04/05/2020

Sehstärke 30

Das Museum der Wahrnehmung – MUWA – hat einen runden Geburtstag zu feiern: es wird im September 2020 30 Jahre alt.

Emil Gruber berichtet.

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04/05/2020

Dsa MUWA – Museum der Wahrnehmung

©: Emil Gruber

MUWA-Gründer Werner Wolf mit Hartmut Skerbisch, das MUWA-Modell studierend

©: MUWA - Museum der Wahrnehmung

Es wäre vor zwei Monaten eine gute Übung für die Zeit danach gewesen. Sich noch schnell eine Stunde auf eine besondere Erfahrung einzulassen: Wie fühlt sich totale Isolation an? Mit dem damaligen Vorteil, das Experiment jederzeit abbrechen zu können, wenn das Alleinsein zu schwer auf der Innenwelt zu hocken beginnt. Die, die schon vorher einmal sich durch eine spezielle Abgeschiedenheit getragen haben lassen, haben den Bodenständigen zumindest etwas vorausgehabt: intensive Vergleichsmöglichkeiten.
Das Samadhibad im Museum der Wahrnehmung ist aktuell – noch – geschlossen. Auch wenn es spätestens im April auch ein idealer Rückzugsort bei Großfamilienüberdruck gewesen wäre.
Das MUWA wird heuer im September 30 Jahre alt. Noch muss diese Beobachtung virtuell gefeiert werden. 1990 als mobile Einheit mit Containern im Stadtpark gegründet, wurde das MUWA 1995 sesshaft. Die ehemalige Volksbadeanstalt, die ab 1903 am Rande des Augarten-Parks badezimmerlosen Menschen ein reines Gewissen verschafft hatte (und mancher feuchten Zweisamkeit eventuell ein schlechtes), befand sich, desolat und baufällig, knapp vor dem Abriss. Trotz seiner auffälligen oktogonalen Bauform stand das Tröpferlbad nicht unter Denkmalschutz. Werner Wolf, der Gründer des Museums, hatte zwar das Gebäude von der Stadt Graz für eine Nachnutzung angeboten bekommen, jedoch reichten die zur Verfügung gestellten Mittel bei weitem nicht.
Wolf wusste sich aber zu helfen. Mit Aktivierung aller seiner Verbindungen zog er schnell Aufmerksamkeit auf dieses besondere Museum. Der Doyen der Kybernetik, Heinz von Foerster (1911 – 2002), hielt den ersten Vortrag im notdürftig adaptierten Gebäude. Die renommierte Architekturfotografin Margherita Spiluttini konnte mit Art Entrivalizes Life für die erste Ausstellung im MUWA gewonnen werden. Mit weiteren Mitteln der Stadt Graz und nun auch mit Geldern von Land und Bund konnte der Bau in der Friedrichgasse 41 nach Plänen von Michael Kocher fertigrenoviert werden. Seither wechseln im Hauptgeschoß drei Themen- oder Einzelausstellungen pro Jahr sich ab, begleitet von weiteren im kleineren Obergeschoß.  Eine eher atypische museale Einrichtung – als Reminiszenz an das Original – findet sich bis heute im Untergeschoß. Das schon eingangs erwähnte Schwebebad bereichert als abblendbare Dauerschaumöglichkeit ins eigene Ich die Ausstellungsräume mit seinen wechselnden Programmen. Durchschnittlich hundert Besucherinnen und Besuchern nutzen jährlich die Möglichkeit, sich je nach persönlicher Struktur an einer Wahrnehmungserweiterungsskala vom perfekten Om bis zu entzückter Entrückung zu erproben, die Seele so zu dehnen und den Geist erweitern zu lassen.
Das Konzept des Museums, das seit 2013 unter der Leitung von Eva Fürstner steht, ist ein hybrides. Neben etablierten Künstlerinnen und Künstlern wie Anna-Maria Bogner (viel mal mehr, 2019) über Branko Lenart (Hand:Work, 2018) oder Ferdinand Penker (Für das Muwa, posthum 2015) können auch regelmäßig Nachwuchskräfte Beiträge wahrnehmen. So besteht seit 2013 eine Partnerschaft mit dem Institut für Architektur und Medien an der TU Graz. Kooperationen mit anderen Kultureinrichtungen wie dem steirischen herbst, Vermittlungsprogramme, Workshops, Konzerte und Vorträge erweitern den klassischen Ausstellungsbetrieb.
Aktuell werden Slow Gestures des tschechischen Künstlers Jaromír Novotny gezeigt. Leider derzeit fragmentarisch. Die Eröffnungsrede von Britta Buhlmann und Fotos der Ausstellung können als Video auf der MUWA-Homepage angesehen werden. Ein echter Eintritt ins ehemalige Tröpferlbad wird hoffentlich bald wieder eine andere, gewohntere Wahrnehmung liefern.

PS
Apropos Eintritt: Wer sich in hoffentlich baldigen Normalzeiten den Eintrittspreis sparen möchte – wobei € 3,50 für Erwachsene ein sehr moderater Beitrag ist – der kann die Lösung dafür im eigenen Bücherregal finden. Die noch junge MUWA-Bibliothek sucht Nachwuchs: Kataloge und Bücher, Broschüren und Bildbände über Konstruktive und Konkrete Kunst im Tausch gegen einen freien Eintritt.

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