18/01/2021

Graz Kulturjahr – Halbzeit

Rückblick auf das abgelaufene Jahr 2020, bisherige Höhepunkte, Schwierigkeiten und Erkenntnisse des Graz Kulturjahres 2020 & Vorschau auf das Jahr 2021

Überblick
zu Terminen im Jänner 2021 siehe Link > kulturjahr2020.at

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18/01/2021

GRAZ KULTURJAHR 2020. Sujet – Bild aus dem Artikel 'Kollektive Räume' von Bettina Landl bzw. des 366-Tage-Projekts "The Vigil "

©: Bettina Landl

Ende des Jahres 2020, spätestens Anfang 2021, wäre normalerweise ein Rückblick auf das Kulturjahr 2020 angebracht. Tatsächlich ist aber mehr als eine Halbzeitbilanz nicht möglich, werden doch 70 der 94 Kulturjahres-Projekte erst 2021 zu sehen sein, 36 davon werden überhaupt ihre Premieren oder Projektstarts erst 2021 erleben; lediglich 21 Projekte konnten bereits abgeschlossen werden. Aus diesem Grund blicken wir zurück, freuen uns aber vor allem, dass es angesichts dieser – besonders für den Kulturbereich schwierigen – Situation gelungen ist, das Kulturjahr ins Jahr 2021 hinein zu verlängern. So wird gewährleistet, dass auch wirklich alle Projekte stattfinden können.

  • Rückblick 2020
    Nach dem fulminanten Start Ende Jänner war das Kulturjahr kurz nach der Eröffnung schon mit dem ersten Lockdown konfrontiert: Insgesamt sechs Monate des Jahres war der Kulturbetrieb quasi stillgelegt, in den vier Sommermonaten waren Veranstaltungen zwar möglich, aber nur unter Einschränkungen und ständig wechselnden Auflagen. Trotz dieser Rahmenbedingungen, die viele der Projektträger nicht nur vor inhaltliche oder organisatorische sondern auch vor ganz existenzielle Probleme stellten, konnten insgesamt rund 740 Einzelveranstaltungen über die Bühne gehen. In dieser Phase zeigte sich wie wichtig Kunst und Kultur für die Menschen ist, so Kulturstadtrat Günter Riegler: „Das Feedback, wie schön es ist, dass wieder etwas stattfindet, dass man wieder etwas erleben kann, war überwältigend. Hier zeigt sich ganz deutlich, dass Kunst und Kultur nicht auf eine Behübschungs- und Unterhaltungsfunktion zu reduzieren sind, sondern zentrale soziale und kommunikative Momente eines lebenswerten Lebens darstellen.“
    Diesen Eindruck bestätigt auch das Ergebnis einer Marktanalyse, die seit November 2019 das Kulturjahr begleitet: Die Aussage, „Kunst und Kultur haben die Möglichkeit der Bevölkerung Mut und Zuversicht zu vermitteln“, bejahen 76% der Grazer Bevölkerung, 86% halten „Kunst und Kultur für unverzichtbar in einer funktionierenden Gesellschaft“, und für gut 75% der Menschen in Graz ist Kunst und Kultur wichtiger Teil ihres Alltags. Vom Kulturjahresprogramm selbst haben 70% aller Grazerinnen und Grazer einen positiven Eindruck, 81% des Publikums will unbedingt weitere Veranstaltungen besuchen, 94% begrüßen den Ansatz, Kunst, Kultur und Wissenschaft direkt zu den Menschen zu bringen, und weitere rund 75% wünschen sich, dass diese Programmansätze auch nach dem Kulturjahr fortgesetzt werden.
    Dennoch schmerzt der Blick zurück aber sehr, so Programm-Manager Christian Mayer: „Alle Projekte finden statt und wir befinden uns ja mitten drin im Programm. Aber es hätte heuer schon etwas Anderes werden sollen. Die dichte Begegnung mit informativen, spannenden, anregenden und unterhaltsamen Themen auf unseren Alltagswegen, das Feiern, diese gewisse Schwingung, die das Kulturjahr als dichtes Festivalprogramm in allen 17 Bezirken erzeugen wollte … Das lässt sich nicht mehr wie geplant herstellen.“
    Die besonderen Bedingungen sieht auch Richard Peer, Marketingleiter der Holding Graz: „Das heurige Jahr hat uns alle in vielerlei Hinsicht vor enorme Herausforderungen gestellt, umso wichtiger ist daher ein Projekt wie das Graz Kulturjahr, das auch in diesen schwierigen Zeiten Impulse für die Zukunft des öffentlichen Raums gibt und damit deutlich aufzeigt, dass eine Stadt wie Graz auch von der künstlerischen und kulturellen Vielfalt enorm profitiert. Wir sind stolz darauf, das Kulturjahr als Hauptsponsor begleiten zu dürfen und freuen uns über die Verlängerung in das Jahr 2021.“

