28/05/2009

Vom Werden einer Baugruppe – Wohnanlage Metzgerbildstraße, Bregenz, 2000 – 2007

Artikelserie zum Thema Baugruppen der ARGE W:A:B

28/05/2009

Wohnanlage Metzgerbildstraße, Bregenz – Blick in die Anlage

©: Nina Baisch

Wohnanlage Metzgerbildstraße, Bregenz. – Blick von der Straße. Planung: Arch. Gerhard Gruber. Foto: © Nina Baisch

Wohnanlage Metzgerbildstraße, Bregenz - Lageplan. Planung: Arch. Gerhard Gruber

Wohnanlage Metzgerbildstraße, Bregenz – Wohnmodul. Planung: Arch. Gerhard Gruber

Wohnanlage Metzgerbildstraße, Bregenz – Untergeschoss. Planung: Arch. Gerhard Gruber

Wohnanlage Metzgerbildstraße, Bregenz – Erdgeschoss. Planung: Arch. Gerhard Gruber

Wohnanlage Metzgerbildstraße, Bregenz – 1.Obergeschoss. Planung: Arch. Gerhard Gruber

Wohnanlage Metzgerbildstraße, Bregenz – 2.Obergeschoss. Planung: Arch. Gerhard Gruber

Wohnanlage Metzgerbildstraße, Bregenz – Schnitt. Planung: Arch. Gerhard Gruber

Vom Werden einer Baugruppe

Ein Projekt, das nicht als Baugruppenprojekt begann, sondern erst im Laufe des Prozesses zu einem solchen wurde. Erfahrungsbericht von Bernhard Steger.

Zur Ausgangslage: Wir, ich und drei meiner Geschwister, erbten gemeinsam ein ca. 2.300m² großes Grundstück in zentraler Lage in Bregenz, ruhig und in grüner Umgebung. Die persönlichen Bedürfnisse jedoch waren sehr unterschiedlich und eine gemeinsame Lösung zunächst nicht zu finden. Wir entschieden uns deshalb, bei den Architekten Gerhard Gruber und Roland Gnaiger eine Bebauungsstudie in Auftrag zu geben. Diese sollte neben der städtebaulichen Anordnung der Baumassen auch eine Antwort auf die sehr unterschiedlichen Anforderungen geben.

Die Studie empfahl unter der vollen Ausnützung der möglichen Dichte (Vorgabe der Stadt war eine Dichte von 0,62) vier dreigeschossige Baukörper mit je ca. 300m² Wohnfläche, orientiert um einen gemeinsamen, halböffentlichen Hof. Die Häuser selber wiederum sollten aus 50m² großen Wohn-Modulen bestehen (je zwei pro Geschoß), die miteinander und über eine innenliegende Treppe auch über zwei Geschosse kombinierbar sind. Durch dieses System war eine große Flexibilität im Hinblick auf die Wohnungsgrößen gegeben, was unseren Anforderungen sehr entgegen kam. Es ließ sowohl eine große Wohnung (150m²) mit großem Gartenanteil zu, wie auch eine Dachwohnung mit angeschlossenem Büro oder die vermietbare Vorsorgewohnung.

Die vorgeschlagene Wohnfläche war wesentlich größer als der eigene Bedarf. Es bedurfte viele Monate der Diskussion und Auseinandersetzung bis wir schließlich von diesem Konzept überzeugt waren. Doch ein Punkt blieb offen: nur für rund die Hälfte der projektierten Nutzfläche bestand Eigenbedarf. Da aber keiner von uns die finanzielle Möglichkeit hatte, den Rest privat vorzufinanzieren, nahmen wir mit einer privaten Wohnbaugesellschaft Kontakt auf. Wir fragten, ob und wie eine gemeinsame Errichtung möglich wäre. Die Wohnbaugesellschaft schlug ein Modell vor, welches bereits bei einem ähnlich gelagerten Fall erfolgreich praktiziert wurde: Sie würde uns das gesamte Grundstück abkaufen und das von uns inhaltlich entwickelte Projekt zur Gänze errichten und uns die Wohnungen dann wieder verkaufen und den Rest selbst verwerten. Dieses Modell hätte den Vorteil gehabt, dass sämtliche Risiken vom Bauträger getragen worden wären. Doch andererseits hätten wir die Entscheidungskompetenz relativ früh aus der Hand gegeben. Auch wenn uns weitreichende Mitbestimmungsmöglichkeiten eingeräumt wurden, hatten wir doch Angst, zu viel Gestaltungsmöglichkeit abzugeben. Zudem sahen wir das Verwertungsrisiko auf Grund der Lagegunst als vertretbar an.

