25/06/2020

gelungen | nicht gelungen 6

NICHT GELUNGEN.

Der Umbau des Studentenhauses Hafnerriegel.

Generalsanierung des ehemaligen Stundenheims Hafnerriegel (Architektur: Werkgruppe Graz, 1963) zu einem Wohnturm mit 73 Wohnungen. Aufstockung um 2,5 Geschoße für 4 Penthouse-Wohnungen (Architektur: Architektur Consult Graz, 2015)

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In der Kolumne gelungen | nicht gelungen zeigt Architekt und Stadtplaner Bernhard Hafner anhand realisierter Beispiele auf, was aus architektonischer und/oder städteplanischer Sicht in der Stadt Graz gelungen oder nicht gelungen ist.

25/06/2020

Abb. 1: Studentenhaus 'Hafnerriegel', Modell 1960

©: WERKGRUPPE GRAZ

Abb. 2: Das Wohnhaus 'Hafnerriegel' nach dem Umbau. Ansicht vom Süden. Foto: Paul Ott

©: Architektur Consult

Abb. 3: Umbau Studentenheim 'Hafnerriegel', Entwurf: Martin Kiesel

©: Martin Kiesel

Abb. 4: Entwerfen 4 bei Prof. Gangoly, TU Graz, SS 2010, Entwurf 'wohn[ba]kasten'

©: Alexander Kampits

Abb. 5: Entwerfen 4 bei Prof. Gangoly, TU Graz, SS 2010, Entwurf 'Metamorphose'

©: Marie-Theres Baumgartner

Abb. 6: Studentenhaus 'Hafnerriegel', alternative Fassadengestaltung durch auskragende Erweiterungen der Gemeinschaftsbereiche an der N- und W-Seite, Studie

©: WERKGRUPPE GRAZ

Abb. 7: Wohnhaus 'Hafnerriegel' in Bau

©: WERKGRUPPE GRAZ

Abb. 8: Studentenheim und Mensa der Universität Graz

©: WERKGRUPPE GRAZ

Abb. 9: Wohnhaus Hafnerriegel, Wohnungsverteilungsschema

©: Architektur Consult

NICHT GELUNGEN. Der Umbau des Studentenhauses Hafnerriegel (1)

  • Auftraggeber: Alphatower Gmbh & Co KG, Wien
  • Generalsanierung des ehemaligen Stundenheims Hafnerriegel zu einem Wohnturm mit 73 Wohnungen. Aufstockung um 2,5 Geschoße für 4 Penthouse-Wohnungen
  • Adresse: Hafnerriegel 53, 8010 Graz
  • Planung: Architektur Consult ZT-GmbH, Graz, Generalplaner Leistung; alle Leistungsklassen inkl. ÖBA
  • Thomas Lorenz ZT-GmbH, Tarbauer Bau-GmbH
  • Zeitraum: 2010 – 2015, Übergabe 26.01.2015