    Das Graz Kulturjahr 2020 zeigte aber vor allem auch die überwältigende Kreativität und Flexibilität der Grazer Kunst- und Kulturschaffenden. Der Großteil der Projekte war in seiner künstlerischen oder wissenschaftlichen Arbeit direkt betroffen, sie mussten ihre Arbeit großteils von vorne beginnen, Formate grundlegend umarbeiten – und es gab viele Adaptierungen und Ideen:
    Digital Shadows (Caritas Akademie) etwa, war als Stadtperformance mit Schaupielerinnen und Schauspielern geplant und wurde dann ganz zum Handygame, mit dem man allein und coronagerecht verschiedene Erlebnisstationen abgehen kann.
    Das 366-Tage-Projekt The Vigil hatte zwischenzeitlich auf die Quarantäne-Version mit der Betrachtung der Stadt von zuhause aus umgeschaltet. Projekte wie Der Grazer Kunstverein zieht um!, Grazer Soundscapes oder BürgerInnenkonvente verlegten Formate in den virtuellen Raum. Das Klangforum Wien spielte dutzende Hinterhof-Open-Air-Konzerte, frei Haus zugestellt, sozusagen. Zudem konnten auch zahlreiche Projekte im öffentlichen Raum die Menschen begeistern: Space*Object*Inbetween von studio ASYNCHROME bespielt die Schloßbergbahn gänzlich neu, Georg Hartwigs Dystoptimal zeigt verschiedene Varianten der Grazer Zukunft und Bill Fontanas Klanginstallation verzauberte den Stadtraum. In der neu gestalteten Augartenbucht wiederum konnte man die spektakuläre Hydrowand von Markus Wilfling und Rainer Prohaskas Murfähre genießen und damit den Lebensraum Mur ganz neu für sich entdecken.

  • Ausblick 2021
    Die Projektthemen des Kulturjahrprogramms waren schon vor Corona relevant. Sie sind inhaltlich dieselben geblieben, fallen nun aber natürlich auf komplett anderen Verständnisboden. Fragen nach dem „Sozialen Miteinander“ und verlässlichem Zusammenhalt haben nun an Wert gewonnen. Die Projekte werden daher auch 2021 ganz nah an der Bevölkerung sein und unter direkter Teilnahme und Mitarbeit der Grazerinnen und Grazer realisiert werden.
    Roland Bergers Born to fake über den „größten TV-Fälscher Deutschlands“, Michael Born, wird sich in diesem Zusammenhang mit der großen Frage nach medialer Wahrheitskonstruktion beschäftigen und das Projekt Häfntheater wird genau dort, in der Justizanstalt Graz Karlau nämlich, als außergewöhnliches Beispiel von Kulturarbeit an der Schnittstelle zu sozialer Arbeit erarbeitet.
    Besonders die Virulenz der Themen Arbeit von Morgen und Digitalisierung ist in der Bevölkerung noch einmal gestiegen (80% der Grazerinnen und Grazer interessieren sich dafür). Dies spiegelt ihre enorme Bedeutung für den Alltag der Menschen wider. Antworten werden etwa die Ausstellung Die Stadt als Datenfeld im GrazMuseum geben, die das heutige und zukünftige Leben in der post-digitalen Stadt thematisiert, oder Projekte wie Nessun Dorma von Thea Hoffmann-Axthelm, Elsa-Sophie Jach und Markus Schubert und 21 Lektionen für das 21. Jahrhundert von Julalena, die sich der Frage zuwenden, wie künstliche Intelligenz unsere Arbeits- und Alltagswelt, aber auch das künstlerische Schaffen selbst verändern wird.
    Auch die beiden Programm-Bereiche Urbanismus und Umwelt und Klima werden coronabedingt ihren Schwerpunkt 2021 haben. Verfolgte man in den letzten Monaten aufmerksam die Medien und die Werbung, so fiel auf, dass sich der Diskurs über Themen wie CO2-neutrale Produktions- und Lebensweisen immer stärker intensiviert. Zu diesen, die nahe vor allem aber auch ferne Zukunft dominierenden, gesellschaftlichen Themen, können wir uns im verbleibenden Graz Kulturjahr noch auf einige tolle Beiträge freuen. Vor allem der Klima-Kultur-Pavillon des Breathe Earth Collective wird dazu ab Ende April ein eindrucksvolles und erlebnisreiches Beispiel sein.

Ein Überblick über sämtliche Projekte und geplante Veranstaltungen im Jänner 2021 stehen auf der Website > kulturjahr2020.at unter PROJEKTE und TERMINE zur Verfügung > siehe weiterführender Link.

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