16/12/2015

Monolithisch Bauen mit Ziegel
Einfachheit und Robustheit in Verbindung mit den Materialeigenschaften des Ziegels wie Feuchteregulierung, Trägheit und Speicherfähigkeit sind Kriterien in der Debatte um behagliche Räume langlebiger Bauten. Anhand von 5 Fallbeispielen werden technologische Prinzipien in Bezug auf Raum- und Tragstruktur beschrieben, welche als paradigmatische Ansätze der letzten 16 Jahre für ein mögliches monolithisches Bauen in Ziegel stehen können.

Dieser Artikel erscheint im Rahmen des GAT-Schwerpunkts Monolithisch Bauen als Doppelartikel. Gesch(l)ichtet als Doppelartikel und deckt inhaltlich zwei Artikel ab.

16/12/2015

Monolithische Ziegelverbände

©: Marcus Stevens

MFH am Martinsberg Baden, Burkard Meyer Architekten

©: Burkard Meyer Architekten

Künstlerhaus Marktoberndorf, Bearth Deplazes

©: Ralph Feiner

Mittelpunktsbibliothek Köpenick, Bruno Fioretti Marquez

©: Christoph Rokitta

Haus 2226 Lustenau, Dietmar Eberle

©: archphoto inc. be baumschlager eberle

Cura Cosmetics, ATP Innsbruck

©: Thomas Bause

Stoffgefüge

Eine Bauweise, die sich unweigerlich mit dem Monolithischen assoziiert, ist das massive Mauerwerk. Auch wenn heute verschiedene Materialien wie Naturstein, Kalksander, Porenbeton, Leichtbeton, Glasbausteine oder auch Mantelsteine zur Verfügung stehen, so ist es doch vor allem mit dem keramischen Ziegel verknüpft, der zu den ältesten menschlichen „Bauzeugen“ zählt. Bereits 2500-2000 v.Chr. erfanden die Hochkulturen Mesopotamiens und des Indutals gebrannten Ziegel und konnten eine Entwicklung des Bauens als kulturelle Ausdruckskraft, aber auch in Bezug auf raumklimatischen Komfort forcieren.(1) „Bauzeug“ ist der Ziegel, weil er ein anthropogenes Erzeugnis ist. Hergestellt aus Tonerde unter Beimengung von Mergel, Sand und Kalk entspricht er vor allem in seiner Maßlichkeit den unmittelbaren Bedingungen der menschlichen Konstitution und der daraus resultierenden manuellen Verarbeitbarkeit in Form von Bausteinen. Deren Dimensionen folgen im Grunde auch heute noch der Bindung an das handliche Format. So beinhaltet der Ziegel gleichzeitig eine immanente Kondition für Maßstab und Proportion der aus ihm erzeugten Räume, die umgekehrt in Beziehung mit den menschlichen Maßen stehen. Wesentliches Prinzip dieser Raumerzeugung ist das Setzen der Ziegel in Schichten, die mit Mörtel zu massiven Verbänden, Mauern, verzahnt werden. Ohne die Mörtelfuge ist der Ziegel fast nichts. Das Monolithische ist also in diesem Fall kein dichtes Stoffgemenge – das Mauerwerk würde buchstäblich auseinanderfallen, wollte man ihn als Gesamtheit versetzen –, sondern eine kontinuierliche stoffliche Schichtung, der Schwerkraft folgend, aus einer Gesteinsart und einer immanenten Verbindung. So kompakt, dass es als einheitliche, lagernde Masse verstanden und wahrgenommen wird: ein Stoffgefüge.

Das Mauerwerk ist tot? 

