11/04/2004
11/04/2004

Das Innere der Kirche in Thomatal, Blick in die gotische Apsis

Wer keinen Palmbuschen hat, borgt sich einen für das Foto

Die Kamerafrau auf der Kanzel

Pfarrer Valentin Pfeifenberger, zwischen Messelesen und Frühschoppen

Selten kommt ein Esel allein

Palmsonntag im Thomatal, Lungau, Salzburg.
An mit schmutzigen Schneeflecken bedeckten Weiden, am Bach mit Birken und Erlen entlang schlängelt sich die Straße ins Thomatal. Das Wetter: grau, braun, Nebelfetzen. Wie alle schaulustigen Wallfahrer kommen wir mit dem Auto. Dementsprechend zugeparkt ist die Ortsdurchfahrt der Verbindungsstraße vom Murtal nach Nordwesten, eine etwa 50 n. Chr. erbaute ursprüngliche Römerstraße.
Die Kirche - klein, restauriert, ein mit Holzschindeln gedecktes Zwiebeltürmchen - wurde, so sagt die Dorfüberlieferung, auf einem heidnischen Tempel errichtet, dessen Opferstein unter dem Bogen, der heute den westlichen romanischen vom östlichen gotischen Teil der Kirche trennt, gestanden sein könnte. Der Turm ist von der Gotik eingezogen und steht südlich.

Die Pilger sprechen verschiedene Dialekte und warten auf den Einritt von Pfarrer Valentin Pfeifenberger.
Herdentiere versammeln sich gerne.
Fotografieren ist erlaubt, ja sogar erwünscht.
Schnellen Schrittes, so wie der Esel halt will, bewegt sich ein Pulk auf die Kirche zu.
Kinder tragen Palmbuschen, geschmückt mit buntem Krepppapier. Früher gab es wahrscheinlich den Wettbewerb, wer den längsten Stecken hat. Mitten in der voranschreitenden Menge sitzt auf dem Esel der Pfarrer: klein, rot bemantelt, mit einen Stirnkranz aus Palmkätzchen. Den Kopf schief, lange graue Haare, die im Wind wehen. Eine Litanei auf den Lippen, treibt er den Esel zur Kirche. Sein Anblick berührt mich, trifft mich, der Mund bleibt mir offen.
Das ist ein Mann der Kirche?
Diese ist bis zum Ein/Ausgangstor mit Menschen gefüllt. Darunter viele Kinder, welche den Gottesdienst mitgestalten. Unvermeidbar der Säckelwart. Blitzlichter der Kameras legen sich über das allgemeine Gemurmel zwischendurch. Eine Kamerafrau eines regionalen TV-Senders steigt auf die Kanzel, dreht sich im Kreis und fängt das Ganze für die Glotze aus der Kanzelperspektive ein. Du sollst nur einem Gott dienen!
Vor der Kommunion schleiche ich mich hinaus.

Nächste Station: der Pfarrer in der Sakristei. Davor wieder eine Menschenschlange. Bereitwillig schüttelt er Hände, umarmt für ein Foto Schultern und legt Hände auf. Der Wechsel zwischen Segnen und Smalltalk geht beiläufig, keine Schwierigkeiten vom lungaurischen ins lateinische. Ehre und Würde.
Vor dem Pfarrhof auf dem Hausbankerl in der Sonne, der Pfarrer, wieder mit dem roten Umhang, dem Palmkranz und einem Palmzweig, Leinenhose und „harvernem“ Hemd.
Eine auswärtige Frau mit ihrem Kleinkind getraut sich nicht so richtig, hinzugehen. Aber alle sind in seinen Bann gezogen. Wäre Jesus älter geworden, und ich wäre ihm begegnet, hätte er vielleicht auf mich so gewirkt wie dieser Pfarrer.

Das Wirtshaus ist voll. Die Einheimischen speisen mit ihrem Pfarrer. Im Nebenzimmer am Stammtisch wird debattiert. Wir alle sollen doch die Produkte der heimischen Bauern essen, und nicht das billige Klump von irgendwoher. Gut gepredigt, Pfarrer!
Die Gäste am Nebenstammtisch laden uns zum Dazusetzen ein. Als solche, die ausschauen wie zwei Studenten, erwecken wir ihr Interesse. Wir trinken und singen.
In der Nacht Regen. Reden. Das erste Auto zischt gegen drei Uhr Früh vorbei. Arbeit auswärts.
Unseres steht am Morgen einsam am Straßenrand.

Christof Wirnsperger, aus dem Pongau ausgewanderter Biologe.

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