01/08/2010
01/08/2010

(1) piscina municipal

(2) salida glòries

(3) dichte...

(4) ...und raum

(5) urbane wüste

(6) clots

(7) königlich

(8) auch königlich

(9) aneignung

(10) alignment

(11) warten auf godot

(12) walden

(13) hier gibt’s neue schuhe

(14) farinera

(15) reflections

(16) more reflections

(17) schlussstein

(18) multiple reflections

(19) schattenseite

(20) innenhof 2.0

(21) glòries

(22) brache

(23) altes ehepaar

(24) triangle

(25) schroff

(26) lineal

(27) solar

(28) waterfront

(29) irgendwann bleib i dann dort. Alle Fotos: Martin Grabner

MARTIN GRABNER
Barcelona: Städtebau mit Mut

Barcelona - Sonne und Strand, Musik, Kunst und Kultur, schöne Menschen und gutes Essen, mediterrane Lebensfreude. Vor allem aber eines: STADT.
Die Hauptstadt der autonomen Region Katalonien hat rund 1,6 Millionen Einwohner. Über die geballt Urbanität, die so viele Besucher begeistert, sagt eine andere Zahl aber viel mehr aus: leben in Graz rund 2.000 Menschen auf einem Quadratkilometer, so sind es in Barcelona acht mal so viele: 16.000. (1)

In Barcelona wird ständig abgerissen, neu gebaut, umgebaut. Da entsteigt man der Metro schon einmal mitten in der Baustelle eines künftigen Museums für zeitgenössische Kunst. (2)

In der Stadterweiterung Eixample von Ildefons Cerdà aus dem 19. Jahrhundert zeigt sich die Dichte an Baumasse und Gestaltungswille besonders deutlich. Hier gesehen vom Dach der Casa Milà von Antoni Gaudí. Im Hintergrund seine Sagrada Familia und Jean Nouvel’s Torre Agbar. (3)

Als Gegengewicht zu der dichten Bebauung wurden besonders ab den 80er Jahren großzügige Freiräume wiederhergestellt oder neu errichtet. Es entstanden und entstehen Plätze und Parks mit unterschiedlichsten Charakteren und Qualitäten. Nicht alle funktionieren perfekt, sie zeugen aber von einem großen städtebaulichen Mut, den nicht jede Stadt ihr Eigen nennen kann. (4)

Die kontroversiell aufgenommene, an der Arte Povera angelehnte, Plaça dels Països del Catalans vor dem Bahnhof Sants thematisiert ihre eigene Umgebung - eine urbane Wüste. In Form und Materialität nimmt sie Richtungen auf und schafft in reduzierter Architektursprache bewegte und beruhigte Zonen.
Der Torre Catalunya zeugt als eines von vielen Symbolen vom Selbstbestimmungswillen der Katalanen. (5)

Der Parc del Clot wurde 1986 angelegt, um den Bewohnern des dicht besiedelten Wohn- und Gewerbeviertels Santa Marti öffentlichen Freiraum zu bieten und gilt als ein Klassiker der Landschaftsarchitektur des späten 20. Jahrhunderts. Die Architekten schufen auf dem ehemaligen Bahnhofs- und Industriegelände einen hybriden Raum aus begrünten und befestigten Flächen, die von Wegen, Plätzen und Wasserflächen durchzogen sind. Kamine, Bögen und Ziegelmauern wurden als Zeugen der industriellen Vergangenheit des Ortes erhalten und in das Konzept integriert. (6)

Palmen, Cafés und Bars. Die aus der Mitte des 19. Jahrhunderts stammende Plaça Reial ist mit den umlaufenden Arkaden ein Paradebeispiel für einen geschlossenen innerstädtischen Platz. Anfang der 80er Jahre wurde die urbane Qualität wiedererkannt und der damals heruntergekommene Platz revitalisiert. (7)

Die Mischung aus Einwohnern und Touristen auf der Plaça del Rei im Herzen des Barri Gòtic wirkt auf den ersten Blick wie eine Stadtszene vor hundert Jahren. (8)

Die Plaça dels Ángels vor dem Museo d’Art Contemporari Barcelona vom US-amerikanischen Architekten Richard Meier befindet sich in der Innenstadt. Der von Gebäuden verschiedener Jahrhunderte gefasste Platz wird vor allem von der heimischen Jugend bevölkert, die sich mit Touristen mischen. (9)

Jean Nouvel’s neuer Parc Central de Poblenou nimmt, genau wie die umgebenden Bauten, die Richtungen der diagonalen Boulevards auf und fügt sich so in ein großes Ganzes ein. Und er wird sicher noch ein wenig grüner. (10)

Weit abseits der Touristenströme wartet noch so manches Gebäude - warten ganze Stadtviertel - traurigen Blicks auf Erneuerung. (11)

Walden 7 - eine gebaute soziale Utopie des Architekten Ricardo Bofill im suburbanen Nirwana. Zwischenzeitlich verwahrlost herrscht in dem beeindruckenden Bau aus den 70er Jahren mit Pool am Dach und Springbrunnen im Inneren heute wieder reges Leben. Wie in der Grazer Terrassenhaussiedlung entwickelte sich ein funktionierendes soziales Gefüge. (12)