Über Jahrtausende entwickelte sich eine differenzierte Sprache dieses Stoffgefüges als System einfacher Regeln des Ziegelmoduls. Sowohl Tiefe als auch Höhe und Länge der Mauern, Räume und Öffnungen sind durch den Ziegel definiert. Die Schichtung im Verband dient der Tragfähigkeit und bringt die Logik der Fügung zum Ausdruck: eine Syntax mit komplexem Gestaltungspotential in Form tektonischer Verbände und ornamentaler Texturen, welche den Genius des Materials zur Schau stellen, aber auch die sichere Beherrschung der Spielregeln erfordern und offenbaren. Selbst Mies van der Rohe betrachtete den Ziegel noch als „...Lehrmeister. Wie geistvoll ist schon das kleine, handliche, für jeden Zweck brauchbare Format. Welche Logik zeigt sein Verbandsgefüge. Welche Lebendigkeit sein Fugenspiel. Welchen Reichtum besitzt noch die einfachste Wandfläche. Aber welche Zucht verlangt dieses Material.“ 
Seine Ziegelbauten stehen allerdings auch für eine Wende im architektonischen Umgang mit dem Material seit der Moderne, wie die Beispiele Haus Esthers und Lange in Krefeld, aber auch die Campusbauten des IIT in Chicago zeigen: der Entschichtung der Wand durch technologische Entwicklung wie Skelettbauweisen und Stahlbeton folgte ein rein tektonisch, gestalterischer Umgang: dem Ziegel wurde geradezu der Boden unter den Setzfugen weggezogen. Ein letztes Aufbäumen des monolithischen Mauerwerks, als Versuch veränderten Bauaufgaben gerecht zu werden, findet man ebenfalls in Chicago: Das Monadnock-Building von Burnham&Root war 1893 das letzte Haus in Ziegel mit 16 Geschossen und einer Setzung von über 50cm.(2) Der Ziegel war geschlagen. Mies ging es zwar um den Ausdruck einer industrialisierten Gesellschaft. Was dann blieb, war aber eine bloße Assoziation in Form einer Verblendung, welche sich bis in die gegenwärtige Architektur fortschreibt und durch die immer höheren Anforderungen an Gebäudehüllen, insbesondere dem seit Ende der 1970er geforderten Wärmeschutz begünstigt, sich dem Ziegel als Blender bedient. Zum anderen wurde der Ziegel auf ein einfaches „Rohbaumaterial“ reduziert, welches er im Zusammenspiel mit Putz zwar historisch schon immer verkörperte, allerdings durch genannte Gründe hinter Dämmlagen und Vorhangfassaden kaum mehr spürbar wurde und auch dort vom leistungsfähigeren Stahlbeton ersetzt als Füllung auf der Ersatzbank landete.

Es lebe das Mauerwerk! 

Was am Ziegel aber fasziniert, ist das archaische einheitliche Mauerwerk, Bauten wie das Zikkurat von Ur oder thailändische Chedi, einfache, Robustheit ausstrahlende Konstruktionen wie das Castello Estense in Ferrara, das ausdrückliche Spiel von Verband und Ornament, wie es die polychrome Ziegelarchitektur Großbritanniens und Hollands im 18. und 19. Jahrhundert zeigte.(3)
Es fasziniert als Low-Tech und als Skulptur, weil es, bezogen auf unsere gegenwärtigen Architekturbedingungen Mitteleuropas, einen Aufwand darstellt, solche Mauern als Kombination von Konstruktion und Tektonik in Verbindung mit einer zeitgemäßen Raumstruktur zu konzipieren, aber auch weil Einfachheit, Robustheit in Verbindung mit den Materialeigenschaften des Ziegels wie Feuchteregulierung, Trägheit, Speicherfähigkeit durchaus Kriterien in der Debatte um behagliche Räume langlebiger Bauten sind. Diese Polyvalenzen machen das massive Mauerwerk heute zu einer relevanten architektonischen Herausforderung. 
Anhand von 5 Fallbeispielen werden in Folge technologische Prinzipien in Bezug auf Raum- und Tragstruktur beschrieben, welche als paradigmatische Ansätze der letzten 16 Jahre für ein mögliches monolithisches Bauen in Ziegel stehen können.

