachs-Gasse erst, als die renaissancezeitliche Kurtine die Befestigung noch weiter nach Süden zum heutigen Opernring vorschob und damit auch eine Verbauung an der Südseite der Gasse ermöglichte.

Die schönen dreigeschoßigen Arkaden im Hof, im Erdgeschoß mit Pfeilern, darüber mit toskanischen Säulen ausgebildet (Bild 5), sind natürlich erst später dem Baukörper vorgelegt worden, die Kunsttopographie von Wiltraud Resch spricht von der 2. Hälfte des 16. Jhs, was mit der uns schon bekannten Art der Säulen gut übereinstimmt.

Auf dem Weg durch die Schlossergasse kommen wir am östlichen Zugang zum alten Durchgang vorbei; auch hier ist das Türl fest verschlossen. Das hübsche Portal mit dem Steinrahmen und der Jahreszahl 1777 wurde übrigens aus dem von Bomben zerstörten Haus Bischofplatz 3 hierher versetzt; bis in die späten 1960er Jahre standen zwischen Bischof- und Tummelplatz keine Gebäude! 

38) Bischofplatz 4: Ehemaliger Bischofhof
Es wird angenommen, dass die Kernzelle des heutigen bischöflichen Ordinariats schon im Jahr 1254 genannt wurde, als Ottokar von Graz sein Haus dem Bischof von Seckau schenkte; die nach dem Bombentreffer vom 1. November 1944 im ersten Stock freigelegten Wandmalereien aus der 2. Hälfte des 13. Jhs bestätigen das. Im ersten Hof sind an der Nordwest- und Südwestseite verschieden hohe, durch Fenster verschlossene Arkadengänge aus späteren Jahrhunderten vorgeblendet (Bild 6). Das Foto zeigt den Durchgang in den zweiten Hof und dahinter das Tor zur Mesnergasse.

39) Bischofplatz 2: Durchgangshaus
Bis 1903 war die Verbindung vom Bischofplatz durch das Haus der Familie Decrinis zur Salzamtsgasse noch offen; der Durchgang ist noch heute gut erkennbar. Die Nordseite des Innenhofes ist durch dreiachsige Arkadengänge aus der 2. Hälfte des 16. Jhs geschmückt, die im Erdgeschoß durch Pfeiler, in den drei Obergeschoßen durch toskanische Säulen getragen werden (Bild 7).

Wir biegen nun nach links in die Stempfergasse ein, die schon früh eine Verbindung von der Herrengasse zum Bischofshof herstellte; sie galt vor Jahrzehnten wegen der Ansammlung von Redaktionen als „Times Square“ von Graz und hätte auch „Leykam-Gasse“ heißen können.

40) Stempfergasse 1: Ehemalige Post
Dieses schmucke Gebäude der Spätrenaissance mit den beiden polygonalen Eckerkern (einer von Maskaron-Konsolen getragen) war viele Jahrhunderte lang im Besitz adeliger Familien. In der Einfahrt ist links noch der Abgang zum früher sehr beliebten „Urbani-Keller“ zu erkennen, gegenüber die Skulptur eines riesigen Zwerges (Rochus Haas, 1863). Im Hof sind in den drei Obergeschoßen des Südosttrakts trotz einiger Bombenschäden schmucklose Pfeilerarkaden erhalten geblieben (Bild 8).

Auch das ehemalige, durch ein schönes Portal mit dem von zwei Katzen gehaltenen Wappen der Katzianer (1742) gezierte ehemalige Palais Katzianer, Stempfergasse 3, verfügte über Hof-Arkaden, wie ein altes Foto (im Buch „400 Jahre Leykam“) beweist, doch eine Bombe vom 1. November 1944 und der nach dem Krieg errichtete Neubau im Hof haben alle Spuren getilgt. Über den Verlust trösten uns die folgenden Bauten hinweg. Der in der Einfahrt angebrachte Inschriftenstein über den Neubau von 1540 durch Anton Schrat gehört übrigens zum folgenden Haus.

41) Stempfergasse 5: Kapellenhaus
Diese Bezeichnung gebe ich dem Haus, weil hier noch ein aus dem Jahr 1543 stammender Kapellenraum mit noch spätgotischem Netzrippengewölbe erhalten ist. Die im Hof des Straßentraktes in den beiden Obergeschoßen erhaltenen einachsigen Arkaden sind dem großartigen Kunsthistoriker Eduard Andorfer verborgen geblieben, weil die je zwei, beinahe zur Gänze eingemauerten toskanischen Säulen erst bei Umbauten ans Tageslicht gerückt sind (Bild 9). Von 1893 bis 1980 waren hier Verlag und Druckerei, noch etliche Jahre länger die Buchhandlung der Firma Leykam untergebracht.

