23/06/2014

DI Richard Resch,
Ingenieurkonsulent für Raumplanung und Lehrbeauftragter an der Universität Graz.
Arbeitsschwerpunkte sind Regionalentwicklung und Interkommunale Zusammenarbeit, nachhaltige Tourismusentwicklung und UVP
Er empfiehlt der steirischen Politik und Verwaltung mehrere vorbildliche Beispiele für eine zukunftsfähige Energie-Raumplanung

23/06/2014
©: Redaktion GAT GrazArchitekturTäglich

Auszug Leitplan Bern-Mittelland. Quelle: Regionalkonferenz Bern Mittelland 2012

Interkommunale Raumentwicklung in OÖ. Quelle: Aufgeräumt Nr.9 Land OÖ, Abteilung Raumordnung 2014

Sachprogramm für Wohnen und Arbeiten im Salzburger Zentralraum. Quelle: Sachprogramm, Land Salzburg, Abteilung 7 Raumplanung 2009

Ansatzpunkte für die steirische Raumplanung

Die Folgen wenig effizienter, raumplanungsrelevanter öffentlicher Rahmenvorgaben, dem „scheinbaren Menschenrecht auf Einfamilienhaus und Auto“, der „Wegwerfmentalität bei der Raumnutzung“ werden schon seit Jahrzehnten und letztens auch wieder bei der Landtagsenquete Baukultur in der Steiermark diskutiert. Auch eine effizientere Raumplanung und die Etablierung bzw. Korrektur ergänzender, raumrelevanter Instrumente werden vielfach gefordert, aber kaum umgesetzt.

In meinem früheren Beitrag Eine effiziente Raumplanung als Schlüssel für energetische Nachhaltigkeit Im Rahmen des GAT-Themenschwerpunkts Im Fokus: ENERGIE  BAU  KULTUR wurden insbesondere die Verknüpfung von Energie, Klimaschutz, Mobilität und Raumplanung, die Einführung der Kostenwahrheit bei öffentlicher Infrastruktur, eine effiziente Baulandmobilisierung, die stärkere Ausrichtung der Siedlungsentwicklung auf den Bedarf, die Anpassung der Wohnbauförderung sowie eine generelle, interkommunal abgestimmte Standortpolitik für wirtschaftliche Aktivitäten, Wohnen und Erholung vorgeschlagen, um zu einem haushälterischen Umgang mit dem Boden, aber auch mit privaten und öffentlichen Budgets zu kommen.

In der Folge sollen einige ausgewählte Beispiele auf unterschiedlichen Ebenen dargestellt werden, die durchaus wichtige Beiträge zu den oben diskutierten Erfordernissen und Zielrichtungen leisten:  

Regionalkonferenz Bern-Mittelland Schweiz

Für die Lösung wesentlicher Stadt-Umlandthemen wie Siedlungsentwicklung, Verkehr, Umwelt im steirischen Zentralraum Graz sind neue Formen der stadtübergreifenden Kooperation erforderlich. Neben verschiedenen, schon öfters präsentierten Einrichtungen wie z.B. dem Kommunalverband Region Hannover könnte auch die Regionalkonferenz Bern-Mittelland als Ansatz für die verbindliche Zusammenarbeit und Umsetzung interkommunaler Aufgabenbereiche wie Raumplanung, Verkehr, Kultur, Regionalpolitik und Energieberatung gesehen werden. Das Gesamtbudget dieser Organisation umfasst eine Größenordnung von 3,3 Mio €, die personelle Ausstattung liegt in einer Größenordnung von über 20 Beschäftigten mit ca. 17 geschäftsführenden und projektorientierten Beschäftigten. Die Basisförderung dieser Struktur mit 85 Gemeinden und 380.000 Einwohnern erfolgt durch Bund und Kantone im Rahmen der neuen Regionalpolitik, darüber hinausgehende Finanzierungen erfolgen durch Mitgliedsgemeinden, weiteren Zweckzuschüssen von Bund, Kantonen oder Dritten. Wesentliche raumplanerische Instrumente sind ein regionales Gesamtverkehrs- und Siedlungskonzept, weitere regionale Richtpläne im Landschafts-, Umwelt und Infrastrukturbereich sowie damit zusammenhängende Abstimmungs- Koordinations- und Umsetzungsaufgaben.   
 
