10/12/2007
10/12/2007

Prof. Brian Cody, Vorstand des Instituts für Gebäude und Energie, TU Graz

Form Follows Energy. Über die wahre Bedeutung von Energieeffizienz in Architektur und Urban Design referierte Prof. Brian Cody am 10.12.2007. in seiner Antrittsvorlesung an der TU Graz.

Brian Cody sprach über die wahre Bedeutung von Energieeffizienz in Architektur und Urban Design. Er illustrierte anhand von Ergebnissen aus aktuellen Forschungsprojekten sowie aktuellen Bauprojekten aus der Praxis, warum dies wenig mit Dreifachverglasung, Wärmedämmung und kontrollierten Lüftungssystemen zu tun hat.

Brian Cody ist seit 2004 Vorstand des Instituts für Gebäude und Energie an der Architekturfakultät der TU Graz. Der Absolvent eines Ingenieurstudiums ist Ire und war vor dem Ruf nach Graz Associate Director des weltweit agierenden Ingenieurbüros Ove Arup, für das er auch heute als wissenschaftlicher Berater tätig ist.

Wer von Energieeffizienz im Bauen spricht und diese allein in der Minimierung des Energieverbrauchs sieht, hat ein völlig falsches Verständnis von Effizienz, sagt er. Effizienz meine das Verhältnis zwischen einem Nutzen und der Energie, die eingesetzt werden muss, um diesen Nutzen zu erzielen. Bei Gebäuden sei dies das Verhältnis zwischen der Qualität des Raumklimas und der Quantität der Energie, die dafür aufgewendet werden muss. Und Cody geht weiter. Er postuliert, dass einzig ein harmonischer Dreiklang aus niedrigem Energieverbrauch, optimalem Raumklima und architektonischer Qualität Nachhaltigkeit erzeugen könne. Damit wird ein Parameter in die Energiediskussion eingebracht, der bis jetzt zu wenig Beachtung findet. Nachdem ästhetische Werte nicht in Kenngrößen gemessen werden können, liegt die Bedeutung dieser Aussage darin, hervorzuheben, dass eine Entwicklung unserer Gebäude hin zu mehr Energieeffizienz nicht zu Lasten gestalterischer Freiheit und Vielfalt gehen kann.

Mit Vorschriften zu Dämmwerten und maximalem Jahresheizwärmebedarf, die ausschließlich auf eine Senkung der Betriebsenergie abzielen, ist der Komplexität des Themas jedenfalls nicht beizukommen. Die daraus ableitbare Energiebilanz sagt nichts aus über den tatsächlichen Energieaufwand zur Erreichung eines Passivhausstandards, denn sie bezieht zum Beispiel die „graue Energie“ nicht ein, die Menge an primärer oder hochwertiger Energie (wie Strom, zu dessen Erzeugung etwa drei Einheiten niederwertiger Energie vonnöten sind), die zur Herstellung von Dämmstoffen, Geräten für die mechanische Lüftung oder etwa doppelschaligen Fassaden gebraucht wird. Forschungen am Grazer Institut haben ergeben, dass der energetische Mehraufwand für Doppelfassaden sich ökologisch und wirtschaftlich überhaupt nur lohnt, wenn im Gegenzug dafür auf eines der technischen Systeme verzichtet werden kann. Natürliche Lüftungskonzepte folgen den Ergebnissen von Untersuchungen, die besagen, dass ein Großteil der Beschäftigten in großen Bürokomplexen der Lüftung über Fenster den Vorzug gegenüber zentral gesteuerter mechanischer Lüftung gibt. Hier kommt ein psychologischer Aspekt dazu: Nicht nur Raum- und Oberflächentemperatur, Luftgeschwindigkeit und Luftfeuchtigkeit sind Kriterien für thermische Behaglichkeit, sondern auch die Möglichkeit einer individuellen Handhabung.

„Form follows energy“ ist die prägnant-überspitzte Kurzform von Cody’s Überzeugung, dass energetische Optimierungen künftig zur Formfindung beitragen und neue Formensprachen und Gebäudefiguren generieren werden. Sein vielzitiertes Schlagwort ist jedoch auch ein Verweis darauf, dass architektonische Form nie ohne Einbeziehung von Überlegungen zur Energieeffizienz entstehen sollte.

Cody plädiert also dafür, nicht einzelne Parameter wie Dämmwerte vorzuschreiben, sondern ein Gebäude in seiner Gesamtheit zu betrachten. Die Frage sei: Was kann das Haus? Es gehe darum, seine Energieeffizienz zu bewerten, aber jedem zu überlassen, wie diese Leistungen erbracht werden. Die Senkung des Heizverbrauchs auf weniger als 15 kWh/ m² und Jahr ist für ihn eine banale Leistung. Konkrete Anleitungen zu Inhalt und Form derartiger Leistungsbewertung gibt er allerdings (noch) nicht.

Sein ganzheitliches System der Betrachtung bezieht in den Begriff von Energieeffizienz auch den Städtebau ein, dessen primäre Aufgabe er heute in der urbanen Verdichtung sieht. Am Hochhaus als Inbegriff des kompakten städtischen Gebäudetypus interessiert ihn, inwieweit möglich ist, die urbane Dichte zu erhöhen bei gleichzeitigem Festhalten an Nachhaltigkeit, also einer Energie- und Flächeneffizienz, die mit neuen energetischen Konzepten erreichbar scheint.

Verfasser/in:
Karin Tschavgova, Bericht
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
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