13/03/2009
13/03/2009

Foto: Emil Gruber

Nach seiner Lesung im Grazer Literaturhaus steigerte sich der österreichische Schriftsteller Robert M. in eine längere Suada über die „Unmenschlichkeit der Architektur“ hinein. Die Architekten würden in erster Linie, wenn nicht ausschließlich für sich selbst entwerfen. Das seien keine Behausungen für Menschen, sondern für Arbeitsbienen. Er nannte Namen und Beispiele, die ich nicht wirklich kannte und folglich vergessen habe. Aber, selbst wenn ich sie noch wüsste, müsste ich sie aus rechtlichen Gründen weglassen. M.s Auslassungen gipfelten in der durchaus ernst gemeinten Forderung nach dem „Standrecht für gewisse Architekten“. M. hatte recht zügig vom Welschriesling getrunken. Der Name Hierzegger fiel nicht, soviel kann ich verraten.
Robert M. bezog sich auch nicht auf den umstrittenen Literaturhaus-Neubau von Riegler Riewe, der nach einer verbürgten Anekdote gar nicht den Zuschlag der Jury bekommen hätte sollen. Der Juror Wolfgang B., ein großer Dichter, wenn auch nicht eben ein Architektur-Fachmann, wollte dem Vernehmen nach für das Projekt von Wolff-Plottegg stimmen, irrte sich aber – und so kam die Schachtel von R. R. zum Zug.
Die österreichische Autorin Marlene St. wies während ihrer Lesung auf den originellen Umstand hin, dass sich die Toiletten direkt hinter der Bühne befänden. Das sei ihr noch an keinem anderen Veranstaltungsort untergekommen. Und wieder rauschte die Wasserspülung. Und vom Café Orange im oberen Stock dröhnten dumpf die Bässe.
Literatur und Architektur. Ein ungleiches Paar. Auch wenn Max Frisch lange Zeit Architekt war, wenn auch in den letzten Jahren seines Brotberufes eher pro forma, unter dem Zeichenblatt hatte er schon ein anderes Blatt, auf dem er literarische Einfälle notierte, seinen Brotgeber damit, wie er späterhin gestand, hintergehend. Ich bin übrigens nach einem Literatursymposion neben Max Frisch zu sitzen gekommen. Ich sprach allerdings nicht mit ihm über Bauwerke, auch nicht über sonstige Werke, sondern nur dem Wein zu. Der Romancier Gerhard R. sagte insistierend zu Rosa P.: „Wenn du dein´ Arsch herzeigst, zeig i mein´ a her.“ Aber Rosa zeigte nicht, und so blieb uns zur allgemeinen Erleichterung der Anblick von R.s Gesäß erspart.
Die Strudelhofstiege habe ich noch nie erstiegen. Notre Dame auch noch nicht, aus Furcht vor Sophia Loren und ihrer Brüstung. Manhattan? Ein Freund ging nach Amerika, ich war es nicht.
Es gibt wohl Vergleiche zwischen Literatur und Architektur, was den Aufbau von Romanen anbelangt. Aber wirklich überzeugend finde ich das nicht. Ein Text ist ein Text ist ein Text. Und Architektur bekanntlich gefro-rene Musik.
„Sobald das Standrecht angeordnet ist“, schrieb der junge Peter H., „hat das Militär dafür zu sorgen, dass an dem Orte die Ruhe herrscht. Der Scharfrichter und seine Gehilfen sollen sofort herbeigerufen werden; desgleichen sind die nötigen Gerätschaften bereitzustellen. Die Verurteilten sind zur Vorbereitung auf den Tod abzuführen. Ein Rechtsmittel gegen das Urteil steht ihnen nicht zu; ein von wem immer eingebrachtes Gnadengesuch hat keine aufschiebende Wirkung. Das Gnadengesuch wird abgelehnt.“
Unmenschlich sei die Baukunst, ereiferte sich M., von sich selbst aufgestachelt. Er werde demnächst, drohte er, einen Essay darüber schreiben. Erschienen ist der bis jetzt offenbar noch nicht. Und solange bleiben Architekten noch ungeschoren oder zumindest am Leben…

Verfasser/in:
Günter Eichberger, Glosse
Viktor Jung

...und ist ihnen jetzt leichter um `s herz?-herr eichberger...nach diesem lauen+ flachem geschreibsel!

Do. 12/03/2009 11:33 Permalink
Tschavgova

Lieber Günter Eichberger,
Robert Menasse schimpfte über die seiner Meinung nach menschenverachtende Auffassung von Oscar Niemeyer (das war der, der Brasilia geplant hat) und Le Corbusier von Stadt und Stadtplanung. Abgesehen davon, dass diese beiden Architekten Teil des Allgemeinwissens auch von Schriftstellern sein sollten wie Brecht, Hemmingway, Martin Walser oder Thomas Bernhard einer von Architekten, wird - wer Menasse kennt - diese seine "Suada" als Teil einer Strategie erkennen, die die wortreiche Übertreibung zur schriftstellerischen Methode macht und das Werk so als einzigartig charakterisieren will. Da hat Menasse natürlich gegen unsichtbare, schier unbezwingbare Windmühlen zu kämpfen, die Bernhards Reich abschirmen und unerreichbar machen - aber immerhin lebt M. noch und kann "life" seine Wirtshaustisch-Gegenüber unterhalten mit Suaden und Schrullen zu so vielen Themen, dass es mitunter nicht nur interessant und streitanregend, sondern auch sehr amüsant ist. Menschen mit umfassendem Wissen und breit gefächerten Interessen sterben leider eh aus.

Do. 12/03/2009 7:53 Permalink
günter eichberger

liebe frau tschavgova,
wer architekten "menschenverachtung" vorwirft, sie aber gleichzeitig dem standrecht überantworten möchte, richtet sich selbst. da geht die "übertreibungskunst" in schieren widersinn über.
le corbusier kommt übrigens in meiner vorherigen glosse zur thalia vor. ansonsten gilt wie immer: "wohl weiß ich nichts, doch möcht ich weniger noch wissen."
die formulierung von thomas bernhards "unerreichbarem reich" sollten Sie sich patentieren lassen.
mit besten grüßen
günter eichberger

Sa. 14/03/2009 8:20 Permalink
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