Wie hat sich das Studentenhaus Hafnerriegel der Werkgruppe Graz ohne Sanierungsmaßnahmen vierzig Jahre nach seiner Errichtung gehalten? Außerordentlich gut in Form und Erscheinung. Die mit einem internationalen Patent bedachte Kunststeinfassade mit gelenkig gelagerten, hinterlüfteten Fertigteilen aus Weißzement wiesen keine Risse auf: Die Fertigteile konnten sich durch diese Lagerung bei Temperatur- und Witterungsschwankungen im Jahresverlauf bewegen, ohne dass Spannungsverformungen durch Lagerungszwänge auftraten. Die Hinterlüftung durch Kannelüren der Heraklith-Dämmung zusammen mit den offenen Fugen sorgten dafür, dass Außenluft die Fertigteile an allen Seiten umgab. Sie trug so zum guten Zustand der Steinfassade bei (Abb. 1). Im Innenausbau sah es anders aus. Die Zimmer waren abgewohnt. Hatte es seit der Fertigstellung jemals eine Renovierung gegen? Heute, nach der Sanierung durch Architektur Consult hat das Gebäude ein geändertes Aussehen (Abb. 2)
    Es gab Sanierungsbedarf aus zwei Gründen. Der erste Grund war der Wärmeschutz. Er betrifft ein Thema, das in den Jahrzenten nach Entwurf und Fertigstellung des Gebäudes zunehmend in den Mittelpunkt von Bauphysik und Entwicklung hochdämmender Baustoffe gerückt worden war. Die geringe Dicke der ursprünglichen Heraklith-Dämmung genügte den neuen
 Anforderung von Bauphysik und Nachhaltigkeit nicht mehr. Der zweite Grund war die Sanierung der abgewohnten Bereichs im Inneren. Dazu kam eine Änderung der Ausrichtung der Studentenförderung mit dem Wusch weg von Einzel- und Zweibettzimmer zu WGs. Die Wohngruppen im Hafnerriegel hatten adäquate Installationen und eine Nettofläche von ca. 78 m2, so dass sich, viertelgeschoßig versetzt und mit Durchbrüchen von einer Ebene zur nächsten, eine Fläche von gut 310 m2 ergibt. Diese ist ähnlich der für WGs zur Verfügung stehenden Nutzfläche im Studentenheim und Mensa der Universität Graz (die Mensa), die die Werkgruppe ursprünglich nach dem Hafnerriegel geplant hatte und dessen Umbau für die Österreichische Studentenförderungsstiftung (die Stiftung), Eigentümer des Hafnerriegel, bald darauf notwendig geworden war.
    Das war 2005. Vorerst war nur entschieden, dass für die Stiftung als Eigentümerin des Hafnerriegel ein Umbau anstand. Konnte man als unbeteiligter Architekt nicht erwarten, dass der Eigentümer und ursprüngliche Auftraggeber mit der Planung der notwenigen Eingriffe in ein so gelungenes Bauwerk wie das Studentenhaus die Werkgruppe beauftragen würde? Ja, das konnte man. Vernunft, Respekt vor einer herausragenden Leistung und Urheberrecht lassen das vermuten. Das besonders, da es sich bei dem Bauwerk nicht um ein beliebiges Werk handelt, bei dem allein das Erfüllen einer bautechnisch zu lösenden Aufgabe durch einen dazu befugten Planer im Vordergrund steht. Es handelt sich hier um ein Werk der Baukunst.
    Wie schaut es denn mit dem baukünstlerischen Schutz eines Gebäudes überhaupt aus?
    Schutz durch Beamte. Den untersten Schutz müssen Architekten von Bauämtern durch Beamte erwarten, die sich durch ihre Ausbildung des architektonischen Anspruchs eines Gebäudes bewusst sein müssen, und die ihn in ihren amtlichen Entscheidungen im Rahmen der Rechtslage berücksichtigen. Dies im Besonderen in Wahrung von Eigentümerrechten. Es bedarf des Willens, der fachlichen Fähigkeit und des Respekts vor Leistung, Einsatz und Können, die hinter einem besonderen, einem baukünstlerisch gelungenen Bauwerk stehen, um ein Werk als schutzwürdig zu erkennen und entsprechend zu handeln.
    Schutz durch ein Stadterhaltungsgesetz. Als Nächstes kommt der Schutz in Frage, den ein Stadterhaltungsgesetz bietet, wie das Grazer Altstadterhaltungsgesetz (GEAG). Wäre er ein menschliches Wesen, könnte man sagen, der Hafnerriegel hatte das Pech, dass die Altstadtzone gerade vor seiner Türe endete. Ein solch hervorragendes Gebäude in die Schutzzone einzubeziehen hatte Nachrang vor dem Ziehen einer geraden Grenzlinie entlang der gegenüberliegenden Straßenfront. Das GAEG bot also keinen Schutz
    Denkmalschutz. Den ausschlaggebenden Schutz bietet der Denkmalschutz durch das Bundesdenkmalschutzgesetz (DMSG). Frau Prof. Hain von der TU Graz hatte gefordert, dass das Haus unter Denkmalschutz gestellt werde. Die Landesstelle Steiermark hatte ein solches Verfahren für den Hafnerriegel eingeleitet. Es wurde vom Bundedenkmalamt in Wien beendet, da der Hafnerriegel nicht als öffentliches Gebäude angesehen werde. Was ist, im übrigen, ein öffentliches Gebäude? Die Österreichische Studentenförderungsstiftung ist eine Stiftung der Österreichischen Hochschülerschaft, einer Körperschaft öffentlichen Rechts. Ist der Hafnerriegel damit nicht indirekt doch ein öffentliches Gebäude? Wird es jemals einen anderen Fall geben, in dem anders entschieden werden wird? Liegt es am Gesetz oder an den handelnden Personen?
Schließlich geht es um den Schutz, den Architekten bieten können, die mit ihrer Planung dazu aufgerufen sind, die architektonische Integrität eines umzubauenden Bauwerkes zu hüten. Sie können den Auftrag ablehnen, auch wenn damit finanzielle Einbußen nicht auszuschließen sind. Nicht jeder Architekt wird von einer Ablehnung Gebrauch machen, vor allem, wenn er den Auftrag braucht. Ein etablierter und angesehener kann das schon.
    Wenn man meine Meinung teilt, dass man für den Hafnerriegel als baukünstlerisch wertvolle Architektur des beginnenden Aufbruchs der Architektur der Grazer Schule der Architektur der Nachkriegszeit einen adäquatem Umbau in jedem Fall verlangen musste, der muss sich die Frage stellen: Wo liegt die Verantwortung für das Versagen zu schützen, das ich sehe? Das Bauamt, die Verfasser des GAEG, der Denkmalschutz, die Architekten, die mit der Umplanung betraut wurden und sie ausführten? Österreichisch gesagt: Keiner trägt sie im geeigneten Ausmaß. Shit happens, so ist das Leben und es geht weiter.
   