Der viele Regen auf einigen Fotos zeugt übrigens von einem besonderen Talent in der Wahl des Reisezeitpunkts. Denn die meiste Zeit des Jahres (rund 300 Tage) scheint in Barcelona die Sonne. Geholfen hat das dem Autor auf dieser Reise nicht viel. Wegen der großen Nässe musste er sich schon am Ende des ersten Tages neue Schuhe kaufen, ausgerechnet in Barcelona - so ein Pech! (13)

Der Name Farinera kommt vom katalanischen Wort für Mehl. Heute befindet sich in dem Gebäude aus dem 19. Jahrhundert ein Kulturzentrum. (14)

Vielschichtigkeit. Ein scheinbar harter Kontrast verwandelt sich zu einer harmonischen Ergänzung. (15)

Das CCCB (Centre de Cultura Contemporània de Barcelona) ist nicht mit der ehemaligen CCCP (Sojus Sowetskich Sozialistitscheskich Respublik) zu verwechseln. Oben spiegelt sich die Stadt bis hin zum Meer, unten verdoppelt sich der historische Innenhof. (16)

Einen ganz anderen Blick nach oben bietet die Kirche Santa Maria del Mar aus dem 14. Jahrhundert, erbaut im Stil der katalanischen Gotik. Die 55 Jahre Bauzeit erweisen sich im Vergleich zur Sagrada Familia als äußerst bescheiden. (17)

Noch eine Spiegelung. Diesmal im Eingang zum San Antoni-Joan Oliver Library and Community Centre von RCR Arquitectes, eines der 5 Projekte, die es ins Finale des Mies van der Rohe Awards 2009 schafften (Ausstellung im AzW bis 22.9.2010). (18)

Mit der Bibliothek und dem Zentrum für Senioren wird nicht nur eine Baulücke geschlossen, sondern der Innenhof eines ganzen Blocks bespielt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. (19)

Die 133 x 133 Meter großen Blöcke der Stadterweiterung Eixample sollten ursprünglich nur auf zwei Seiten bebaut werden und dazwischen ein Garten angelegt werden. Es wurde aber schnell dichter. (20)

Der gewaltige Verkehrsknotenpunkt Plaça de les Glòries Catalanes an der Avinguda Diagonal ist erst rund 25 Jahre alt, soll jedoch bald unter der Erde verschwinden. Ein großer Park, ein Kunstmuseum und vieles mehr sollen entstehen. (21)

Das Projekt 22@Barcelona ist ein langfristiges und umfassendes städtebauliches Vorhaben, das das Industrie- und Arbeiterviertel Poblenou in einem „Innovationsbezirk“ verwandeln soll. Auf Industriebrachen wie dieser ... (22)

... entstehen sukzessive moderne Wohn- und Bürobauten. Nach anfänglichen Protesten wird wertvolles (Industrie-)Kulturerbe erhalten und in die Planungen integriert. Das charakteristische orthogonale Raster mit den abgeschrägten Ecken wird ebenfalls erhalten und neu interpretiert. (23)

Dieses dunkle Riesendreieck von Herzog & deMeuron kennt jeder. Das Edificio Forum bildet den Abschluss der Avinguda Diagonal an der Mittelmeerküste und ist das Herzstück des Forum Universal de les Cultures. (24)

Erst unter dem 45.000 Quadratmeter großen Kongresszentrum erschließen sich seine enormen Ausmaße. (25)

Die Horizontalität konterkariert die sonst in luftige Höhen strebende Bebauung der Barcelona Waterfront. Und sie unterstreicht die Leere, die auf dem weitläufigen Gelände herrscht wenn keine Veranstaltung stattfindet. (26)

Das Areal des Forum ist im Prinzip eine Betonplatte. Dem Zugang zum Meer standen an dieser Stelle Industrieanlagen, darunter eine Kläranlage und eine Müllverbrennungsanlage, im Weg. Sie wurden modernisiert und ein Platte über sie gelegt, um mit der Esplanade einen Erholungsraum am Wasser zu schaffen. Auf der harten künstlichen Landschaft finden sich Landmark-Buildings, zum Beispiel eine monumentale Photovoltaik-Anlage. (27)

In Diagonal Mar wird weitergebaut. Hier soll unter anderem ein Freibad mit Wassererlebnispark entstehen, dessen Dimensionen sich schon erahnen lassen. Am Horizont: Das segelförmige W Hotel und in der Mitte einer der beiden Türme des Olympischen Dorfes von 1992. (28)

Egal ob zeitgenössisch oder historisch, grün oder grau, groß oder klein. Barcelona ist eine Stadt der öffentlichen Räume, bespielt mit urbanem Leben. Für steirische Architekten sicher auch eine Variante des hierzulande so beliebten „Irgendwann bleib I dann dort“. (29)

Alle Fotos: Martin Grabner

BIOGRAFISCHE NOTIZ:
Martin Grabner, geboren 1979 in Graz, studiert in Graz Architektur und arbeitet am Institut für Städtebau der TU Graz. Derzeit schreibt er an seiner Diplomarbeit sowie für gat.st. Er ist Absolvent des Kolleg für Fineart Photography und Multimedia Art an der Ortweinschule Graz und arbeitet als freischaffender Fotokünstler.
www.magdesign.at

AUSSTELLUNG:
Fotografien von Martin Grabner sind noch bis Samstag, den 7. August in der Galerie Eugen Lendl, Bürgergasse 4/1 in Graz zu sehen.
Im Rahmen der Finissage wird am 7. August ab 11.00 Uhr das Buch zur Fotoausstellung "Charmante Unwirtlichkeiten" präsentiert.

Verfasser/in:
Martin Grabner
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