Tektonisch-Konstruktiver Hybrid

Eines der ersten zeitgenössischen Beispiele, bei welchem der Versuch unternommen wurde die Außenwand als monolithisches Gefüge zu rekurrieren, sind zwei Mehrfamilienhäuser am Martinsberg Baden in der Schweiz. 1999 von Burkard Meyer Architekten gebaut, sind sie Teil der Konversion einer innerstädtischen Brache und nehmen als freistehende Stadtvillen mit identischer Struktur die örtliche Typologie auf. Die Raumstruktur basiert auf einer kompakten Gebäudeform mit umschließender Außenwand aus Ziegelmauerwerk, einem zentralen Kern sowie Deckenplatten aus Stahlbeton. Die Deckenplatten sind höhenversetzt und geben den offenen Wohngeschossen eine längsorientierte Zonierung in Wohn- und Rückzugsbereich. Durch den Versatz spiegeln sich diese Bereiche von Geschoss zu Geschoss. An der Südseite öffnet sich das Mauerwerk zu Loggien, welche durch fassadenbündigen Glasabschluss einen thermischen Pufferraum bilden. Die Gebäudestruktur wird in der Tektonik der Fassade ablesbar durch die Verwendung von Klinkersteinen und Sichtbetonstreifen, welche die Lage der Deckenplatten verdeutlichen, sowie geschosshohe Öffnungen. Zunächst unterscheidet sich das Gebäude nicht von zweischaligen Klinkerfassaden. Erst das Fehlen typischer Lüftungs- und Dilatationsfugen oder Zäsuren in den Ecken sowie die konsequente Anordnung der Betonstreifen als tragende Elemente und ein untypischer Läufer-Binderverband lassen auf eine massive Einheit der Wand schließen. Um dies zu erreichen, wurde ein „Kombimauerwerk“(2) konzipiert. Dieses besteht aus einem 40cm dicken Verband aus Hochlochziegeln mit ausreichender Tragfähigkeit und 12cm „Kelesto“-Klinkersteinen. Beide Schichten werden gleichzeitig gemauert und in der 4. Schicht als Binderschar verbunden. Zwischen den Steinen werden Zwischenfugen als stehende Luftschicht ausgebildet. Besondere Herausforderung bildeten die äußeren Fugen, welche verdichtet werden mussten, um das Eindringen von Regenwasser ins Mauerwerk sicher zu vermeiden. Weiterhin mussten in den tiefliegenden Fensterlaibungen Dämmstreifen zwischen Klinker und Hochlochziegel ergänzt werden.(4)
Das Beispiel zeigt eine Strategie der Zusammenführung durch ein Verzahnung-Prinzip zu einem porösen 2-Schalenaufbau, das die immanente Modularität der Ziegel nutzt und so Raum-, Tragstruktur und Fassadentektonik verbindet. 

Aktivierter Rohbau

Eine andere Herangehensweise der Ausführung von monolithischem Mauerwerk stellt das Künstlerhaus Marktoberndorf in Deutschland von Bearth&Deplazes dar, welches 2001 fertiggestellt wurde. Das Gebäude ist als Mehrzwecksaal für Ausstellungen, Arbeit und Vorführungen geplant. Um dieser Anforderung zu entsprechen, wurden ein möglichst neutrale, aber flexible Grundstruktur konzipiert: ein „Gefäß“(5) aus zwei Teilen, die an einer Seitenfläche gegeneinander verdreht und versetzt wurden und so eine Trennung als auch Verbindung des Raumvolumen zulassen. Nur zwei entgegengesetzte Öffnungsreihen durchdringen das Gefäß jeweils an einer Seite als Eingang und Belichtungszone, welches sich nach außen und nach innen als massiver, geschlossener Körper artikuliert, ohne die innere Struktur ablesbar zu machen. Dies wurde in Form eines 48cm starken Kreuzverbandes thematisiert, der nicht versucht zwischen einer inneren und äußeren Schicht unterschiedlicher Funktionen zu differenzieren, sondern die Ziegelwand als einheitliches Gefüge ausbildet, welches sowohl Maß als auch Ausdruck des Raumgefäßes ist. Verwendet wurde dafür ein bayrisches Format in Bezug auf die lokale Bautradition: 32cm/14,5cm/6,5cm als hochfestgebrannter rotbrauner Lavaklinker. Das stringente Maßkorsett wird durch die changierende und irreguläre Oberfläche der Ziegel belebt. Die dichte Fugenausbildung, hell und grobflächig, betont den Verband mit einer 3cm starken Stoßfuge. Diese archetypische Konstruktionsweise kann zum einen ohne Bewegungsfuge auskommen, was die massive Tektonik unterstützt, und zum anderen als raumklimatische Wandung wirksam werden, indem die natürliche Trägheit des Materials im Wärmedurchgang und die luftfeuchtigkeitsregulierende Eigenschaft aktiv werden. In der Heizperiode wird das Gefäß als Strahlungskörper nach dem Hypokausten-Prinzip aktiviert. Im inneren Wandbereich wurden wasserführende Kupferrohre verlegt, die aufgrund der Massenträgheit des Mauerwerks eine Raumtemperierung ermöglichen ohne hohe Vorlauftemperaturen und vor allem ohne Klimaanlage: ein aktivierter Rohbau – raumbildend und raumkonditionierend.(6)