Was 2005 weiter geschah. Die österreichische Studentenförderungsstiftung beauftragt den Grazer Architekten Martin Kiesel mit der Umbauplanung des Hafnerriegel als Studentenheim. Die Frage des Brandschutzes soll durch eine mechanische Einrichtung mit Rauchgasentlüftung des zentralen, innenliegenden Treppenhauses erfolgen. Das Projekt wurde bei der Baubehörde eingereicht. Am 04.04.2006 erfolgte die Genehmigung des Umbaus durch das Baurechtsamt der Stadt Graz per Bescheid. Bewilligt wird „1. die plan- und beschreibungsgemäße Errichtung von Zubauten an der Nord- und Westseite sowie von Umbauten, 2. Der Abbruch der Außenstiege auf dem Grundstück ...“(2). Eine Umwidmung wird nicht erwähnt, so dass die Nutzung als Studentenheim aufrecht bleibt. Nach ausführlicher Dokumentation von Bauschäden entwirft Martin Kiesel ein Projekt mit Plänen und Modell (Abb. 3).
    Zu dieser Zeit, als die Entscheidung über Umbau oder allenfalls Verkauf des Studentenhauses zu treffen war, boten sich für die Stiftung neue Investitionsmöglichkeiten: das Militärkommando in der Glacisstraße und das Hauptpostamt in der Neutorgasse. Beide sollten von ihren Eigentümern abgegeben und anders genützt werden. Sollte die Stiftung diese Häuser oder eines davon übernehmen, dann müsste sie die Umbauten des Studentenhauses Hafnerriegel und eines oder beide dieser ehemals anders genützten Gebäude als Studentenheime abwickeln. Haben diese neuen Gegebenheiten die Stiftung dazu bewogen, das Studentenhaus Hafnerriegel zu verkaufen? Dagegen spricht nichts, solange die Stiftung als kultivierter ehemaliger Auftraggeber den Willen hat, die architektonische Qualität der Liegenschaft zum Thema zu machen. Wer nicht, als ein aufgeklärter, architekturfreundlicher Bauherr, als der sich die Stiftung durch Beauftragung der Werkgruppe erwiesen hatte, sollte dies langfristig tun? Dazu DI Thomas Schach von der Stiftung: "Wir haben das ehemalige Postgebäude angemietet um Patz für unsere Bewohner nach dem Verkauf des 'Hafnerriegels' zu haben. Das Objekt Glacisstraße ist weder in unserem Eigentum noch sind wir dort Mieter“.
    Nicht einbezogen in den Genehmigungsprozess war die Werkgruppe. Sie war weder vom ursprünglichen Auftraggeber oder dem ein Änderungsverfahren durchführenden Bauamt, noch vom Denkmalamt kontaktiert worden. Eugen Gross: „Das zeigt ein generelles Problem: dass Urheberrechte in Österreich, die Architektur betreffend, gering geschätzt werden“.
    Die österreichische Studentenförderungsstiftung verzichtet auf die Realisierung. Wegen eines Zerwürfnisses mit dem Architekten hinsichtlich der Vertragserfüllung, fällt dieser um den Großteil seines Honorars um und muss Konkurs beantragen.
    Der Spruch des Bundesdenkmalamtes begünstigt den Verkauf des Hauses, und die Stiftung verkauft den Hafnerriegel. Dazu Martin Kiesel: Ein wesentlicher, wenn nicht der Hauptgrund für die Stiftung, das Studentenhaus zu verkaufen, sei darin gelegen, dass Anrainer wegen exzessiven Feierns der zahlreichen Studenten im Hafnerriegel mehrmals die Polizei gerufen hätten – auch Bierflaschen seien geworfen worden –, und dass der Bezirksvorsteher Anrainerversammlungen hätte einberufen müssen. Dazu sei der völlig herabgewirtschaftete Innenbereich gekommen. Die Stiftung hätte zur Verbesserung der Wärmedämmung innen Tellwolle ohne Dampfsperre anbringen lassen, wodurch von Schimmel befallene schwarze Flächen entstanden seien (3). Hatte bisher die in die hinterlüftete Fassade integrierte Wärmedämmung einer Schimmelbildung innen vorgebeugt, so verhinderte das Fehlen einer Dampfsperre das nun.
    Der Käufer, die Alpha Bau GmbH, erwirbt ein Objekt mit Nutzung als Studentenheim. Zugleich tritt sie in die Rechte des Umbau- und Abbruchbescheides für die Feuertreppe ein.
    Nun, Jahre nach der ersten Befassung des Bundesdenkmalamtes mit dem Hafnerriegel, findet im Denkmalamt, Landesstelle Steiermark, ein Bewusstseinswandel zur Erhaltung der Bauten der 60er-Jahre statt. Deren Leiter, Dr. Brugger, leitete ein Denkmalschutzverfahren für den Hafnerriegel ein, das jedoch vom Bundesdenkmalamt in Wien an sich gezogen wurde. Ein Gutachter der TU Wien wurde beauftragt, den Erhaltungszustand und Sanierungsbedarfes inklusive der Außentreppe und den Kostenbedarf der Erhaltung und Sanierung für den Zeitraum der nächsten 50 Jahre zu ermitteln. Nach Vorliegen des Gutachtens stellte das Bundesdenkmalamt das Verfahren ein, da unter Berufung auf eine Unzumutbarkeitsklausel im Text des Gesetzes dem Eigentümer eine besondere Belastung durch die ermittelten Erhaltungskosten nicht zugemutet werden könne. Hatte zuvor das Bundesdenkmalamt den Denkmalschutz abgelehnt, da es sich nicht um ein öffentliches Gebäude handle, hatte es nun eine andere Begründung für die Ablehnung gefunden.
