25/04/2018

Heute, morgen und übermorgen!

Das Land braucht die ArchitektInnen mehr denn je!

Abschluss der fünfteiligen Artikelserie zum Thema ArchitektInnen und das Land von Theresa Reisenhofer, Absoventin des Masterstudiums Architektur am Institut für Architekturtheorie, Kunst- und Kulturwissenschaften der TU Graz, 2017.

25/04/2018

Erntedankfest im Herbst 2017 in Bad Blumau

©: Theresa Reisenhofer

Blick von Bad Blumau auf die Gewächshäuser der Spar-Frutura

©: Theresa Reisenhofer

Die Landschaft der Spar-Frutura Gewächshäuser

©: Theresa Reisenhofer

Blick vom Westen auf das Dorf Jobst, Gemeinde Bad Blumau

©: Theresa Reisenhofer

Die aktuellen Problempunkte und Fragestellungen im ländlichen Raum sind komplex und verstrickt und es gibt nicht die eine Antwort, die alle Probleme löst. Durch die Auswirkungen der Industrialisierung und Globalisierung, sowie einer nicht langfristig gedachten Raumplanungspolitik, hat sich der ländliche Raum in der Steiermark zunehmend in seiner Struktur gewandelt. Begriffe wie Zersiedelung, Kulturlosigkeit und Raubbau an der Landschaft dominieren den gegenwärtigen Diskurs. Meine These ist nicht, dass das Land von den ArchitektInnen vernachlässigt wird, sondern, dass eine Ohnmacht gegenüber einem verkrusteten politischen System herrscht, eine Verständnislosigkeit gegenüber den ländlichen BewohnerInnen und eine Machtlosigkeit gegenüber einer flächendeckenden Homogenisierung, welche sich in Form einer kultur- und geschichtslosen Gleichförmigkeit niederschlägt und ein zunehmendes Schwinden der historisch definierten Baukultur zu Folge hat. Die Auswirkung unserer Kultur sind heute sichtbarer den je und um wirksame Strategien zu entwickeln, bedarf es eines differenzierten und objektiven Blicks auf gegenwärtige Fragestellungen.

Aufgabe der Hochschulen
Aber wo gibt es die Erklärungen der großen Zusammenhänge, die aktuelle Ereignisse begründen. Wäre das nicht die Aufgabe der Hochschulen, das zu analysieren, zu bearbeiten? Themen wie die Zersiedelung, das Sterben der kleinstrukturierten Landwirtschaft und die damit einhergehende Landschaftspflege, die Überalterung der Gesellschaft, der Niedergang der Dorfstrukturen und die sukzessive Dezimierung historischer Baukultur brauchen ja geradezu Konzepte, die in mehreren Maßstäben durchdacht sind, alle umliegenden Faktoren und Beteiligten berücksichtigen, langfristig geplant und objektiv zusammengefügt werden. Das Land braucht die ArchitektInnen heute mehr denn je.
Wie ein Architekt im Interview erwähnt hat, gehen viele Missverständnisse von beiden Seiten aus, von den ArchitektInnen und den Laien. So liegt es auch an unserem Bemühen als ArchitektInnen, die gesellschaftliche Relevanz der Architektur nach außen zu kommunizieren und zwar so, dass sie auch verstanden wird. Dies erfordert eine neue Qualität der Ausbildung an den Hochschulen, in der die zukünftigen ArchitektInnen für die Laienkommunikation gerüstet und für die aktuellen Fragestellungen sensibilisiert werden. Wir sind an einem Punkt angelangt, in der die Architektur und die Tätigkeit der ArchitektInnen zu einem Nebenprodukt verkommen sind und der Gewinnmaximierung untergeordnet werden. Es müssen daher klare gestalterische Aussagen zur Baukultur- und Landschaftsfrage getroffen und für die Zukunft begründet werden, um die Gestaltung nicht der Rationalität der Industrialisierungs- und Urbanisierungsprozesse zu überlassen.

Konsumgesellschaft
Der ländliche Raum ist und wird immer gestaltet, die Frage ist nur, in welcher Hinsicht. Dabei spielt es eine wesentliche Rolle, sich auch mit den Folgen der Konsumgesellschaft und des Kapitalismus auseinanderzusetzen. Unser Konsumverhalten und unsere gegenwärtige Art zu leben spieget sich in der Landschaft wider und genau dessen müssen wir uns bewusst werden. In einer Welt der Beliebigkeit und des Überflusses wird es immer schwieriger zu erkennen, was wertvoll für den Einzelnen, für den Ort und für die Region ist. Erst im Bewusstsein der Wertigkeit der Dinge können wir Qualitäten und Potenziale erkennen und dafür auch die Verantwortung übernehmen.

Im nachfolgenden letzten Zitat dieser Artikelreihe beschreibt der Vorarlberger Architekt Roland Gnaiger meine Heimatregion, die Oststeiermark. Durch seinen Blick von außen wurde mir erst wieder bewusst, welche Qualitäten und Möglichkeiten das Land zu bieten hat und welche Potenziale und neue Aufgabenfelder für ArchitektInnen bislang noch unentdeckt geblieben sind.

„Ich war unlängst für zwei Semester mit meinen StudentInnen für eine Semesterarbeit in der Oststeiermark, in Feistritztal und in Hartberg. Der Auftakt fand jedes Mal im Oktober statt, in der Zeit, in der die Früchte voll gereift sind. Nüsse sind in Unmengen am Boden gelegen, Äpfel und Birnen und die letzten Trauben sind noch überall gehangen und der Mais stand in seiner vollen Reife, neben Edelkastanien und vielem mehr. Es war da alles in einer Üppigkeit und Fülle, wie es für einen Vorarlberger, ungewöhnlich, unbekannt und faszinierend ist. [...] Den Wald zeichnet eine Vielfalt aus, da stehen Akazien und Ahorn, Eichen, Kiefern, Lärchen, Birken und vieles mehr, von einer seltenen Buntheit, Vogelbeerbäume, Kastanien, Nussbäume,... Diese Fülle gibt es in ganz wenigen österreichischen Regionen und die Menschen, die inmitten dieser Fülle leben, erkennen diesen Reichtum nicht und machen viel zu wenig daraus. Es fehlt an Wertebewusstsein und Dankbarkeit. Gleichermaßen fehlt es an Bewusstsein für die Qualität der regionalen, räumlich wunderbaren Dreiseithöfe. Ja, da gibt es Bauernhöfe, die räumlich viel attraktiver und interessanter sind, als die traditionellen Häuser die in Vorarlberg, in Tirol oder in Salzburg. Für die BewohnerInnen und Besitzer ist ihr Reichtum zu selbstverständlich. Es scheint schwer zu sein den Wert von dem zu schätzen, mit dem man aufgewachsen und seit je umgeben ist. Wenn Sie zum Beispiel aus Bad Blumau stammen, wo in der Nachbarschaft das Burgenland liegt, mit den räumlich so wunderbaren burgenländischen Angerdörfern. Die dortigen Häuser verfallen und werden am Dorfrand durch ein neues Einfamilienhausquartier ersetzt. Es gäbe am Land vieles, das die Städte nicht bieten: weniger Konsumbedrängnis, bessere Luft, größere Ruhe, Stille und Dunkelheit in der Nacht. Alles Qualitäten, die – wenn sie wieder an Bedeutung gewinnen – dem ländlichen Raum neue Chancen eröffnen werden." (Auszug aus dem Interview mit Roland Gnaiger)

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