08/01/2021

fasch&fuchs. Eine Würdigung.

Karin Tschavgova zur Arbeit von fasch&fuchs architekten

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Weitere Texte von Karin Tschavgova zu fasch&fuchs architekten:

Portrait, 1999
https://faschundfuchs.com/pub/hefte/pdf/heft01_wettbewerbsprojekte.pdf

Portrait fasch&fuchs, 2002
https://www.nextroom.at/actor.php?id=1960&inc=artikel&sid=1462

Kindermuseum Graz, 2003
https://www.nextroom.at/building.php?id=16586&inc=artikel&sid=7730

Krankenhaus Knittelfeld, 2005
https://www.nextroom.at/building.php?id=19074&inc=artikel&sid=13543

Sonderschule Schwechat, 2006
https://www.nextroom.at/building.php?id=28916&inc=artikel&sid=25321

Anlässlich der Verleihung des Preises für Architektur der Stadt Wien, 2009
https://www.nextroom.at/actor.php?id=1960&inc=artikel&sid=32004

Bad Eggenberg, db, 2013
https://www.db-bauzeitung.de/db-themen/db-archiv/wohlbefinden-fuer-alle/

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08/01/2021

Der Schulcampus Neustift im Stubaital von fasch&fuchs.architekten, 2019 fertiggestellt, 2020 mit dem Preis des Landes Tirol für Neues Bauen preisgekrönt

©: Hertha Hurnaus

„ …. lässt das Haus mit seinen begrünten Dächern und Höfen wie ein Stück Natur wirken.“ (Christian Kühn)

©: Hertha Hurnaus

„ … Innen und Außen scheinen wie aufgehoben, Raumgrenzen verschwinden“, aus dem Jurytext.

©: Hertha Hurnaus

Das Schulzentrum Hall in Tirol: eine von sechs Anerkennungen beim Preis des Landes Tirol für Neues Bauen 2020

©: Hertha Hurnaus

Portalgestaltung Gleinalmtunnel von fasch&fuchs architekten, 2019

©: paul ott photografiert

„Doppelte Belichtung“ in den Nähklassen in der HBLA Krieglach. Schon 1999.

©: Helmut Tezak Architekturfotografie

Gelingt Einem oder Einer das Kunststück, zweimal in Folge, 2018 und 2020, mit dem großen Preis des Landes Tirol für Neues Bauen ausgezeichnet zu werden und gesellt sich zur jüngeren der beiden Auszeichnungen auch noch ein Anerkennungspreis für ein zweites Bauwerk im Land Tirol, so lohnt nicht nur, sich mit Arbeit und Werk dieser Architekten näher auseinanderzusetzen, sondern es ist nachgerade eine Verpflichtung. Seit 1996 zeichnet das Land Tirol alle zwei Jahre gemeinsam mit der Kammer der ZiviltechnikerInnen Tirol und Vorarlberg, mit dem Landesverband Tirol der Zentralvereinigung der ArchitektInnen Österreichs und mit dem Tiroler Architekturhaus aut vorbildliche Bauten in Tirol aus. 2020 wurden 75 Objekte zum Wettbewerb eingereicht.

2020 enthielt das von Wien und Hausmannstätten bei Graz aus tätige Architekturbüro fasch&fuchs die Auszeichnung für den Schulcampus in Neustift im Stubaital, den sie 2019 als Generalplaner fertigstellen konnten. Auf mehr als 12.000 Quadratmetern Bruttogeschoßfläche entstanden eine Volksschule, eine Mittelschule, ein Polytechnische Schule und eine Ski-Mittelschule mit Internat. Für das Schulzentrum in Hall, das im Frühjahr 2019 übergeben wurde, vergab die Jury eine der sechs Anerkennungen. In der Begründung hält Marta Schreieck fest, dass sich das Schulzentrum Hall in eine Vielzahl von realisierten Schulen von fasch&fuchs architekten einreiht.

