09/08/2013

2008 konnten pürstl langmaier architekten den offenen zweistufigen Realisierungswettbewerb "Geschäftszentrum Ostbahn-House Graz" für sich entscheiden. Das gebaute Ergebnis entspricht nicht mehr dem Wettbewerbsentwurf. Die Architekten haben sich davon distanziert.

09/08/2013

Wettbewerbsentwurf für Geschäftszentrum Ostbahn-House Graz (2008) von pürstl langmaier architekten mit geknickter Fassade Richtung Conrad-von-Hötzendorfstraße. Nach Fertigstellung des Neubaus (2012) ist davon nichts mehr zu sehen

Architektur: pürstl langmaier architekten©: pürstl langmaier architekten

Ostbahn-House Graz, Blick von der Conrad-von-Hötzendorfstraße: Das gebaute Ergebnis entspricht nicht dem ursprünglichen Wettbewerbsentwurf von pürstl langmaier architekten.

©: Petra Kickenweitz

Das Beispiel Ostbahn-House zeigt einmal mehr, dass Architekturwettbewerbe nicht unbedingt Qualität in der Umsetzung garantieren.

©: Petra Kickenweitz

Blick von Nordwesten.

©: Petra Kickenweitz

Heute schaffen es nur mehr ganz wenige junge Architekten, über offene Wettbewerbe ihren ersten großen Auftrag zu lukrieren. Das liegt einerseits daran, dass die öffentliche Hand immer weniger Verfahren öffentlich ausschreibt und andererseits an der Tatsache, dass ein Wettbewerbssieg alleine noch nicht besagt, dass das eingereichte Projekt auch umgesetzt wird.
Dazu kommt, dass bei der Teilnahme an Wettbewerben neben dem Idealismus enorme Investitionskosten und ein hohes Maß an Unternehmerrisiko nötig sind. Entfallen dann trotz Wettbewerbssieg die Planungsaufträge – meist aufgrund von mangelndem (politischem) Verantwortungsgefühl, Realisierungsabsichten und Finanzierung – so ist das nicht nur frustrierend, sondern aus wirtschaftlicher Sicht für Architekturbüros oftmals existenzbedrohend.

Ein Beispiel dafür ist der 2008 von der Gebäude- und Baumanagement Graz GmbH (GBG) und RoomZ Hotelmanagement GmbH ausgelobte zweistufige, offene Realisierungswettbewerb für das Hotel und Geschäftszentrum Ostbahn-House in Graz, den puerstl langmaier architekten für sich entscheiden konnten.

Auf dem städtebaulich markanten nördlichen Areal des Ostbahnhofes, in unmittelbarer Nähe zur Grazer Stadt- und Messehalle in der Conrad-von-Hötzendorfstraße, hätte laut Architekt Christoph Pichler, Juryvorsitzender des Verfahrens und seit 2012 Mitglied im Fachbeirat Graz, ein „geschliffener Kristall“ und ein „einfacher Baukörper in großstädtischem Maßstab und mit höchster Eleganz“ entstehen sollen. 2008 waren vom Projektentwickler, der GBG, auf den zwei Grundstücksparzellen baurechtlich getrennte Einheiten mit einem Hotel im Süden und einem Bürogebäude im Norden geplant. Auch sollte eine neue Verkehrslösung durch eine Unterführung des Bahnüberganges Fröhlichgasse gefunden werden. Zum damaligen Zeitpunkt war die GBG als 100%ige Tochter der Stadt Graz Eigentümerin beider Grundstücke.

Das verwirklichte Designhotel „roomz“ und das Bürogebäude, in dem vor Kurzem eine Polizeistation sowie die GBG eingezogen sind, ist alles andere als eine Erfolgsgeschichte und sicherlich kein Aushängeschild für die City of Design. Vom ursprünglichen Entwurf von puerstl langmaier architekten ist im realisierten Projekt nichts mehr zu sehen, denn im Anschluss an das Wettbewerbsverfahren erfolgte, entgegen der Absichtserklärung im Auslobungstext des Wettbewerbes, seitens des Hotelbetreibers, der als privates Unternehmen nicht dem Bundesvergabegesetz unterliegt, kein Verhandlungsgespräch mit den Planern über den Hotelbereich.
„Wir mussten damals in einen Wettbewerb gehen, da das Grundstück der GBG gehörte, prinzipiell wollten wir das nicht. Es ging bei dem Wettbewerb um ein Gesamtkonzept für ein Hotel- und Bürogebäude, das Hotelkonzept eines Low-Budget-Hotels wurde unsererseits mitgeliefert und die Gestaltung war damit auf die Fassade reduziert. Wir haben das Hotelgrundkonzept vor rund 10 Jahren entwickelt, dabei ging es auch um eine hohe Wiedererkennbarkeit und Standardisierung – die Effizienz der Fläche. Ein einheitliches Konzept ist dafür eine wesentliche Grundlage“, so Architekt Gabriel Kacerovsky (Büro archisphere), der für den Hotelbetreiber Mitglied der Wettbewerbsjury war. Damit entsprach der Entwurf von puerstl langmaier architekten mit seinem, von den Wettbewerbsvorgaben abweichenden Raumkonzept nicht den Vorstellungen der Hotelbetreiber.