Entkoppelte Mauerschale

Bruno, Fioretti, Marquez Architekten gehen bei der 2009 gebauten „Mittelpunktsbibliothek“ Berlin Köpenick noch etwas weiter. Sie gaben jedem Gebäudeteil eine spezifische Materialisierung: So sind die Bibliotheksebenen in Stahlbeton, das Dach in Holz und die Außenwand als massives Ziegelmauerwerk ausgebildet. Die Außenwand ist als Schale komplett von der inneren Struktur der Decken gelöst. Die Schale wurde als ein 64cm dickes fünfköpfiges Mauerwerk ausgeführt. Um der damaligen Energieeinsparverordnung zu entsprechen, wurden das Dach und die Nordfassade als Kompensation stärker gedämmt. Die Wahl des Ziegels orientierte sich auch in diesem Projekt an lokalen Traditionen. Köpenick ist eine Insel zwischen Dahme und Spree. Die meisten historischen Bauten bestehen aus Backstein. So wurde ein kompakter Ziegel im Reichsformat: 25cm/12cm/6,5cm gewählt. Nach innen wurden Ziegel mit geringerer Oberflächenqualität gewählt und weiß eingeschlämmt.(7) An der Fassade erzeugt der „wilde“ Verband einen rohen festungsartigen Eindruck. Dieser wird unterstützt durch tiefliegende Öffnungen ohne Fensterteilungen. Dadurch wird die gesamte Tiefe der Mauerschale und seines Verbandes erfahrbar. Je nach Ansicht schließt sich der Körper zu einem Festungsmassiv. Wie der „wilde“ Verband sind auch die quadratischen Öffnungen „wild“ in das Mauerwerk eingelassen, was den Körper lebendig, aber auch erratisch macht. An der Innenseite sind sie mit breiten Holzumfassungen auf die Wand aufgesetzt und wirken wie eine Ausstellung gerahmter Stadtansichten der Umgebung. Die Stürze wurden allerdings etwas inkonsequent als umdämmte Betonelemente hergestellt und verblendet. Der trutzige Charakter wird durch die gezackte Dachkante, die dem Dachverlauf folgt, elegant aufgehoben, so dass das Massiv eine Gliederung erfährt und sich in das umgebende Backsteinensemble einfügen kann. Mit dem Prinzip der entkoppelten, selbstragenden Schale können bautechnisch und bauphysikalisch schwierige Anschlüsse, Durchdringungen vermieden werden und die Wand monolithisch, ohne Bewegungsfugen manuell versetzt werden. Es entsteht die archaische Tektonik einer Festungsmauer.

Poröse Doppelmauer als Teamplayer

Die Entwicklung hochgelochter Ziegel als Industrieprodukt ermöglicht prinzipiell einen verbesserten Wärmeschutz, geht aber zu Lasten der Tragfähigkeit und Festigkeit des Mauerwerks. Damit wird das Bauen in die Höhe mit Ziegel schwierig. Dass es doch möglich ist und noch mehr kann, zeigt das Gebäude 2226 von Dietmar Eberle in Lustenau Österreich von 2013. Wand und Öffnung spielen dabei eine besondere Rolle. Das 6-schossige Gebäude ist in seiner Struktur ein kompakter Kubus von 24m Kantenlänge, welcher nach außen durch eine umlaufende Wand und im Inneren durch versetzt angeordnete Wandscheiben und Kerne für Erschließung und Sanitär strukturiert wird. Die inneren Wände bilden eine offene Raumzonierung ähnlich einer Enfilade entlang der Außenwand. Die Außenwand wurde zweischichtig in 38cm starken Plansteinen mit unterschiedlicher Stegausbildung mit vertikalem Versatz gemauert. Damit konnte den Funktionen der Wand Rechnung getragen werden. Nach außen wurden Ziegel mit sehr feinen Stegen gesetzt. Diese haben einen höheren Lochanteil sind aber weniger druckfest. Die innere Schicht besteht aus denselben Steinen mit stärkeren Stegen, weniger Luftraum aber höherer Druckfestigkeit. Somit konnte eine ausreichende Tragfähigkeit für den turmartigen Bau und Wärmedämmung gleichzeitig erreicht werden. Durch die resultierende Wandstärke von 72cm können weitere Eigenschaften des Ziegels im Zusammenspiel mit Decken, Öffnungen und Oberflächen wirksam werden. In Verbindung mit dem hellen Sumpfkalkputz und den tiefen Laibungen der Lochfassade wird ein Wärme-, Sonneneintrag ins Gebäude im Sommer minimiert. Im Winter schützen das porosierte Mauerwerk und der geringe Fensteranteil von 24% vor Auskühlung. Dabei kommt auch die hohe Speichermasse und Trägheit des Materials zur Wirkung, welche zum einen den Wärmedurchgang nach außen verzögern und zum anderen solare Gewinne im Mauerwerk absorbieren und versetzt an den Innenraum abgegeben werden können. Im Inneren dienen zudem die Decken als Speicher der Abwärme von Nutzern und Arbeitsgeräten wie Computer und Drucker. Dieses Zusammenwirken wurde in Simulationen optimiert und im Gebäude über Sensoren und Monitoring kontrolliert, so dass die Behaglichkeit reguliert werden kann, indem lediglich Holzflügel automatisch oder manuell geöffnet oder geschlossen werden.(8) Das Konzept versteht die massive Wand als regulative Hülle im Teamplay mit anderen Elementen des Baus und dem Nutzer zu einem raumklimatischen System. Die Wand folgt dabei dem Prinzip einer porösen Doppelmauer mit Lufteinschlüssen und tiefen Öffnungen. Um den Ausdruck als monolithischer Block zu verstärken, wurden keine Verblechungen, sondern Betonauflagen verwendet, welche auf Kante angeputzt wurden und so eine minimale Konturierung des Blocks bewirken.