Auf der Liste einer genauen Nachschau versammeln sich bis jetzt, chronologisch 1999 mit dem Um- und Neubau der Höheren Bundeslehranstalt Krieglach beginnend, 13 Schulen aus der Ideenschmiede des Büros. Dazu zählt auch der Technik Campus Lienz, der neben einer Fachberufsschule und einer HTL auch Außenstellen der Universitäten Innsbruck und Hall enthält. Er wurde 2018 mit dem Preis für Neues Bauen in Tirol ausgezeichnet. Zehn der Schulen sind bereits realisiert, drei weitere in Tirol, Salzburg und Niederösterreich sind in Bearbeitung. Sie alle sind, mit Ausnahme der HBLA Krieglach (1995 bis 1999), aus der Prämierung mit 1.Plätzen in Wettbewerbsverfahren hervorgegangen. Solche Aufzählungen lassen den großen Einsatz und enormen Kraftakt, der hinter den Erfolgen der Steirerin Hemma Fasch und des Tirolers Jakob Fuchs – seit 2011 in Büropartnerschaft mit ihrem langjährigen Mitarbeiter Fred Hofbauer – nur erahnen. Ihr aktuelles Oeuvre zählt allein 38 Teilnahmen an Wettbewerben für Schulen. Fügt man die Kindergärten hinzu, so summieren sich annähernd 50 Projekte für Bildungseinrichtungen.

All das bis jetzt Geschriebene erfüllt journalistische Informationspflicht und bräuchte noch viel mehr an Platz, wollte man das umfangreiche Schaffen der Architekten aus 27 Jahren nicht nur spotlichtartig beleuchten. Es würde sich als Einleitung zu einer Laudatio besser eignen denn als Vorspann zu einem Textbeitrag, der mehr als aufzählen möchte. Zu einem Text, der erzählen will: von der Arbeitsweise von fasch&fuchs architekten, von ihrer nie geschwundenen Arbeitslust und von ihrer Überzeugung, als Architekten einen Beitrag zur Entwicklung und Verbesserung gesellschaftlicher Verhältnisse leisten zu können.

Im Architektur & Bauforum habe ich im Jänner 1999 in einem ersten kurzen Essay über das damals noch junge Team mit sparsamer Bürostruktur geschrieben: „Versucht man, die Arbeitsweise von fasch & fuchs eingehender zu entschlüsseln, etwaige Entwurfsprinzipien, einen theoretischen Ansatz, Analogien zwischen dem einen oder anderen Projekt zu orten, so erkennt man bald, daß sie für sich nur wenige allgemein verbindliche Prämissen aufstellen. Jede Arbeit entwickelt sich aus der spezifischen Aufgabenstellung, aus den funktionellen Anforderungen und vor allem aus dem Erforschen von Ort und Topografie mit dem Bestreben, einen Kontext zur Umgebung herzustellen, mehr noch, durch das Einfügen des Neuen das Besondere eines Ortes zu akzentuieren. Das passgenaue Resultat in den meisten der vorliegenden Entwürfe verweist auf einen strengen, selektiven Formfindungsprozess; dennoch sind die Architekten selbst immer wieder erstaunt über ‚die Logik einer Lösung als Einzigmögliche‘.“

Im Jänner 2021 frage ich nach. Ob sich in ihrer Arbeitsweise etwas geändert hat? Nein, sagen beide in einem Atemzug, an einer Aufgabe zu ‚tüfteln‘ sei nach wie vor eine lustvolle Tätigkeit. Ein gutes Konzept entstehe zuerst im Kopf. Für diese Arbeit ziehen sie sich immer noch gerne zu zweit zurück in ein Ambiente, das ihnen fern des Büroalltags Ausgleich zur Denkarbeit bietet. Daraus ein Projekt zu entwickeln, sei ein räumliches Sudoku, fügt Jakob Fuchs schelmisch lächelnd hinzu. Das sei harte Arbeit, bei der es nicht immer ‚flutscht‘. Manchmal stünde der Städtebau gegen Funktionalität und fallweise brauche es auch den Blick von außen, um falsche Schlussfolgerungen zu erkennen und aus Sackgassen umzukehren. Sie betonen, dass Zusammenarbeit wichtig ist, und müssen gar nicht erklären, wie fruchtbar sich ein langes, kontinuierliches Miteinander auswirkt. Ich lese nach, dass sowohl Fred Hofbauer, der dritte im Bunde, wie auch der Statiker Peter Bauer von werkraum wien seit 1996 mit an Bord sind.

Was vor mehr als 21 Jahren eine erste vorsichtige Einschätzung war, hält immer noch, müsste zur Aktualisierung um kein Jota geändert werden.