    Eugen Gross: „Ob die ermittelte Summe plausibel war, ist nicht bekannt. Es kam zum systemrelevanten Versagen innerhalb einer Behörde, in dem ein Zwiespalt auftrat zwischen dem öffentlichen Interesse der baukulturellen Einschätzung des Bauwerkes als Beispiel der „Grazer Schule“ (siehe Simone Hain) und den prognostizierten Erhaltungskosten als Belastung für den Eigentümer. Die Zeit war damals nicht reif, das kompetent abzuwägen!“ Eugen Gross weiter: “Diese Zeit war erst bei der Sanierung des Studentenheims mit Mensa am Sonnenfeldplatz einige Jahre später gekommen.“
    Ein Antrag auf Umwidmung in ein Wohnhaus wird gestellt. Die Umwidmung erfolgt durch einen Gemeinderatsbeschluss der Stadt Graz, wobei die Grünen den Zusatzantrag stellen, die Werkgruppe möge in die Umbauplanung einbezogen werden. Es gibt die von mir nicht durch weitere Zeugen bestätigte Meinung, dass für die Wohnbauförderung leistbare Kosten der Wohnungen mit einer Miete von € 500/Wohnung vorgesehen gewesen sein sollen.
    Der neue Eigentümer beauftragt die Architektur Consult mit der Umbauplanung des Hauses auf der Basis des Baubescheids aus 2006 und der Umwidmung als Wohnhaus. Der Baubescheid aus 2006 blieb bis zum 04.04.2011 gültig, davor, musste der Baubeginn angezeigt werden. Dieser begann mit dem Abbruch des vorhandenen Dachaufbaus, da dafür eine den Baubeginn möglicherweise verzögernde Gerüstung des Hochhauses nicht notwendig war.
    Es kommt zu zwei Gesprächen der Architektur Consult mit der Werkgruppe, vertreten durch die Architekten Eugen Gross und Hermann Pichler. Im ersten Gespräch wird klargestellt, dass die Umbauplanung durch die Architektur Consult mit Abbruch der Außentreppe und Gedanken über eine modifizierte Fassadenplanung in analoger Weise wie die Studentenprojekte des Entwurfsstudios bei Prof. Gangoly an der TU erfolgt (Abb. 4, 5). Dafür sprach, dass eine der Seiten des Projektes eine reine Nordlage aufweist. Um das für Wohnzwecke auszugleichen, sollten über Eck die Gemeinschaftsräume mit Balkonen samt Begrünung ausgeweitet werden. (Abb. 6).
    Den dazu vorgelegten Unterlagen, Pläne und einem Strukturmodell, stimmt die Werkgruppe zu. Dies besonders deswegen, weil die ausdrucksstarke Viertelversetzung der Wohngeschoße außen an allen Seiten sichtbar erhalten bleibt. Die Werkgruppe schlägt vor, den Denkmalschutz zu involvieren.
    In einem zweiten Gespräch wird mitgeteilt, dass die Wohnbauförderung Kleinwohnungen fördern wolle und die mögliche Erweiterungen vom Gemeinschaftsräumen durch Auskragungen wie Balkone aus Kostengründen nicht realisiert werden können. Der Umbau solle sich ausschließlich auf die Lösung der Fassade mit erhöhtem Wärmeschutz konzentrieren. Zwei Lösungen waren im Gespräch:
    Erstens, eine Innendämmung und Erhalten der bestehenden Steinfassade aus hinterlüfteten Weißzementplatten. Eine Innendämmung von 10 cm samt Gipskartonbeplankung bedeutete eine Verringerung der förderbaren Wohnfläche um etwa 2,3%. Bei dieser Lösung wird die intakte Steinfassade erhalten und eine Gerüstung der Fassade ist nicht nötig.
    Zweitens, eine Außendämmung der bestehenden Steinfassade als Eternitverkleidung auf Metallgerüst und Wärmedämmung, wobei die Fugenteilung der Steinfasse in der Fugenteilung der Eternitplatten übernommen wird. Diese Variante, eine Außendämmung und Plattenverkleidung als Aufdoppelung auf der bestehenden Steinfassade, soll ausgeführt werden. Das Erscheinungsbild wird zwar in der Fassadengliederung erhalten, nicht aber im Material. Es handelt sich um ein neues Gebäude, dessen Fugenteilung mit dem ursprünglichen Hafnerriegel weitgehend übereinstimmt. Die dünnen Fassadenplatten weisen ihn nun aber als nicht originäres Bauwerk in Sichtbetonqualität aus.
    Die Architektur Consult exekutiert den Bescheid auf der Rechtsgrundlage aus dem Jahr 2006 und plante das Objekt als Wohnhaus auf der Basis der Widmungsänderung des Gemeinderates von Graz aus 2010. Auf die Durchführung eines neuen Baugenehmigungsverfahrens wurde von der Stadt Graz verzichtet. Dies unbeschadet der Änderungen des Projekts von Architekt Kiesel, der Grundlage des Bescheids von 2006 war. Unbeschadet auch hinsichtlich des großen Aufbaus für zwei Penthausgeschoße. Begründet wurde das lt. den Planern mit Hinweis auf eine Stadtplanungsstellungnahme hinsichtlich der weiteren Wohnnutzung. Dieser wird durch einen Planaustausch entsprochen. Da der Baubeginn rechtzeitig angezeigt worden war, ist die Baubewilligung aufrecht geblieben. Der Bescheid über den genehmigten Treppenabbruch war nach der Gesetzeslage nicht befristet. Bis heute wurde eine Vereinbarung der Werkgruppe mit dem Bauträger zur Ausschilderung des ursprünglichen Projektes – urheberrechtlich abgesichert – jedoch nicht erfüllt. Die Umbauarbeiten wurden in den Jahren 2012 bis 2014 durchgeführt (Abb. 7).
 
