12/02/2009
12/02/2009

Porsche-Museum in Stuttgart-Zuffenhausen. Planung Delugan Meissl Assosiated Architects Wien. Bildquelle: porsche.com

Von Auto-Museen und der Selbstmusealisierung jüngerer und älterer Museumsbauten.

Entgegen immer noch grassierenden Gerüchten hatte Frank Lloyd Wright das Salomon R. Guggenheim Museum, N.Y. (1943 – 1946, Fertigstellung 1959), nicht als Garage konzipiert, es sollte vielmehr immer schon Ausstellungsgebäude für die Sammlung bildender Kunst sein. Der Entwurf allerdings und die dominante Spirale rekurrieren auf ein nicht ausgeführtes Projekt aus dem Jahr 1924, das in seiner Grundstruktur erstmals die Spirale zeigt. Erstmals bei F.L.W., markant immerhin ist die formale Ähnlichkeit mit altorientalischen Minaretten (9.Jh., Samarra, Irak), wie sie neben anderen in den drei Versionen des babylonischen Turms von Pieter Bruegel wieder auftauchen.

Auto-Museum kann durchaus auch als auto-referenziell in der zunächst merk-würdigen Form des Gebäudes gegenüber seinem Inhalt verstanden werden. Was die Guggenheim Foundation etwa in Bilbao zeigte, trat zunächst deutlich gegenüber Frank O. Gehrys Behälter (1997) für die Kunst in den Hintergrund und zeitigte in der Folge den Bilbao-Effekt, ein Sprachphänomen, von dem man in den nächsten zehn Jahren glaubte, es quasi schematisch für progressive Besucherfrequenz anwenden zu können. Um den Bilbao-Effekt – man verzeihe mir den ungustiösen Vergleich – kreisen inzwischen die Fliegen.

Es bleibt aber angesichts neuer Museumsbauten die Tendenz, Attraktion in erster Linie über die Architektur zu erzielen, die so – mehr oder weniger deutlich – zu den sie beherbergenden Objekten führt. Das mag mit dem Guggenheim N.Y. begonnen haben und hat bestenfalls historischen Wert im Vergleich mit den Anfängen der Musealisierung nach den Kunstkammern, die wohl mit der Adaptierung eines monarchischen Stadtpalastes als Beuteschatulle napoleonischer „Bildungsreisen“ begonnen haben dürfte. In übertragenem Sinn spielt Revolution eine jeweils maßgebliche Rolle (zugleich aber auch Rekurs), so man neueste Museumsarchitektur unter dem Aspekt der Ver- und Anwendung neuer Materialien und Technologien betrachtet. Das Kunsthaus Graz etwa erinnert en détail immerhin an ein damals utopisch anmutendes Konzept von Archigram, der „Walkin City“ (1964), eine Blase auf teleskopartigen Beinen.
Auf drei tragenden Stützenpaaren steht nun auch der 35.000 Tonnen schwere Monolith des kürzlich eröffneten Stuttgarter Porsche-Museums der Wiener Architekten Delugan Meissl. Die komplexen statischen Anforderungen – die vor wenigen Jahren noch, wird kolportiert, eine Realisierung des Gebäudes unmöglich gemacht hätten – wurden nach neuesten Methoden für den Brückenbau gelöst. Der Stuttgarter Museumsspezialist HG Merz (Schwitters bleib cool! Seine Merz-Kunst entstammt dem Fragment eines Schriftzuges der Commerz-Bank) gestaltete den Hauptraum als White Cube, wieder ein Verweis auf das Bezugssystem Bildende Kunst, in dem sich Autobauer wie Friseure aufge- und erhoben wissen wollen.

Frank Lloyd Wrights aufsteigende Spirale taucht andeutungsweise in Stuttgart wieder auf (Rekurs), immerhin vielleicht subtiler als in der Wolfsburger VW-Autostadt.
Ebendiese Spirale verbindet das Auto-Museum mit dem Automobil-Museum, ausgehend vom eingangs genannten, nicht realisierten Entwurf Frank Lloyd Wrights für ein Aussichtsgebäude und Planetarium: „Gordon Strong Automobile Objective and Planetarium“, Sugarloaf Mountain, Maryland (1924). Nach diesem Konzept sollten sich Besucher im „Selbstfahrer“, und als gesellschaftliches Statussymbol arrivierten, Automobil (von der Tin Lizzy, dem Ford Model T, wurden im Zeitraum 1908 bis 1928 über 15 Millionen Stück hergestellt) über die Spirale an der Fassade nach oben bewegen, um die beeindruckende Aussicht zu genießen, während sie schließlich über eine Fußgängerrampe ins Innere gelangen sollten. Ben van Berkels Entwurf für Mercedes (2006), ebenfalls in Stuttgart, lässt allemal auf den ersten Blick an F.L. Wrights Planetarium denken und führt gewissermaßen auch zu den Sternen.

Wenn solche Entwicklungen von Automobilmuseen – Schatullen für (vormals) kommerzielle Produkte, die nicht Oldtimer-Sammlung genannt werden wollen – letzten Endes einer Image-Präsenz, oder neudeutsch: dem Branding, dienen, so ist dem ursächlichen Industrieprodukt Automobil schon lange seine kulturhistorische Bedeutung nicht mehr abzusprechen. Roland Barthes’ Essay über die „Göttin“ DS aus dem Jahr 1957 führt weit über das Produkt des Herstellers Citroën hinaus in eine Interpretation zwischen gesellschaftlichem Alltag, Magie und Fetisch: „Es handelt sich also“, führte der Soziologe und Philosoph aus, „um eine humanisierte Kunst, und es ist möglich, daß die ‘Désse’ einen Wendepunkt in der Mythologie des Automobils bezeichnet. Bisher erinnerte das superlativische Auto eher an das Bestiarium der Kraft. Jetzt wird es zugleich vergeistigter und objektiver … Offensichtlich tritt an die Stelle der Alchimie der Geschwindigkeit ein anderes Prinzip: Fahren wird ausgekostet.“ Ich vermute, dass Barthes „humanisiert“ gegenüber „sublimiert“ meinte. (Und da gäbe es wieder Geschichten, die man ausführen könnte. Meiner Seel’!)

Die mit den Museen nun doch praktizierte Sublimierung des gesellschaftlichen Begriffsystems um den auf sein Prinzip reduzierten Selbstfahrer, zeigt die physische Umsetzung eines Sinnbildes als im Eis konservierter BMW – dem 16. Art Car – durch Olafur Eliasson. – Sinnfällige Ästhetik in der Ästhetik und Kommerz sinnfällig geschuldeten BMW-Welt von Coop Himmelb(l)au.

Oder: Woher kommen die Automobile? Wer sind die Automobile? Wohin fahren die Automobile?

Verfasser/in:
Wenzel Mracek, Kommentar
Wenzel Mracek

Der gesagt hat, das Auto werde sich nicht durchsetzen, war aber nicht vielleicht derselbe, der aufgrund allfälliger Computerprobleme vor noch nicht langer Zeit gesagt hat: "Diese Computer werden sich nicht durchsetzen"?

Do. 12/02/2009 2:48 Permalink
Martin Krammer

Fährt man in Stuttgart mit dem Lift zum Beginn des Mercedes-Rundganges sieht man sich dem Modell eines Pferdes gegenüber. Das Täfelchen am Sockel zitiert einen Zeitgenossen der Erfinder des Automobils (hier sinngemäß wiedergegeben): "Das Auto ist eine temporäre Erscheinung. Das Pferd wird sich durchsetzen."
Er könnte recht behalten.

Do. 12/02/2009 9:24 Permalink
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