"Wie aber erklärt sich die starke, eigenwillige Handschrift, die die Arbeit von fasch&fuchs. charakterisiert? Was formt sie, was ist das Unverwechselbare an ihr? In Juryprotokollen werden die Entwürfe der beiden als elegant, spannend, plastisch beschrieben, wird ihnen 'hohe räumliche Qualität und gekonnte skulpturale Durchbildung' konzediert. Nun entsteht aber bei fasch&fuchs die Form nie als Skulptur per se, ist nie Zeichen einer selbstbezogenen hermetischen Haltung. Form entwickelt sich aus der inneren Organisation eines Gebäudes, aus der Differenzierung nach Größeneinheiten, Abständen, Raumhöhen und Lichteinfall. Sie ist immer Ergebnis eines Prozesses, bei dem tradierte Haltungen und Typologien hinterfragt und bei Bedarf auch verworfen werden. Alle ihre Entwürfe gehen einen Dialog mit dem Vorgefundenen ein. Das Gelände kann auf verschiedenste Weise zum integrierten Bestandteil des Entwurfs werden. Aufgewertet, wenn sie das Dach einer bestehenden Parkgarage zum 'urbanen Feld im Sinne eines Platzes' (Juryprotokoll) machen. Unmittelbar, wenn es unter dem aufgeständerten Gebäude der Österreichischen Botschaft in Berlin durchfließt und zur Bedeutungsebene für den Anspruch auf Offenheit und Grenzenlosigkeit wird. Oder gefiltert, wie beim Sophienspital, wo der schlanke Trakt am Rande des Areals eine transparente Schicht bildet zwischen der ruhigen innenliegenden Parklandschaft und dem verkehrsreichen Europaplatz – nicht aber eine Zäsur. Transparenz ist dort ein Thema, wo die Gebäudehaut kaum merklicher Übergang zu einem attraktiven Außenraum sein soll, ist aber ebensowenig ideologisch determiniert wie die Technik, in der fasch&fuchs wie Renzo Piano ein Instrument für die Architektur sehen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.“
Werter Leser, auch hier wird vor langem Eingeschätztes zitiert. 2002 konnte ich fasch&fuchs im Spectrum, dem Feuilleton der Tageszeitung Die Presse, porträtieren. Auch hier gilt, was gesagt wurde, heute noch. Nichts muss zurechtgerückt, nichts zurückgenommen werden – nur ergänzt im Abstand von vielen Jahren.

Tradierte Haltungen, Vorstellungen und Typologien zu hinterfragen, ist Teil des Selbstverständnisses der Architekten und wichtig wie eh und je. Im Schulbau stehen ihnen dabei Zeitströmungen zur Seite. „Die Raumprogramme des Bundes für den Neuen Schulbau sind im Allgemeinen weiter als die Schulpädagogik“, betont Hemma Fasch und meint damit die Bildung von Clustern – mehrere Klassen um eine gemeinsame Vorzone – offene Lernzonen und großzügige Erschließungsbereiche, die zu Aufenthaltsorten werden, kommunikative Treffpunkte oder Rückzugsorte sein können. Das pädagogische Konzept von individueller Förderung und selbstverantwortlichem Lernen kommt ihrer Vorstellung von einer guten Schule entgegen. Die baulichen Voraussetzungen dafür sind daher in allen Schulen, die fasch&fuchs in den letzten Jahren planen konnte, umgesetzt.

Auch zeigt sich an allen Gebäuden, die sie für Kinder und Jugendliche planen, wie sehr Gelände, Ort, Umfeld und Freiraum zum integrierten Bestandteil des Entwurfs werden. Schon die Klassen in der Sonderschule Schwechat (Wettbewerb 2001) haben vorgelagerte Terrassen, die als Freiklassen und Bewegungsräume genützt werden wollen.

Was sich am preisgekrönten Schulcampus von Neustift im Stubaital so radikal neu darstellt, ist kein Bruch mit der Vorstellung, was Architektur sein soll. Es ist auch kein Verlassen einer klaren Haltung, sondern zeigt uns, wie Erfahrung und Reifung zu Neuem, Innovativem führen kann – vorausgesetzt, dass viele der komplexen Bedingungen für Gutes Bauen gegeben sind. Auch wenn diese Schule, die als Summe ihrer Gebäude eine neue Landschaft formt, gänzlich anders und einzigartig scheint, ist sie auf einer Entwicklungslinie des Büros verortet.

