24/05/2012

Nachlese zum ersten Smart City Graz Forum

24/05/2012

Rektor Harald Kainz, Moderator Reinhard Seiß, Gerhard Doblhamer, Hans Schnitzer, Markus Pernthaler, Raimund Gutmann, Wolfgang Streicher, Mario Müller, Kai-Uwe Hoffer und Stadtbaudirektor Bertram Werle (v. li)

©: Stadt Graz/Foto Fischer

Fotos: Stadt Graz/Fischer

Eine zukunftsbeständige Stadt mit geringem Ressourcenverbrauch und hoher Qualität nach dem Konzept einer „Smart City“ beginnt in den Köpfen der Verantwortlichen und der NutzerInnen. Diese Erkenntnis zog sich wie ein roter Faden durch das „1. Smart City Graz_Forum“, das am vergangenen Montag zahlreiche Fachleute und Interessierte in die Aula der Technischen Universität Graz gelockt hatte.

Mit mehreren Auszeichnungen, zuletzt der Auswahl zum einzigen österreichischen Leitprojekt für eine Millionenförderung aus dem Klima- und Energiefonds des Bundes, hat das Projekt einer „Smart City Graz“, eines zukunftsbeständigen, intelligenten und nachhaltigen Stadtquartiers, bereits für Schlagzeilen gesorgt. Die bis zu 4,2 Millionen Euro Bundesförderung sollen jetzt zur Umsetzung eines ersten Demoprojektes im Zielgebiet Graz Mitte, einer weitgehenden Industriebrache unweit des Grazer Hauptbahnhofs, beitragen. Danach will man sukzessive nicht nur das Projektgebiet Graz Mitte, sondern auch noch die Zielgebiete Mur-West und Messequadrant zu „Smart Cities“ entwickeln. Ehrgeizige Ziele, denen das aus 14 Partnern bestehende Konsortium unter Federführung der Grazer Stadtbaudirektion in Kooperation mit zahlreichen „Schwergewichten“ aus Forschung, Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung in den kommenden Jahren und Jahrzehnten Schritt für Schritt näher kommen will. Das „1. Smart City Graz_Forum“ mit hochkarätigen Fachleuten aus ganz Österreich zeigte am Montagabend in der Aula der Technischen Universität Graz auf: Ideen und technische Lösungsansätze zur Verwirklichung der Vision einer energieautarken und zukunftsbeständigen Stadt mit schonendem Ressourcenverbauch sind bereits vorhanden – was es zur Umsetzung braucht, sind, laut einhelliger Meinung der Fachleute, entsprechende politische Vorgaben, etwa bei Förderungsvergaben und ein Umdenken bei den potenziellen BewohnerInnen, denen man die persönlichen Vorteile im Vergleich zum Einfamilienhaus im Grünen nahebringen müsse.

„Durchdachte Lösungen für wachsende Stadt Graz“

Bei der Eröffnung der Veranstaltung bekannte sich Bürgermeister Mag. Siegfried Nagl auch als Baureferent zu durchdachten Lösungen, um die wachsende Stadt Graz zu entwickeln. Vor allem der Stadtteil Reininghaus biete große Chancen, die man nutzen wolle, um dort „g’scheit zu bauen“, wie sich der Bürgermeister ausdrückte. Er verwies auf den breiten politischen Konsens in der Stadt – schließlich habe sich der Grazer Gemeinderat einstimmig zur Entwicklung einer „Smart City“ bekannt. Nagl zeigte sich optimistisch, dass der Stadt im Zusammenspiel mit ihren „genialen Partnern am Bildungs- und Wissenschaftsstandort Graz gute Lösungen gelingen“ würden, womit Grazer wieder eine internationale Führungsrolle übernehmen werde.

„Graz hat Potenzial, Begeisterung für Smart City spürbar“

Auch die übrigen Eröffnungsredner zeigten sich optimistisch, dass Graz auf einem guten Weg zu einer „Smart City“ sei. Gemeinderat Karl Dreisiebner erklärte in Vertretung von Bürgermeister-Stellvertreterin Lisa Rücker, besonders der Grazer Westen habe viel Potenzial für durchdachte Verkehrs-, Wohn- und Arbeitslösungen. Er plädierte vor allem für Verkehrslösungen ohne Belastungen für die Bevölkerung durch Forcierung von Öffentlichem Verkehr, Rad- und Fußverkehr. Zudem mahnte er eine bestmögliche Einbindung der AnrainerInnen ein. Als „Hausherr“ des Forums strich der Rektor der TU Graz, Univ.-Prof. DI Dr. Harald Kainz, die „spürbare Begeisterung aller beteiligten Partner“ bei der Entwicklung eines Smart City-Stadtquartiers für Graz hervor. Auf dem Weg zu einem geringen Verbrauch von Ressourcen und Energie, verbunden mit hoher Lebensqualität, wolle die TU Graz eine ständige Diskussionsplattform anbieten. Stadtbaudirektor DI Mag. Bertram Werle betonte besonders den interdisziplinären Ansatz des „Smart City Project Graz-Mitte“ (GAT berichtete), der möglichst viele unterschiedliche Sichtweisen in die Lösungsfindungen einbringe. „Wer mit den begrenzten Ressourcen, besonders mit Energie, intelligent umgeht, wird gerüstet sei für die Zukunft!“ Die Stadtbaudirektion werde weiterhin als Drehscheibe für eine bestmögliche Koordination bester Lösungsvorschläge dienen.