42) Stempfergasse 7: Ehemals Stadler’sches Haus.
Dieses Haus entstand durch die Vereinigung zweiter mittelalterlicher Bauten, von denen eines 1471 im Besitz des Ritters Andreas Greisenegger war, der im selben Jahr mit Andreas Baumkircher vor dem Murtor hingerichtet wurde. Durch die Jahrhunderte in wechselndem adeligem Besitz, dürfte ihm die Familie der Stadler nach der Mitte des 16. Jh. die dreigeschossigen Arkadengänge im Hof geschenkt haben, die in beiden Obergeschoßen zu Loggien ausgebildet sind, von denen die oberste nicht verbaut ist und einen der schönsten Eindrücke der Grazer Renaissance vermittelt (Bild 10). Der Buchdrucker Andreas Leykam, der schon 1782 im Nachbarhaus Nr. 9 eine Druckerei eingerichtet hatte, erwarb 1813 das Haus; davon zeugt das klassizistische Portal mit der entsprechenden Inschrift.

43) Stempfergasse 6: Keplerkeller
Laut Heiratsbrief vom 12. April 1597 wohnte damals bis zu seiner Vertreibung 1600 der von den protestantisch gewordenen Landständen nach Graz geholte Astronom Johannes Kepler in der Behausung des Herrn von Stubenberg in der Stempfergasse. Der prächtige Hof dieses Gebäudes gehört zu den schönsten Ensembles von Grazer Arkaden. Nach einer nicht mehr hier befindlichen Inschrift stammt diese Ausstattung von den Herren von Stubenberg, Erbschenken von Steyer, die das Haus ab 1560 besaßen. Vom Erd- bis zum 2. Obergeschoß bilden die über Eck geführten Laubengänge mit ihren toskanischen Säulen einen wunderbaren, pittoresken Anblick (Bild 11); über einem Bogen im Erdgeschoß stehen jeweils zwei im Obergeschoß. Ein Brunnen im Jugendstil bildet einen hübschen Gegenpol zur Renaissance-Architektur. Die mitten im Hof stehende spätgotische Säule mit Würfelkapitel und Eckblättern sowie dem Wappen der Bürgerfamilie Schrat (von Sternen begleiteter, schräggestellter Ast) wurde 1966 aus dem Haus Stempfergasse 5 hierher übertragen.

Bevor wir weitergehen, können wir noch die Überhänge der Fassade und die seitlichen Spähfenster entdecken. Ob von hier Kepler ängstlich das Geschehen vor dem Portal des Landhauses verfolgte?

Die letzten beiden Höfe erreichen wir durch die Passage von Stempfergasse 10, die wir schon bei den Durchgängen beschrieben haben:

44) Herrengasse 9: Ehemaliges Palais Breuner
Um 1570 hat der Hofkriegsrat Servatius Freiherr von Teufenbach das vom Ratsbürger Marx Stempfer erworbene und andere Gebäude und zu einem Palais umbauen lassen. Damals ist der schöne dreigeschossige Arkadenhof entstanden, der durch – im Erdgeschoß noch freistehende – toskanische Säulen beeindruckt (Bild 12). Die Grafen Breuner ließen den Straßentrakt in der dritten Hälfte des 17. Jh. im Barockstil umbauen; dabei wurden die westseitigen Arkadengänge einem neuen Stiegenhaus geopfert.

45) Herrengasse 7: Durchhaus zum Mehlplatz
Wir benutzen die schon einmal beschriebene Passage und gelangen in den „Glockenspiel-Durchgang“. Im Abschnitt zur Herrengasse liegt die letzte Station dieser Route. Die Arkaden mit ihren toskanischen Säulen in den beiden Obergeschossen beeindrucken von oben am stärksten (Bild 13); sie wurden freundlicherweise vom Baumeister gleich datiert: Eine Steintafel an der Brüstung des zweiten Obergeschoßes zeigt die Jahreszahl 1648. Die Säulen werden hier von Konsolen mit seitlichen Voluten gestützt; die Fratze an der zweiten von rechts ist nicht einfach zu entdecken.

Viel Vergnügen beim Rundgang!
Fortsetzung folgt…

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