Die Architekten wurden daher von der GBG nur mit der Einreichplanung für den nördlichen Bürogebäudeteil beauftragt. Das Einreichverfahren beim Ostbahn-House verlief daraufhin einzigartig: Es gab zwei Einreichungen, zwei Verfahren, die gemeinsam und in einer Bauverhandlung abgehandelt wurden. Die erste Baubewilligung wurde mittels Baubescheides mit vorbehaltlicher Überarbeitung der Fassadengestaltung ausgestellt.
Die ursprünglich geplante Fassadengestaltung des Wettbewerbsprojektes mittels Streckmetall wurde gleich von den Hotelbetreibern und deren Architekt Gabriel Kacerovsky abgelehnt. Ebenso das alternative Fassadenkonzept für eine kupferne Streckmetallfassade von puerstl langmaier architekten. In Folge gab es in Abstimmung mit der GBG mehrere Vorschläge für die Fassadengestaltung, u. a. von archisphere (mit Arch. Gabriel Kacerovsky) und von der vö/wo plan & design GmbH (Gerald Vötsch und Michael Worschitz). Schließlich konnten puerstl langmaier architekten, nach Intervention beim ehemaligen Stadtplanungschef Heinz Schöttli, die Fassade im Sinne eines einheitlichen äußeren Erscheinungsbildes nochmals überarbeiten. Die realisierte Fassade ähnelt allerdings dem zuvor in Wien errichteten roomz Hotel.

Die Begradigung der Kubatur des nördlichen Bürogebäudes erfolgte erst Anfang 2012 im Zuge der zweiten Baubewilligung und nach erfolgreichem Verkauf der „baureif entwickelten Projektliegenschaften“, dem nördlichen Bürogebäude, an die Fair Office Vermietungs- und Verwaltungs Gmbh, die für die weitere Ausführungsplanung die vö/wo plan & design GmbH beauftragten.

Das heutige Erscheinungsbild des Gebäudevolumens ist das Resultat einer nicht vorhandenen Qualitätskontrolle. Denn die GBG als Auslober und Eigentümer des Grundstücks hat unter dem eigenen Druck des erfolgreichen Projekt- und Grundstücksverkaufs zugelassen, dass der Hotelbereich nicht nur im Grundriss sondern auch im äußeren Erscheinungsbild vom Gesamtkonzept des Wettbewerbsentwurfes massiv abweicht. Eine einheitliche Formgebung bzw. Fassadengestaltung war damit nicht mehr gegeben. Der damalige Stadtplanungschef Heinz Schöttli bestand allerdings auf eine einheitliche Fassadengestaltung, die geknickte Kubatur lehnte er strickt ab. Blickt man heute auf das Resultat, war dies eine fragwürdige Entscheidung, die zulasten der Architekturqualität ausfiel, jedoch für die Investoren eine wirtschaftlichere Variante darstellte. Während pürstl langmaier architekten hohe Ambitionen bei der Fassadengestaltung verfolgten und ihr Hauptaugenmerk auf die Kaschierung der unterschiedlichen Gebäudehöhen und das Verbergen der Klimageräte am Dach legten, zeigt sich das Gebäude nun mit einer abgestuften Kubatur und einer von der Conrad-von-Hötzendorfstraße aus sichtbaren Fluchttreppe im Hotelbereich. Die zuvor in der dritten Dimension dynamisch geknickte homogene Fassade ist einer unspektakulären Platten-Loch-Fassade gewichen. pürstl langmaier architekten distanzieren sich vom gebauten Ergebnis.

Das Beispiel Ostbahn-House zeigt einmal mehr, dass Architekturwettbewerbe nicht unbedingt Qualität in der Umsetzung garantieren und wie wichtig eine konsequente Haltung bzw. die Einforderung von Qualitätsstandards seitens der Politik bzw. der Behörde wären. Die derzeitige Geschäftsordnung des Fachbeirates Graz nimmt jene Bauprojekte, die aus einem Architekturwettbewerb hervorgegangen sind, prinzipiell aus der Vorlagepflicht heraus. Allerdings sollte ein derart stark modifiziertes Projekt wie das Ostbahn-House vorlagepflichtig sein.