Wie zeigt sich der Hafnerriegel gestern und heute? (siehe die Abbildungen 1 und 2). Die zwei Penthausgeschoße sind in den Gesprächen von Eugen Gross und Hermann Pichler der Werkgruppe mit Architektur Consult ihrer Aussage nach nie zur Sprache gekommen. Sie sollen zeigen: Wenn sich ein Bauherr oder Architekt schon im Bauwerk selbst nicht als Ausnahmeerscheinungen bemerkbar machen konnte, hier konnte er es, und zwar ästhetisch und ökonomisch. Hier wohnt nicht das Volk von weiter unten, hier wohnt die Creme. Anders gesagt: Jeder soll sich selbst ein Bild machen. Offensichtlich handelt es sich auf dem Dach nicht um Sozialwohnungen.
     Am Hochhaus selbst erkennt man die alte Fassadenteilung und sieht aus der Ferne nicht, dass es sich um eine Verkleidung mit dünnen Faserzementplatten handelt. In solcher Ansicht zeigt sich die alte Eleganz, wenn auch mit einem protzigen Hut versehen.
     Eugen Gross erhebt keinen Vorwurf: Architektur Consult habe das gemacht, was laut Baubescheid möglich war, und habe Diktat und Auftrag der Wohnbauförderung mit den zulässigen Kosten je m2 Wohnfläche entsprochen. Der Kammeranwalt würde zustimmen. Architekt Gross weiter: Die Freitreppe habe ihre Würdigung erfahren. Der bildende Künstler Ed Gfrerer habe sie im Rahmen des steirischen herbst '19 in der temporären Ausstellung Skulpturen im Exil in Prenning's Garten bei Deutschfeistritz in eigener Interpretation gezeigt. Es war eine Hommage an das Original des Hafnerriegel: diesmal in Deutschfeistritz, eine Flucht-Stiege, im weiteren Sinn auch Fluchtort verfolgter Künstler in der NS-Zeit, in Schalholz des Sichtbetons und als Erinnerung an ein Kunstwerk, das keinen festen Platz am Ort ihrer Entstehung gefunden hatte (4).
    
