28/11/2012

ÜBER DEN AUTOR:
Oliver Jungwirth
(*1981 in Johannesburg) absolvierte eine Schulausbildung in Richmond (GB), Kentucky (USA) und Linz (AUT). Er studierte Architektur an der Technischen Universität Graz und an der Universidade Tecnica do Lisboa. Seit 2003 ist er Mitarbeiter am Institut für Stadt- und Baugeschichte an der TU Graz.  Von 2009 bis 2011 Wissenschaftlicher Assistent mit dem Schwerpunkt Stadtforschung. Seit 2005 als Mitarbeiter in diversen Architekturbüros tätig.

28/11/2012

Eingang Giardini in Venedig

©: Petra Kickenweitz

Workshop Susanne Hofmann und Angela Uttke

©: Petra Kickenweitz

Initiatorin Barbara Feller und Organisatorin Monika Abendstein

©: Oliver Jungwirth

Vortrag in La Biblioteca della Biennale

©: Oliver Jungwirth

Alle an einem Tisch, Folie aus dem Vortrag von Frauke Burgdorff (Montag Stiftung, Bonn)

Bildungslandschaft, Folie aus dem Vortrag von Frauke Burgdorff (Montag Stiftung, Bonn)

Schulen sind keine geschlossenen Systeme, Folie aus dem Vortrag von Frauke Burgdorff (Montag Stiftung, Bonn)


Baukulturvermittlung im Rahmen der Architekturbiennale in Venedig 2012

Das Internationale Symposium „get involved – discover and create common ground“ zur Architektur- und Baukulturvermittlung für junge Menschen, fand am 19. und 20. Oktober im Rahmen der Architekturbiennale 2012 in Venedig statt. Konzipiert und organisiert wurde es von Monika Abendstein (aut. architektur und tirol in Innsbruck), initiiert von der Initiative Baukulturvermittlung. Ziel war es, dem Leitthema der Biennale entsprechend den „common ground“, also die gemeinsame Basis der Architekturvermittlung zu finden. Doch wie auch auf der 13.Architekturbiennale nur bedingt inhaltlich auf die Definition und Bedeutung des diesjährigen Themas eingegangen wurde und die Ausstellenden stattdessen aktuelle Themen in gewohnt ansprechender Weise präsentierten – so kam auch bei dem Symposium die inhaltlichen Diskussionen zu kurz.

Die vorab angekündigten Inhalte - aktuelle Themen, Tendenzen und Methoden, Architektur und Baukultur mit Kindern und Jugendlichen zu entdecken und zu vermitteln […], Einblicke in die pädagogische wie wissenschaftliche Auseinandersetzung anhand der Themen Kreativität sowie Mitgestaltung der alltäglichen Umwelt - hatten meine Neugierde geweckt und ich freute mich auf drei diskussionsreiche Tage: Welche länderspezifischen Methoden und Finanzierungsmöglichkeiten der Architekturvermittlung gibt es? Werden die Projekte bzw. Programme evaluiert, bzw. welche Erkenntnisse werden aus einer längerfristigen Projektbegleitung gezogen und wie kann daraus Nachhaltigkeit und Kontinuität erzeugt werden?