Quelle: Regionalkonferenz Bern-Mittelland

Interkommunale Raum-/Standortentwicklung Oberösterreich

Die interkommunale Standort- und Raumentwicklung ist ein wichtiger Ansatz für eine effiziente, kostensparende Flächen- und Standortentwicklung im gewerblichen Bereich, aber auch bei ergänzenden „weichen“ Standortfaktoren. Das Land Oberösterreich nimmt dabei eine Vorreiterrolle ein und hat in den letzten fünf Jahren sieben meist kleinregionale Ansätze unterstützt. Konkrete Ergebnisse dieser Bearbeitungen und Abstimmungsprozesse sind entsprechende Leitbilder, Strategien, Raumordnungsrahmenplan und Aktionsprogramme auf interkommunaler Ebene. Auf der Basis von Detailanalysen werden Wirtschaftsstandorte priorisiert und jeweilige Entwicklungserfordernisse vorgeschlagen, für ausgewählte prioritäre gewerbliche Standortbereiche werden Masterpläne erstellt. Die Arbeiten befassen sich aber auch mit den regionalen Handelspotenzialen und empfehlen Maßnahmen zur Stärkung der Innenstädte. Entsprechende Umsetzungsvereinbarungen der Gemeinden – mit jeweiligen Gemeinderatsbeschlüssen – sind Grundlage für die Weiterverfolgung der Konzepte. Darüber hinaus werden interkommunale Regelungen zum Ausgleich der Kommunalsteuer für alle bzw. priorisierte Wirtschaftsstandorte entwickelt und umgesetzt. Als weitergehende Varianten sind aktuell Mehrzweckverbände für die Aufgabenbereiche interkommunale Standortentwicklung, gemeinsame Raumplanung und Projektentwicklung in Vorbereitung.  
 
Quelle: Aufgeräumt Nr.9, Land Oberösterreich, Abteilung Raumordnung / Überörtliche Raumordnung, Linz 2014

Verknüpfung Siedlungsschwerpunkte – ÖPNV Land Salzburg

In einzelnen steirischen regionalen Entwicklungsprogrammen – so beispielsweise für den Bezirk Leibnitz – bestehen Festlegungen für Mindestbebauungsdichten von 0,3 entlang der Hauptachsen des öffentlichen Verkehrs. Das Sachprogramm Standortentwicklung für Wohnen und Arbeiten im Salzburger Zentralraum 2009 geht hier wesentlich weiter und legt fest, dass bei Siedlungen im fußläufigen Einzugsbereich von S-Bahn-Haltestellen unter Voraussetzung einer entsprechenden strukturellen Eignung eine Mindestdichte von 0,5 Geschoßflächenzahl anzustreben ist. Als ergänzende, relevante Festlegungen werden im Sachprogramm festgelegt, dass über 50% des ermittelten Wohnbaulandes in Siedlungsschwerpunkten ausgewiesen werden soll oder die Ausweisung von Flächen zur Ansiedlung größerer Arbeitsplatzpotenziale an Standorten erfolgen soll, die mit einem leistungsfähigen öffentlichen Verkehrsmittel erschlossen sind.

Quelle: Standortentwicklung für Wohnen und Arbeiten im Salzburger Zentralraum (Entwicklungsprogramme und Konzepte, Heft 5), Land Salzburg,  Abteilung 7 – Raumplanung, Salzburg 2009

Fahrtenmodelle Schweiz

Die Dynamik und Verdichtung in Ballungsräumen und damit zusammenhängenden verkehrsintensiven Einrichtungen in bereits vorbelasteten Gebieten ist mit klassischen gesetzlichen Rahmenvorgaben kaum in den Griff zu kriegen. Als Lösungsansätze sind in der Schweiz sogenannte Fahrtenmodelle im Einsatz, wo schon in der Planungsphase – entgegen der Parkplatzanzahl – eine maximale Fahrtenanzahl festgelegt und in der Betriebsphase dementsprechend gesteuert wird. Der Betreiber tritt damit als Akteur des Mobilitätsmanagements auf, die Behörde kann Auswirkungen und Verträglichkeiten besser abstimmen. Bei allen  Modellen wird eine maximal zulässige durchschnittliche Fahrtenzahl festgelegt, darüber hinaus werden zusätzliche Regelungen für Hauptverkehrszeiten, Nachtstunden, Angebot des öffentlichen Verkehrs, Mobilitätsmanagement, Parkplätze-Anzahl und Tarifierung sowie Sanktionen bei Überschreitung der Fahrtenzahl festgelegt.
    
