17/10/2016

Zahnmedizin – LKH-Univ. Klinikum Graz

Architektur
Ernst Giselbrecht + Partner
Graz, 2015

VAF – Der Virtuelle Architekturführer Steiermark – ist eine Sammlung der steirischen Architektur. Ziel und Anliegen ist es, die aktuelle regionale Architektur zu dokumentieren und auf das baukulturelle Erbe zurückzublicken.

Die in der 14-tägigen Serie NEU IM VAF gezeigten Bauten sind Teil dieser Sammlung, welche laufend ergänzt wird.

Projekteinreichungen

Redaktion VAF
Karin Wallmüller
wallmueller@gat.st

17/10/2016

Zahnmedizin – LKH-Univ. Klinikum Graz, Überblick vom Westen; neue Straßenbahnhaltestelle

Architektur: Ernst Giselbrecht + Partner©: Foto Pachernegg

Städtebauliche Situation
Der Gebäudekomplex der neuen Zahnmedizin ist Brückenkopf und Verbindungspunkt vom bestehenden LKH-Gelände zum neuen Campus Med-Uni-Graz, weshalb er besondere Bedeutung für die architektonische Gestaltung und die städtebauliche Strukturierung des Gesamtgebietes hat.
Der neue Komplex ist nicht nur Anbindung an das historisch gewachsene klinische LKH-Ensemble, sondern fungiert auch als städtebaulicher Vernetzungspunkt. Aus diesem Grund ist im Vorbereich der neuen Zahnmedizin ein urbaner Platz gestaltet, von welchem eine öffentliche Verbindung der Straßenbahnendhaltestelle mit der Brücke oberhalb des Logistiktunnels zum LKH-Gelände realisiert ist. So kann man das LKH-Gelände nicht nur im Bereich des Eingangsgebäudes beim ehem. Kutscherwirt, sondern auch im Bereich der Zahnklinik erreichen.
Die neue Eingangszone zur Zahnmedizin ist architektonisch klar ausformuliert und nicht nur von der Straßenbahnhaltestelle sondern auch vom neu geplanten vertikalen Aufschließungsbauwerk zum LKH-Gelände her gut sicht- und erkennbar.

Architektonische und funktionelle Lösung
Der Bauabschnitt 1 (KG-OG1) wird als klar strukturierter Baukörper in Süd-Ost- und Nord-West-Richtung konzipiert. Als Ergebnis der Gebäudestruktur zeigt sich eine gute Orientierungsqualität für alle Benutzer, welche dadurch unterstützt und verstärkt wird, dass Gänge und öffentliche Bereiche Ausblicke in die Landschaft bzw. auf den Vorplatz bieten. Durch die natürliche Belichtung und Belüftung aller Erschließungszonen wird eine optimale Qualität für Patienten und Mitarbeiter realisiert. Derartige Gestaltungsfaktoren werden immer mehr als ausschlaggebende Qualität im Krankenhausbereich erkannt.
Der Bauabschnitt 2 (OG2-OG4) wird als eigenständiger Baukörper in Talrichtung umgesetzt, dadurch ist eine geforderte Durchströmung des Stiftingtales mit Frischluft gewährleistet.

Medizintechnische funktionale Lösung
Das Projekt wird durch zwei Zugänge erschlossen: der südliche Haupteingang dient den Personenströmen vorrangig aus dem öffentlichen Verkehr, der nördliche Zugang mit unmittelbarer Anbindung an den PKW Parkplatz, steht auch Patienten zur Verfügung. Die Schnittstelle zwischen den beiden Zugängen bildet die zentrale Halle mit ihrer markanten Leitstelle und den angrenzenden Wartezonen, welche Ausgangspunkte für die weiteren Zugängen zu den Ambulanzen sind.
Die Anordnung der einzelnen Behandlungsgruppen wurde nach dem Prinzip des ansteigenden Hygienebedarfs sowie dem Grad der Patientenversorgungsintensität und der Synergie zwischen den Behandlungsgruppen ausgelegt. Planerisch wird diese Lösung dadurch gerecht, dass einerseits die Notfallversorgung unmittelbar neben dem Rettungszugang situiert ist und die zentrale Eingriffsraumgruppe der Oralambulanz sowie die radiologische Versorgungseinheit praktisch eine zentrale medizinische Einheit bilden, immer unter der Prämisse des ansteigenden Hygienebedarfs.
Die übrigen öffentlichen Ambulanzen wie Kieferorthopädie und Paradontologie sowie die erforderlichen Bereitschaftsdienstzimmer sind im östlichen Erdgeschoß untergebracht.
Um auch die Sterilgutversorgung in der oberen Etage des Objekts optimal zu gewährleisten, wurde die Zentralsterilisation entsprechend dem hygiene-funktionalen Ablauf im östlichen Aufschließungsbereich des Erdgeschoßes mit eigenem Aufzug situiert.
Die klinische Administration einschließlich der Abteilungsleiterbürogruppen sowie der erste Teil des Lehre- und Forschungsbereichs mit direkter Anbindung an den Versorgungstunnel zum Klinik-Gelände des LKH Graz wurde in konzentrierter Form im Nahbereich der vertikalen Aufschließungseinrichtung des ersten Obergeschoßes untergebracht.
Im Untergeschoß, ebenfalls mit allen Zugängen zu den Aufzügen und Treppenhäusern, sind die Personalumkleiden, die Umkleiden für Studierenden sowie die erforderlichen Ruheräume platziert. Die allgemeinen und technischen Ver- und Entsorgungseinrichtungen inkl. der technischen Gebäudeausrüstung befinden sich ebenfalls in diesem Geschoß.
Funktionell schließen die Einheiten der Lehre und Forschung im 3. und 4. Obergeschoß an die vorher beschrieben Funktionsstellen an. Den Abschluss des 2. Bauabschnittes bilden im 4. Obergeschoß die restlichen Administrationseinheiten in Form von Dienstzimmern und einer Dachterrasse.

Gebäudetechnik
Das Klinikgebäude wird mit Erdbohrungen und Wärmepumpe beheizt und gekühlt. Wie bei den meisten dieser Klinikgebäude ist die Bemessung der Anlage in Bezug auf die Kühlung erfolgt. Aufgrund der hohen Besucherfrequenz und der hohen Anzahl medizintechnischer Geräte und Computer ist die Beheizung nicht die entscheidende Größe. Aus diesem Grund ist ein wirksamer außenliegender Sonnenschutz von großer Bedeutung. Während Giselbrecht & Partner für ähnliche Projekte bereits 2-teilige vertikale Faltläden entwickelt hatten, forcierte man bei diesem Projekt einen 3-teiligen Faltmechanismus, welcher unterschiedliche Paneelgrößen aufweist und sich beim Öffnen zuerst mit dem unteren Paneel ausstellt, ähnlich dem Ausstellrollo bzw. dem Ausstellbalken, die von historischen Häusern her bekannt sind.

Die neue Zahnmedizin zeigt mit den Mitteln der Architektur die Kompetenz und Qualität der medizinischen Versorgung auf und ist als Brückenkopf Zeichen für die Weiterführung der architektonischen Qualität, welche beispielhaft im historischen Bestand realisiert ist.
(Text: Ernst Giselbrecht)

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