Bei fasch&fuchs geht diese Entwicklung einher mit einer akribischen Erarbeitung der Konstruktion, um statische Einschränkungen minimal zu halten und Flexibilität zu garantieren. Präzise werden Lichtöffnungen gesetzt und weil doppelte Belichtung eine atmosphärische Anreicherung darstellt, wurde sie ebenso zum Grundsatz wie differenziert angelegte Freiräume (mit Regenschutz und unter offenem Himmel). Sie sind Angebote zur in Schulen so wichtigen körperlichen Bewegung und eignen sich in ihrer Großzügigkeit immer zur kollektiven Aneignung. Entwicklung bedeutet auch die stete Verfeinerung der Materialwahl und des Farbkonzepts, das bei den Schulen von Aspern und Neustift von den KünstlerInnen Hanna Schimek und Gustav Deutsch kreiert wurde. Sie ist auch ein „Mitwachsen“ mit der Technologie – besonders beim Einsatz von Glas und generell bei Fragen zur Nachhaltigkeit im Energieeinsatz. Der Begriff der Effizienz wird in ihrer Arbeit nur akzeptiert, wenn mehr als Funktionalität und Wirtschaftlichkeit damit gemeint sind. Zur Wirksamkeit=Effizienz zählen für Hemma Fasch auch psychologische Faktoren und – punktgenau aktuell – die Fähigkeit eines Gebäudes, einer Pandemie Raumqualitäten wie Offenheit, Nutzungsvarietät und direkten Bezug zum Außenraum entgegenstellen zu können.

Zweifelsfrei ist Neustift ein vorläufiger Höhepunkt im Schaffen der Architekten. Christian Kühn schreibt über den Schulcampus: „Die Schule ist ein Raumwunder mit vielen einprägsamen Orten: einer Außentreppe, die vor der Volksschule breit beginnt und über die Dächer nach unten führt; offenen Lernzonen, die an der richtigen Stelle noch eine Extraportion Licht von oben erhalten; einer zentralen Halle im Internatsturm, die den Bewohnern hilft, Gemeinschaft zu bilden; und vielen Orten mehr. Basis für das alles ist ein raffiniertes geometrisches Konzept: streng parallele Baukörper, die durch einen seitlichen, aus dem Grundstückszuschnitt abgeleiteten Impuls gegeneinander verschoben werden. Diese Verschiebung nimmt dem Grundriss alles Schematische und lässt das Haus mit seinen begrünten Dächern und Höfen tatsächlich wie ein Stück Natur wirken.“

Man könnte diese Lobrede auch mit den Worten von Jean Baudrillard, dem französischen Soziologen beenden, den Hemma Fasch schätzt. Er sagt: "Ein Objekt muss, um in ein Ereignis zu münden, das sich durch Einzigartigkeit auszeichnet, etwas anderes sein als das, was sich soziologisch, politisch, räumlich oder ästhetisch interpretieren ließe. Es existiert jenseits der Normen." *) Das Schulzentrum von Neustift kommt dieser Auffassung des Einzigartigen ganz nahe, auch wenn sein Konzept aus der Herausforderung der komplexen funktionellen, pädagogischen, soziologischen, politischen und räumlichen Grundlagen und Bedingungen umgesetzt wurde. Chapeau!

Wenn bei fasch&fuchs auch Erfahrung in jede neue Bauaufgabe einfließt, so entsteht doch immer überraschend Neues. Deshalb freue ich mich auf jedes weitere ihrer Bauwerke. Die obligatorische Frage danach, was sie gerne noch planen und bauen würden, beantworten beide unisono mit einer Brücke. Später fügt Hemma Fasch hinzu, dass eine Flüchtlingsunterkunft interessant wäre. Da zeigt sich: Bedingungslose Übereinstimmung ist keineswegs Voraussetzung zur fruchtbaren Zusammenarbeit, zu einem guten Miteinander. Konstruktiver Diskurs schon eher.

*) aus einer Rezension zum Buch von Jean Baudrillard u. Jean Nouvel: Einzigartige Objekte. Architektur und Philosophie. Zu lesen auf www.kunstforum.de)

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