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Jakob vom 'TaO' vor der Verlesung des Manifestes 'Kindergerechtes Planen und Bauen'.
©: Kinderbüro Graz

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Bericht
Mit Kinderaugen
Kindergerechte (Stadt)Wohnräume zwischen Alltag und Visionen

Das Kinderbüro Graz verfolgt seit 15 Jahren den Schwerpunkt, die Rechte von Kindern auf Grundlage der UN-Kinderrechtskonvention in der Öffentlichkeit bekannter zu machen. Ziel des Symposiums Mit Kinderaugen war daher, Bedürfnisse, Rechte und Herausforderungen im Lebensumfeld von Kindern sowie ihre Berücksichtigung und Auswirkung in Architektur- und Stadtplanung zu diskutieren. Getreu ihrer Haltung, Kinder nicht nur zum Thema zu machen, sondern als mündige GesprächspartnerInnen  auch zu Wort kommen zu lassen, eröffnete Jakob die Veranstaltung mit der Verkündung des Manifestes Kindergerechtes Planen und Bauen.
„Warum werden wir nicht gefragt, wenn unsere Spielplätze Wohnungen werden?“ Diese Frage könnten Alexandra und Jan normalerweise nur ihren Eltern stellen. Das Symposium gab Alexandra und Jan vom Kinderparlament jedoch die Möglichkeit, ihre Fragen an EntscheidungsträgerInnen aus der Politik zu richten.

Am Eröffnungspodium standen den beiden Landesrat Siegfried Schrittwieser, Landtagsabgeordnete Alexandra Pichler-Jessenko, Landtagsabgeordnete Alexia Getzinger und Gemeinderätin Martina Kaufmann sowie Kinderbüro-Mitbegründer Gerhard Fruhmann Rede und Antwort. Die einfachen Fragen der Kinder wiesen auf sehr fundierte Themengebiete hin, denen die direkten Antworten der Politiker oft nicht gerecht wurden. Dabei ging es um Sicherheit und Belebung von Straßen, Mitspracherecht bei Nutzungsänderungen von Spielflächen, Raumorganisation und -gestaltung von Schulräumen oder Größe von Kinderzimmern und Gemeinschaftsflächen für die Nachbarschaft. Damit wurde schon zu Beginn der Rahmen aufgespannt für weiterführende Gespräche und Diskussionen der TeilnehmerInnen.

Während die jungen Symposiumsteilnehmer in einem Workshop, betreut von FRida & freD, ihre Wohnvisionen bauten, präsentierten am Nachmittag des ersten Tages Expertinnen und Experten aus den unterschiedlichsten Fachbereichen ihre Blickwinkel zu Themen wie Beteiligungsprozesse, pädagogische Anforderungen oder Raumvermittlung und -gestaltung. Besonders hervorzuheben ist der ressortübergreifende Ansatz von Landesrätin Bettina Vollath. Sie erläuterte ihre Positionen zu Fragen wie der Nachmittagsbetreuung, Verkehrssicherheit, oder der gesellschaftlichen Vielfalt in allen Planungen und beendete ihren Vortrag mit dem Vergleich, dass ein kinderfreundliches Wohnumfeld zugleich auch ein menschenwürdigeres Wohnumfeld ist.

Unter dem Projekttitel Network Mobility entstand in NÖ eine Gemeindeplanung mit Bevölkerungsbeteiligung. Dieses 2013 entstandene Best-Practice-Beispiel macht Mut, sich auf eine Planung unter BürgerInnenbeteiligung einzulassen. Heidemarie Rammler zeigt an diesem Beispiel eine Möglichkeit auf, bedarfsorientierte Anforderungen und Ideen zu gewinnen. Eine solche Einbindung in Entscheidungsprozesse führt zu einer höheren Akzeptanz von notwendigen Maßnahmen, stärkt die Identifikation mit der Gemeinde und führt zu einer Bewusstseinsbildung sowie mehr Verantwortungsgefühl. Eine erfolgreich gelebte Demokratie ist außerdem ein wertvolles Erlebnis mit großem pädagogischem Wert für alle Heranwachsenden. Ein kritisch zu hinterfragender Vorteil ist auch die Kostenreduktion durch Einbindung der Arbeitskreise, Eigenleistungen und Spenden. Anzumerken ist, dass es hier nicht Ziel sein soll, das Engagement der BürgerInnen als Sparmaßnahme auszunutzen, sondern als Mehrwert in der Bedürfnisanalyse und als Entscheidungshilfe für die Planenden anzunehmen.

Architektin Elisabeth Lechner sieht ebenfalls einen großen Vorteil in der realitätsnahen Vorgangsweise, die tatsächlich betroffenen Personen bereits  im Vorfeld in die Aufgabenstellung einzubinden. Angela Uttke von jas (jugend architektur stadt) betont, dass jeder Beteiligungsprozess immer auch ein Bildungsprozess sei. Selbstständiges Tun und aktive Beteiligung sollen auch im Umsetzungsprozess möglich sein. Sie ist skeptisch bei Beteiligungen ohne den für sie notwendigen Dialog, welche sie als „Wünsch-dir-was-Zugänge“ bezeichnet. Der pädagogische Zugang steht auch bei Marion Starzacher von archelmoma im Vordergrund. Der dreistufige Aufbau ihrer Architekturvermittlung, von der Vorbereitungsphase über die Untersuchung des Istzustandes bis zur anschließenden Umsetzung in Form eines Modells, führt bei allen Beteiligten zur Diskussion und zu Reflektionsschleifen.

„Kinder brauchen keinen Spielplatz … sie brauchen Platz zum Spielen!“  Mit diesem Aufruf zeigte Ernst Muhr die Grundhaltung des Vereins Fratz Graz, Werkstatt für Spiel(t)räume. „Man muss ja nicht immer gestalten, oft reicht es einfach, zuzulassen“, damit unterstreicht er eine wichtigen Forderung in dem vom Kinderbüro herausgegeben Leitfaden für den Kindergerechten Wohnbau nach nutzungsoffenen Bereichen und mehrfunktionaler Ausstattung. Mittels Fotoschnappschüssen zeigt er zahlreiche Negativbeispiele von beengten Spielräumen und Spielverbotstafeln in Graz. „Die Zustände von Spielplätzen und Schulhöfen sind oft katastrophal.“ Die gesetzlichen Anforderungen werden in der Realität allzu oft nicht erfüllt. Elisabeth Lechner erweitert diese Sammlung um einige Fotos von begrenzten Spiel-Restflächen und „Zaunsiedlungen". Eine Ursache sieht sie darin, „dass die Bedeutung von Außenräumen, Freiflächen und Wohnfolgeeinrichtungen für die Wohn- und Lebensqualität stark unterbewertet wird“. Graz-Lend beispielsweise hat mit 10m²/Bewohner ein enormes Defizit an Freiflächen und trotz steigender Bautendenz werden derzeit keine weiteren Freiräume geschaffen.

Verfasser / in:

Oliver Jungwirth
Kinderbüro Graz

Datum:

Fri 30/08/2013

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Das Symposium Mit Kinderaugen: Kindergerechte (Stadt)Wohnräume zwischen Alltag und Visionen,
initiiert vom Kinderbüro – Die Lobby für Menschen bis 14,
fand im Juni 2013 an der TU Graz statt.

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