Gestopfter Hybrid

Das Bürohaus der Cura Cosmetics von ATP in Innsbruck, 2015, zeigt einen weiteren Trend in der Optimierung der Wärmedämmfunktion und der Tragfähigkeit durch das Verfüllen der Ziegelhohlräume mit Wärmedämmmaterial. Damit wird tragendes und dämmendes Material in einer Ebene überlagert. Es wird ein einschichtiges, „kerngedämmtes“ Mauerwerk erzeugt, welches über den gesamten Querschnitt gleiche Eigenschaften hat. Das Bürohaus konnte so in fünf Geschossen errichtet werden, ohne andere Materialien wie Stahlbeton im Tragsystem zu verwenden. Für die Aussteifung wurde ein Kern ausgebildet, der auch Erschließung und Nebenräume sowie Haustechnik aufnimmt. Die Geschosse sind als freie, flexible Ebenen konzipiert. Da die Ziegelwand im Passivhausbereich liegt, wurde eine Lüftungsanlage verwendet, welche über die Doppelböden die Räume belüftet. Zusätzlich wurden im Fensterbereich manuell öffenbare Holzflügel angeordnet. Die Stärke der Ziegelwand soll auch in diesem Projekt als träger Speicher dienen, um im Winter solare Gewinne zu nutzen und im Sommer Sonnenschutz zu bieten. Um entsprechende Wandfläche zu erzeugen, wurden schlanke Öffnungsstreifen konzipiert, die mit Ziegelstürzen ausgeführt wurden. In der Fassade sind diese mit erhabenen Putzfaschen betont und deuten so in ihrer strengen Rasteranordnung auf die Nutzung hin. Die Fassade wurde als 3,5cm starker Kalkzementputz in Grau ausgeführt und mit Besen abgezogen, so dass leichte Schattierungen die Oberfläche beleben. In diesem Projekt ist die Wand in einer Schicht zusammengeführt: der Ziegel wird zum Hybridelement.

Diese Beispiele zeigen die Varianz der Möglichkeiten des monolithischen Ziegelmauerwerks. Allen ist eine kompakte kubische Bauweise gemeinsam, die der Logik tragenden Mauerwerks entspricht.
Grundsätzlich lassen sie sich in Sichtmauerwerk und verputztes Mauerwerk unterschieden. Letzteres ist im Besonderen mit porosierten Planziegeln für die einschichtige Bauweise gut geeignet. Hier gilt es, wie die Beispiele zeigen, die tektonische Feinarbeit in Öffnungsausbildung und Oberflächen sowie raumklimatische Aspekte geschickt zu koppeln. 
Für Sichtmauerwerk scheinen die Strategien in der Entkopplung der Wand als Hüllschale in Kombination mit einer Massierung oder Aktivierung oder in der Verzahnung zu liegen. Zum anderen zeigen die Beispiele eine fein justierte tektonische Sprache in Verband, Fugenbild und Ziegelwahl. Monolithische Architektur in Ziegel gelingt – die Einfachheit liegt im Zusammenspiel aller Komponenten des Raumes, der Struktur sowie der Technologie zu einer Einheit.


Referenzen:

(1) Plumridge Andrew, Meulenkamp Wim, Ziegel in der Architektur, Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart, 1996, S.10
(2) Pfeifer Günter et.al., Mauerwerk Atlas, Institut für internationale Architekturdokumentation, München, 2001, S.24
(3) ebd., S.11f., S.106, S.132f., 
(4) Deplazes Andrea (Hrsg.), Architektur Konstruieren – Vom Rohmaterial zum Bauwerk, 2. Auflage, Birkhäuser, Basel, 2005, S.309ff.
(5) http://bearth-deplazes.ch/de/projekte/galerie-fuer-zeitgenoessische-kuns...
(6) Deplazes Andrea (Hrsg.), ebd., S.319ff.
(7) Kaltenbach Frank, Geht der Backstein in die Luft?, 2012, http://www.nextroom.at/article.php?id=35351
(8) Pestalozzi Manuel, Passivität wörtlich genommen, in TEC21 47/2015

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