02/10/2019

Existenz extended

Superstudio (wieder) in Graz

Emil Grubers Empfehlung zur Ausstellung im HDA Graz –
zu sehen bis 08.11.2019

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02/10/2019

Superstudio, 'Liebe Grüße aus Graz von Superstudio' (Ansichtskarte), 1969 – © Superstudio, courtesy Privatsammlung, Berlin

Ausstellungsansicht im HDA

©: Emil Gruber

Ausstellungsansicht 'The Continous Monument Mekka'

©: Emil Gruber

Robin Klengel & Leonhard Müllner: 'Operation Jane Walk' (still), 2018 – © Robin Klengel & Leonhard Müllner, 2019, courtesy by the artists

Stéphanie Roland: 'Phantom Islands (Estotiland)' (still), 2019 – © Stéphanie Roland, 2019, courtesy by the artist

Superstudio (wieder) in Graz

Mit The Continous Monument: An Architectural Model for Total Urbanization brach 1969 Superstudio die langsam ausklingende Wirtschaftswunderwelt auf. Dreimal war die Florentiner Architektengruppe zu Gast in Graz. Ihr gesellschaftspolitisches Manifest gegen bedingungslosen Fortschritt und unreflektierte Kapitalismusgläubigkeit wurde erstmals bei Trigon 69 sichtbar. Nicht Wirtschaft und Technik soll den menschlichen Geist weiterbauen, sondern Wissenschaft, Kunst und Philosophie. Das Grazer Zimmer, ihr Beitrag zu Architektur und Freiheit, so der Titel von Trigon 69, erfuhr internationale Aufmerksamkeit und begründete die Karriere des drei Jahre zuvor gegründeten sechsköpfigen Architekten-Gespanns.
Drei Wege einer schmerzlosen Intervention in der Stadt. Florenz-Graz continued (horizontal). Eine Postkarten-Collage lässt zwei typische Stadtansichten von Florenz und Graz zu einer verschmelzen. Arno und Mur münden zentral ineinander. Bei Trigon 71 – Intermedia Urbana – implementiert Superstudio mehrfach durch Collagen das Continuos Monument in Graz. Markant zieht sich schützend eine hohe Mauer um den Altstadtkern. Als dunkles Mahnmal (oder Wächter?) hebt sich das Elisabeth Hochhaus aus der Stadtlandschaft.
1973 zeigte die Neue Galerie noch in einer Gemeinschaftsausstellung mit Wien und Innsbruck Fragmente aus einem persönlichen Museum. Leben, Erziehung, Zeremonie, Liebe Tod. Fünf Themen des Superstudio.
Nicht alles, das Superstudio nach Graz brachte, wurde bei den Trigon Biennalen präsentiert. Umso erfreulicher Vorentwürfe, Assoziationspapiere und Gedankensprünge von damals erstmals sehen zu können. Für Sorry the file you have requested does not exist im HDA Graz konnte tief in einer reichhaltigen historischen Schatztruhe gewühlt werden. Im Archiv der Neuen Galerie lagern kaum bekannte Collagen und Skizzen zur Vorbereitung der ursprünglichen Ausstellungen im Rahmen von Trigon. 
Gemeinsam mit Traumnovelle, einem belgischen Architektur-Trio, gelang den beiden Berliner Kuratoren Barbara-Brigitte Mak und Ludwig Engel ein Bogen aus der Geschichte in die Gegenwart.
Eine Wand des HDAs ist mit Materialien bestückt, die Superstudio nach Graz brachte. Die gegenüberliegende Wand wieder zeigt Ergebnisse und Rezipieren während und nach den Trigon Schauen.
Im Künstlerhaus Graz konnte im Grazer Zimmer, das einzige Mal ein Ansatz des Continous Monument real begangen werden. Grün war die Grundfarbe der Installation damals, Grün ist dominierend im heurigen steirischen herbst, der wie Future Architecture Platform Kooperationspartner der Ausstellung ist. Eine sympathische Referenz und Koinzidenz.
Green Screens bei Filmaufnahmen sind wieder verortete Ortlosigkeiten, Alles-ist-möglich-Räume. Diese Umgebung der Konstruktion und Dekonstruktion nehmen Traumnovelle als Basis für ihr Weiterdenken des Superstudio-Monuments. Congregation oft he Machines vereint einen virtuellen Sitzkreis mit Videoarbeiten, die in unterschiedlichster Form an das Urprojekt andocken. Wie ein Heiligenschein schwebt die Verkabelung über die Installation, führt zu einem Oval von Monitoren, die miteinander zu kommunizieren scheinen.
Robin Klengel und Leonhard Müller verwenden in ihrem mehrfach preisgekrönten Kurzfilm Operation Jane Walk ein Ego-Shooter-Game als Basis für eine Architekturführung durch ein dystopisches Manhattan. Stephanie Roland „erweitert“ Google Earth um Phantom Islands. Es ist eine Paraphrase auf Fake-News, hier in Form von Inseln, deren Existenz eine Zeitlang vermutet wurde, bis bewiesen werden konnte, dass es sich um Fiktionen handelt. Oder gibt es sie doch?
Den direktesten Beitrag zum historischen Vorbild stellt Bernd Trasberger her. In Superstudio lässt er im Sammlungsdepot der Neuen Galerie vier der Protagonisten des Architekturbüros durch Schauspieler wiederauferstehen. Eine Reflexion über das Vermächtnis einer Idee fünfzig Jahre nach Trigon in Originaltexten von damals.
Der Titel der sehr zu empfehlenden Ausstellung leitet sich übrigens von Google drive her, erzählten die Ausstellungsmacher. Wenn ein in die Wolke hochgeladenes File unauffindbar ist, existiert es laut Gott Google auch nicht.

PS
Diese Ausstellung ist auch ein würdiger Abschied für den langjährigen Leiter des HDA, Markus Bogensberger, der von Anfang November 2013 bis Ende September 2019 die Geschäftsführung innehatte. Ab 1. Oktober 2019 übernimmt er als Nachfolger von Günter Koberg die Baukulturkoordination in der Abteilung 16 - Verkehr und Landeshochbau des Landes Steiermark.

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