Das gut organisierte Symposium in Lagunen-Atmosphäre ermöglichte einen ausgezeichneten Vergleich europäischer Projekte. Gut getroffen war vor allem der repräsentative Nord-Süd-Querschnitt durch Europa mit einer internationalen Auswahl an Vortragenden wie Pihla Meskanen (Architektin und Pädagogien, Arkki, Helsinki), Susanne Hofmann (Architektin BDA, die Baupiloten, Berlin), Petri Zimmermann (Architektin, spacespot, Zürich) oder Solange Espoille (arquikids, Barcelona) neben zahlreichen Österreichischen Beiträgen. Die Symposiumsteilnehmer bekamen umfangreiche Einblicke in die Arbeitsweisen und die unterschiedlichen Herangehensweisen der einzelnen Akteure. Während Susanne Hofmann (Baupiloten, Berlin) Projekte mit Unterstützung ihrer Studenten erarbeitet und dabei vor allem die Architektur und die erzeugte Atmosphäre als Resultat im Vordergrund stellt, arbeitet Angela Uttke (Raumplanerin, Jugend Architektur Stadt, TU Berlin) gemeinsam mit Jugendlichen und Streetworker bei der Umsetzung der Projekte eher prozessorientiert, nach dem Prinzip „do it yourself“. An den Beispielen der grundverschiedenen Forscher Wilhelm von Humbold und Carl Friedrich Gauß zeigt Frauke Burgdorff (Montag Stiftung, Bonn) ihre Grundhaltung, dass jedes Kind unterschiedlich ist und eine individuelle Art zu lernen besitzt. Dabei erläuterte sie in ihrem sehr fundierten Vortrag den aktuellen Diskurs zur Gesamttagesschule und präsentierte eine umfangreich Trendanalyse unseres zukünftigen Schulsystems:
_ Schulen sind keine geschlossenen Systeme mehr.
_ Unterrichtsräume werden differenzierten und variableren Ansprüchen genügen müssen.
_ Der Trend geht von separierten zur inkludierenden Schulen, sowie von strengen Zeitplänen zu offenen Clustern.
Am Beispiel einer gemeinsam mit einer Schule umgesetzten Pausenterrasse zeigte sie, wie ein solcher mehrfacher Perspektivenwechsel funktionieren und zu welchen Ergebnissen dieser führen kann. In ihrer Vorstellung verdeutlichte Frau Burgdorff zudem den Vorteil einer auf langfristige Ziele orientierten Organisation: „Bei uns sieht alles etwas anders aus, da wir unter ganz anderen Vorzeichen handeln können. Die Montagsstiftung bietet eine sichere Finanzierung und schafft daher die Möglichkeit für langfristig geplante Projekte.“ Damit sprach Frauke Burgdorff auch das Kernproblem der Architekturvermittlung an: die Finanzierbarkeit.

In Österreich gibt es zwar einige Fördermodelle zum Beispiel über einzelne Vereine wie „Raum macht Schule“ in der Steiermark oder„KulturKontakt Austria“, welche auf bundesweiter Ebene agieren. Diese alleine können aber den österreichweiten Bedarf an ArchitekturvermittlerInnen nicht abdecken. Ein Bedarf, der mit der großräumigen Einführung der Gesamtschule in Österreich sicherlich weiter im Steigen begriffen ist.

Die Vielzahl an unterschiedlichen Initiativen und Projekten werden nur durch das große Engagement von Einzelpersonen ermöglicht. Die langfristige Absicherung der Finanzierbarkeit wäre damit vorrangiges Ziel. Barbara Feller (Initiative Baukulturvermittlung, KulturKontakt Austria) sieht aber noch weiteren Handlungsbedarf im Bereich der universitären Forschung, der Bewusstseinsbildung für die Notwendigkeit der Architekturvermittlung sowie die Vermittlung des bestehenden Angebots. Ein wichtiger Schritt in Richtung Umsetzung dieser Zielformulierungen wurde 2010 mit der Gründung des Netzwerks „Verein Initiative Baukulturvermittlung“ in Österreich gesetzt.

Das Österreich mit dieser Problematik nicht alleine ist, zeigte dieses Symposium sehr deutlich. Das Resümee aus dem präsentierten europäischen Querschnitt lässt sich im Wesentlichen im Folgenden zusammenfassen: Es gibt ein großes Angebot und Austausch an Lehrmitteln und Spielen, welche allen Interessierten frei zur Verfügung stehen sowie ein ebenso großes und gut kommunizierendes Netzwerk. In manchen Regionen werden über „Vermittlungsorganisationen“ wenige, dafür besser bezahlte Projekte realisiert, wohingegen anderenorts vielen Projekten die Möglichkeit einer Umsetzung gegeben wird, dafür mit eher niederen Förderungen. Dadurch ist es meist nur mit viel unvergütetem Engagement möglich, die Forderungen der Curricula nach Architektur- und Raumvermittlung zu erfüllen. Außerdem ist die Männerquote bei den Vortragenden sowie den Teilnehmern sehr niedrig.

Mein Respekt gilt den vielen engagierten Personen, welche mit viel Aufwand und wenig Gewinn diese Leistung in „guter Sache“ vollbringen. Die Anfangs gestellte Forderung nach einer Diskussion der präsentierten Projekte und einer kritischen Auseinandersetzung hat sich in Anbetracht dieser Tatsachen erübrigt.

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