Quelle: Andy Fellmann: Fahrtenmodelle in der Schweiz, in: Handbuch der kommunalen Verkehrsplanung, S. 1-18, Stadt Zürich, Tiefbauamt, Zürich 2008

Baulandmobilisierung/geförderter Wohnbau in Südtirol

In der Provinz Bozen verfügen die Gemeinden über mehrere aufeinander abgestimmte Instrumente zur Baulandmobilisierung, die zusätzlich durch Vorgaben des Landesentwicklungs- und Raumordnungsplanes und die Steuergesetzgebung unterstützt werden. Die Ausweisung von Baugebieten erfolgt nach 10-Jahresprognosen, dabei sind Auffüllungen innerhalb des bebauten Baulandes, Mindestdichten und der Bedarf pro Person zu berücksichtigen. Für die Festlegung der Erschließungsanlagen und Bildung der Baugrundstücke des im Bauleitplan (Stmk: Flächenwidmungsplan) vorgesehenen zusätzlichen Baulandes ist ein Durchführungsplan (Stmk: Bebauungsplan) zu erstellen. Dabei sind 60% der Baumasse dem geförderten Wohnbau abzutreten. Bauland wird schließlich nach dem Marktwert besteuert, die zu entrichtende Steuer ist in der Regel so groß, dass das Horten von Bauland zumindest mittel- bis längerfristig wenig attraktiv ist. 

Quelle: Mobilisierung von Bauland in der ARGE ALP, Projektbericht, Amt der Tiroler Landesregierung, Abt. Raumordnung – Statistik, Innsbruck 2000

Staffelung Wohnbauförderung nach Dichte in Tirol

In mehreren Ländern bestehen schon gestaffelte Fördersätze bei der Wohnbauförderung, bei denen die Lage und die Erschließungsqualität mit öffentlichem Verkehr durch höhere Förderungen bzw. Förderzuschläge honoriert wird (Bsp. Ortskernzuschlag im Burgenland, Siedlungsschwerpunktzuschlag in Steiermark, Dichtezuschlag in Salzburg, Lagezuschlag in Kärnten). Das Land Tirol forciert – auch im Zusammenhang mit der topographisch bedingten Bodenknappheit – die bodensparende Siedlungsentwicklung auch durch eine erhöhte Wohnbauförderung bei verdichteter Bauweise auf Grundstücken von maximal 400m2. Dabei steigt der Fördersatz für die Errichtung von förderbaren Eigentumswohnungen und Eigenheimen bei höchstens 200m2 Grundstücksgröße um weitere 70% des Förderbetrages an.

Quelle:
 Wohnbauförderungsrichtlinie Tirol 2013

Tools Energieraumplanung

Im Rahmen der ÖREK-Umsetzungspartnerschaft Energieraumplanung wurden zahlreiche Tools zu diesem Thema ausgewählt, getestet und dokumentiert. Diese bieten großteils Hilfestellungen bei Standortbewertungen aus energie-, klima- und umweltpolitischer Sicht und dokumentieren gleichzeitig auch die Folgekosten für die Infrastrukturbereitstellung und -erhaltung durch Gemeinden und private Haushalte. Die meisten Tools erlauben nicht nur Bestandsanalysen, sondern auch die Einschätzung und Bewertung von Planungsentscheidungen und könnte damit die Planungsqualität erheblich gesteigert werden. Letztlich sind jedoch die Gesetzgeber gefordert, „von der Handlungsmöglichkeit zum Handlungsimperativ“ zu kommen.

Quelle:
 Tools für Energieraumplanung, Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, Wien 2013

Fazit

Die angesprochenen Zielrichtungen und Instrumente außerhalb des steirischen und österreichischen Tellerrands sind nicht neu und teilweise schon lange im Einsatz. Viele davon wären geeignet, auch einer „Politik- und Raumverträglichkeit“ in der Steiermark standzuhalten, angepasst und in das steirische Raumentwicklungssystem integriert zu werden.  

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