Wie ich das sehe. Hätte dem Hafnerriegel das Schicksal des Verbergens einer durch ein Patent geschützten Steinfassade hinter Eternittafeln erspart werden können? Ja, ganz einfach, wie die Sanierung des Studentenhauses mit Mensa am Sonnenfeldplatz in Graz wenige Jahre später zeigt. Von der Verbeugung vor dem Willen nach Ausdrucks des Sozialstatus besonderer Wohnungen für Raiffeisen soll nicht mehr als schon zuvor gesprochen werden. Ist doch auch er eine Zeiterscheinung der Selektion nach Geld und reversibel.
     Das polygonal angelegte Studentenhaus mit Mensa ist das zweite, um 1965 errichtete, markante Bauwerke der Werkgruppe Graz (Abb. 8). Ihr blieb das (vorläufige) Schicksal eines Umbaus wie jenes des Hafnerriegel erspart. Sie wurde umfassend saniert und das Äußere ist in seiner ursprünglichen Identität erhalten: Die Steinfassade, die gewendelten Sichtbetontreppenhäuser, je eines für die zwei Häuser für Studenten bzw. Studentinnen, und der Dachaufbau zeugen davon. Änderungen erfolgten im Inneren, wobei auf einer Fläche von 300 m2 je Geschoß pro Haus Einzelzimmer und Doppelzimmer in WGs umgewandelt wurden. Auch die Aufenthaltsräume im Untergeschoß wurden verändert. Zur Außenverglasung passende Fenster wurden eingebaut. Eine verbesserte Wärmedämmung wurde innen angebracht, wobei die Außendämmung mit integrierten, der Hinterlüftung dienenden Kannelüren erhalten blieb, und somit ihr Beitrag zum Wärmeschutz erfüllt wurde. (siehe Link > nextroom.at)
   