Podiumsdiskussion: Plädoyer für gesetzliche Rahmenbedingungen

Nachdem Projektkoordinator DI Kai-Uwe Hoffer von der Grazer Stadtbaudirektion und der wissenschaftliche Leiter Univ.-Prof. DI Dr. Hans Schnitzer von der TU Graz das Smart City-Projekt im Detail vorgestellt hatten, zeigte sich bei einer äußerst informativen Podiumsdiskussion rasch: Nachhaltige und ressourcenschonende Lösungen werde es nur geben, wenn die entsprechenden gesetzlichen Rahmenbedingungen – wie zum Beispiel die Förderungsvergaben – den Trend vom alles andere als smarten Einfamilienhaus auf der grünen Wiese in Richtung intelligenter Gebäudeverbundslösungen umleiten könnten. Und dann müsse man den potenziellen BewohnerInnen vorrechnen, dass sie viel Geld, Zeit und unnötige Umweltbelastungen sparen könnten, wenn sie in einem zukunftsbeständigen Stadtquartier mit kurzen Wegen leben und arbeiten. Für Dr. Mario Müller vom Konsortialpartner FIBAG (Hans Höllwart – Forschungszentrum für Integrales Bauwesen AG) ist eines der Kernelemente einer Smart City, dass man nicht nur Einzelbauwerke als „Mini-Kraftwerke“ sehe, sondern diese noch möglichst weiträumig untereinander vernetze und so die gewonnene Energie optimal verteile und nutze – quasi als kleines „Internet der Energie“. Das Demoprojekt sehe eine Mischnutzung mit Wohnschwerpunkt vor, für einen Erfolg des gesamten Projekts seien „Umbrüche im Bewusstsein“ notwendig. Der ehemalige Leiter der Stadtplanung von Salzburg, DI Dr. Gerhard Doblhamer, strich vor allem die Rolle des Handels hervor: Dieser habe sich in den vergangenen Jahren wegen falscher Schwerpunkte in der Raumplanung besonders auf Einkaufszentren an den Stadträndern konzentriert, was eine völlig Fehlentwicklung sei. Doblhamer plädierte für die Abkehr von der Trennung der Bereiche Handel, Industrie und Wohnen zu Gunsten einer urbanen Mischnutzung: In den Erdgeschoßen moderner Stadtquartiere müssten Handel, Büros und auch verträgliche Industrie angesiedelt sein, die Stockwerke darüber sollten Wohnzwecken dienen. Die könne nur gelingen, wenn die Stadt nicht nur Dichteobergrenzen festlegt, sondern auch verbindlich zu erfüllende Mindestdichten. Dr. Raimund Gutmann von wohnbund:consult, Büro für Stadt.Raum.Entwicklung, warf den Verantwortlichen vor, die Fehlentwicklungen in der Stadtplanung und Stadtentwicklung viel zu lange toleriert zu haben. Notwendige Korrekturen sollte man teils durch gesetzliche Vorgaben erzwingen, zum Anderen aber auch mit Überzeugungsarbeit anhand gelungener Umsetzungsbeispiele begleiten.

Der Grazer Stadtplanungsamtsvorstand Dipl.-Arch. Heinz Schöttli sprach sich für eine verstärkte Steuerung der Stadtentwicklung durch das Instrument der Förderungen aus. Graz selbst müsse klären: „Was ist Graz – und wo wollen wir hin?“ Diese Frage sei auch im europäischen Kontext zu stellen. Der mit der Umsetzung des Demoprojektes betraute Grazer Architekt DI Markus Pernthaler kündigte an, das „Smart City Project Graz-Mitte“ werde ein grüner Stadtteil mit öffentlichen und halböffentlichen Grünflächen, fußläufig erreichbaren sozialen Einrichtungen wie Kinderbetreuungsmöglichkeiten und guter Durchwegung sein – wie er genau aussehen werde, könne man aber noch nicht sagen, weil die weitere Entwicklung ein Prozess sei, der ständig evaluiert werden müsse. Univ.-Prof. DI Dr. Wolfgang Streicher, ein an der Universität Innsbruck tätiger gebürtiger Steirer, vermisst derzeit nicht die technischen Mittel, sondern gezielte Werbung für das Leben im urbanen Bereich: „Einfamilienhäuser verursachen enorme Kosten für Infrastruktur, verbrauchen viel Platz und rufen Verkehrsprobleme hervor – trotzdem streben die Leute danach. Man muss den Menschen die wahren Kosten vorrechnen und sie so vom urbanen Wohnen überzeugen!“ Daher sei es nicht einzusehen, dass der Gesetzgeber den Bau von Einfamilienhäusern finanziell fördere, zukunftsfähige Lösungen jedoch nicht. Auch Projektleiter DI Kai-Uwe Hoffer plädierte dafür, „alle Anstrengungen zu unternehmen, um aus dem Netz der bisherigen Strukturen zu entrinnen“. Gefordert sei die Politik auf allen Ebenen, denn auch bereits im lokalen Bereich seien Verbesserungen möglich. Zudem müsse die Verwaltung bei der Vorbereitung politischer Entscheidungen „smart“ agieren. Hoffer abschließend: „Die Stadt muss transparente, klare Linien vorgeben, die Spielregeln hart verhandeln und mit Investoren durch privatrechtliche Verträge absichern!“ Im Demoprojekt sieht er einen ersten Baustein auf dem Weg zu diesem Ziel – „dank der dafür zuerkannten Fördermittel können wir da etwas ausprobieren!“

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