Restriktiver ist zum Beispiel die Stadt Innsbruck mit potenziellen Bauwerbern. Dort geht man seit rund 10 Jahren mit einem Projekt(ab)sicherungsvertrag und mit der Dienstbarkeit „Bauverbot“ ins Grundbuch, vorwiegend bei Projekten mit Flächenwidmungsplanänderung bzw. Bebauungsplanpflicht, wodurch auch bei Eigentümerwechsel die Rechtsnachfolger rechtlich gebunden werden. Damit können – auch im Interesse der Öffentlichkeit – die Auflagen für ein Projekt mit architektonischer Qualität bei der Baurealisierung nachhaltig erreicht und nachteilige Projektveränderungen unterbunden werden, auch wenn das Projekt aus einem Wettbewerb hervorgeht.

M. Eisenberger

Eine kurze Replik zum Kommentar aus Sicht des Entwicklers:
Eine Beauftragung bis zur Einreichung ist sicherlich keine Erfindung der GBG und schon gar nicht ein von der GBG forciertes Modell, sondern beispielsweise im Wohnbau seit Jahrzehnten ungeliebte, aber doch gelebte Praxis. Und in diesem Fall war sie ein Notausgang, der eine einigermaßen faire Exitstrategie aus einem Verfahren ermöglichte, dessen Vorzeichen sich aufgrund geänderter Rahmenbedingungen während der Planungsphase entscheidend verändert haben.
Die Annahme, dass ein im Eigentum der öffentlichen Hand stehendes Unternehmen nur unter „eigenem Druck“ arbeitet, ist, gelinde gesagt, naiv. Wer die Wirtschaftskrise mitbekommen hat, weiß auch, dass sich die öffentliche Hand derer Folgen nicht entziehen konnte und deshalb die Rahmenbedingungen ihrer Tochterunternehmen ändern musste. Dass die GBG vitales Interesse daran hat, hochqualitative Architektur umzusetzen, zeigen zahlreiche realisierte Wettbewerbssiegerprojekte der GBG - siehe Krippe und VS Schönbrunngasse oder Krippe Prochaskagasse.
Was ist Erfolg oder Misserfolg? Hier sollte die Verfasserin die Eigenschaften, die sie bei der Architektenschaft vermeint, auch den - um das I-Wort zu vermeiden - BezahlerInnen zubilligen: Nämlich die Bereitschaft, „enorme Investitionskosten“ (hier: insgesamt rd. 16 MEUR) zu tragen und „Unternehmerrisiko“ einzugehen. Dass solche Summen nicht ausschließlich bewegt werden, um Baukunst zu schaffen, muss einleuchten.
Das Ergebnis ist ein, für Grazer Verhältnisse, hochqualitatives Projekt an bedeutsamer Stelle. Vielleicht ist es kein Aushängeschild für eine City Of Design. Fakt ist aber, dass ohne das Engagement der GBG diese Liegenschaft möglicherweise gar nie eine dem Platz entsprechende Bebauung erfahren hätte, sondern als Verkehrsflächentorso geendet hätte.

Fr. 09/08/2013 12:25 Permalink
M. Brischnik

Antwort auf von M. Eisenberger

Die Tatsache, dass die öffentliche Hand und ihre mehr oder weniger ausgegliederten Unternehmen wirtschaftlich agieren, wäre zu begrüßen, sofern langfristige und (um das geplagte n-Wort zu verwenden) nachhaltige Motive dahinter stehen. Wenn man nun aber dankbar sein soll, dass an einer bedeutsamen Stelle etwas gebaut wurde, was zwar kein Aushängeschild ist und keine Baukunst repräsentiert, dann stellt sich die Frage, ob es nicht von deutlich mehr Verantwortung gezeugt hätte sich einzugestehen, dass man der Bauaufgabe derzeit nicht gerecht werden kann und das Grundstück in so bedeutsamer Lage unbebaut belassen hätte. Sogar private Bauherren haben entlang der prominenten Zufahrt zur Landeshauptstadt baukulturell hochwertige Projekte realisieren können. Davon ausgehend, dass dieses "hochqualitative Projekt" einige Jahrzehnte bestehen wird, wurde damit langfristig nichts bewirkt, was als positiv gewertet werden kann. Auch der Verweis auf gelungene Projekte an anderen Standorten rettet da nichts.
Unterm Strich ein trauriges Zeichen mangelnder baukultureller Verantwortung von einer Bauherrenschaft, die es besser hätte wissen müssen.

Di. 13/08/2013 10:50 Permalink
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