Ich betrachte den Umbau des Studentenhauses durch Architektur Consult und den Auftraggeber Alphatower GmbH & Co KG als NICHT GELUNGEN. Ich würdige die Zurückhaltung, den Umbau nicht als Gelegenheit architektonischer Extravaganz à la Pinterest zu benützen. Ich würdige auch die Variation von Wohnungsgrößen samt Maisonetten (Abb. 9). Dem gilt meine Hochachtung. Aber die Sanierung des Gebäudes hätte wie bei der des Studentenheimes und Mensa der Universität Graz durch eine Innendämmung, Erhalten der Fassade und Erneuen der Fenster in Abstimmung mit der Nutzung gemacht werden können. Dies nicht zu höheren Kosten, sondern wohl kostengünstiger. Wenige Jahre zwischen diesen beiden Sanierungen machen den Unterschied. Eine besondere Rolle spielte dabei das Denkmalamt. So, wie es aussieht, hätte Architektur Consult mit deren Hilfe die Fassaden des Hafnerriegel erhalten und sich unter schwierigen Umständen Verdienste um ein gelungenes Werk erwerben können.

So bietet sich eine Perspektive für die Zukunft: Das Wiedererstehen des ursprünglichen Hafnerriegel mit zeitnah angepasstem Innenausbau. Auch die Fassade der Eternitverkleidung wird nicht ewig überleben. Nach einem Zyklus von etwa 25 Jahren wird sie ein Sanierungsfall sein. Da die Umbaulösung reversibel ist, kann die Eternitfassade wieder entfernt werden. Die zwischenzeitlich keiner Witterung ausgesetzte Steinfassade kann wieder die Außenverkleidung und die Wärmedämmung kann innen angebracht werden, wenn nicht ganz neue, heute unabsehbare Lösungen bereitstehen werden. So, wie in der Mensa und wie in den Hochschulbauten der TU an der Sandgasse. Dann bleibt nur der Sozialfall der zwei Penthausgeschoße als Problem. Damit wird sich die Entwicklung der Demokratie in Österreich wohl befassen müssen, denn eine sich baulich zeigende Hochhausschau mit gekappter Spitze für eine hochmütige Elite hat begrenzte Existenz. Vielleicht wird der Dachaufbau nicht mehr hier, am Hafnerriegel 53 stehen, sondern womöglich gar in ein Freiluftmuseum gestürzter Heroen transportiert und dort aufgestellt werden. Dann kann auch der wiedererstandene Hafnerriegel unter Denkmalschutz gestellt werden, wie er es verdient.
    Ich werde das nicht erleben. Aber wir können uns mit der heilenden Kraft in einer sich entwickelnden politischen Landschaft des Landes trösten, in dem Urheberrechte und geistiges Eigentum auch von Architekten gewürdigt werden.

(1)   Anlass für diesen Artikel war die Realisierung von Umbau und Erweiterung des Projektes Studentenhauses Hafnerriegel der Werkgruppe Graz. Auf dem nextroom-Datenblatt (siehe Link: nextroom.at > Studentenhaus Hafnerriegel) zum Hafnerriegel werde ich als Mitarbeiter geführt. Das ist sehr großzügig, zu großzügig. Ich war als Architekturstudent Mitarbeiter im Sommer 1962. Als solcher war ich unter Hermann Pichler als Betreuer weitgehend selbstständig mit dem Entwurf des Dachaufbaus betraut. Mitarbeiter während der ganzen Planungszeit war ich nicht, da zu diesem Zeitpunkt mein Studium Vorrang hatte.
(2)   Bescheid zur Bewilligung des Umbaus des Studentenhauses Hafnerriegel, gez. Dr. Engl, GZ. 035080/2005-3, Graz, April 2006.
(3)   Durch Bauaufnahmen unterlegte Angaben des Architekten Martin Kiesel.
(4)   siehe Link > prenningergespraeche.at

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