So entstand die Idee der Errichtung als Errichtergemeinschaft, also die eigenverantwortliche Errichtung durch die Eigentümer. Allerdings wollten wir die Entscheidung über die inhaltliche Ausrichtung noch unter uns vieren ausmachen. Wir entwickelten gemeinsam mit den Architekten ein baureifes Projekt. Auf Basis dieses Projektes wurden die Nutzwerteinheiten jeder Wohnung festlegt und damit dann potentielle Miterrichter gesucht. Diesen wurde ein Grundstücksanteil angeboten mit der Auflage, dass sie sich am gemeinsamen Projekt auf eigene Kosten und eigenes Risiko beteiligen. Aus steuerlichen Gründen war es sinnvoll, dies bereits vor der behördlichen Einreichung zu machen, denn nur so konnte einem allfälligen Einwand des Finanzamtes entgegnet werden, dass die Grunderwerbssteuer nicht nur für das Grundstück, sondern auch für das Gebäude zu zahlen sei. Diese Vorgangsweise barg jedoch auch ein gewisses Risiko für alle Beteiligten: der Plan, auf dem die Parifizierung beruhte, war noch nicht behördlich bewilligt, trotzdem musste darauf aufbauend der Grundverkauf vertraglich fixiert werden. Hätte man allerdings auf den gültigen Baubescheid gewartet, wäre das beschriebene steuerliche Problem schlagend geworden. Durch Vorabklärungen mit der Baubehörde wurde versucht, dieses Risiko zu minimieren, letztlich war hier aber ein Vertrauensvorschuss aller Beteiligten notwendig.
Zwischen allen Miterrichtern wurde ein Errichtervertrag unterzeichnet, der deren Rechte und Pflichten festlegte. Diese vertragliche Regelung war in weitere Folge sehr wichtig, als zwei Parteien nach Erteilung der Baubewilligung wieder aussteigen wollten. Laut Vertrag war dies eigentlich nicht möglich. Daher war eine Zustimmung aller zum Ausstieg notwendig und es konnten Bedingungen formuliert werden, die negative finanzielle Folgen der restlichen Errichtergemeinschaft vermieden und den Einfluss darüber, wer deren Grundanteile kaufen konnte, sicherstellten.

Ersatz für die ausgestiegenen Miterrichter zu finden war dann doch etwas schwieriger als ursprünglich gedacht. Erschwert wurde die Suche auch dadurch, dass wir keine fixen Kosten angeben konnten. Wir hatten zwar eine genaue Kostenschätzung in Auftrag gegeben, aber natürlich konnten wir diese Kosten nicht garantieren. Bei diesem Punkt biss sich die Katze immer wieder in den Schwanz. Einerseits wollten die Interessenten möglichst genau wissen, wie viel ihre Wohnung kosten würde, gleichzeitig waren ihnen Mitbestimmungs- und Änderungsmöglichkeiten sehr wichtig. Die Gleichung: „Je mehr Mitbestimmung desto mehr Kostenrisiko“ war für viele ein nicht aufzulösender Widerspruch.

Hilfreich war in diesem Zusammenhang die Internetplattform www.parq.at. Diese Plattform versteht sich als Kommunikationsplattform zwischen Architekten und zukünftigen Bewohnern. Sie war aber auch sehr gut geeignet, das Projekt vorzustellen. (Die Projektvorstellung steht noch immer online und kann dort angesehen werden) Die Plattform unterstützte den Planungsprozess auch in der weiteren Folge, wobei sie mehr als Dateienpool denn als Kommunikationsplattform genutzt wurde.

Wir hatten keine besonderen sozialen oder gesellschaftspolitischen Ansprüche mit der Errichtung als Errichtergemeinschaft verknüpft. Wir wollten einfach nur selbstbestimmt unsere Wohnungen bauen. Deshalb waren wir auch der Meinung, dass sich auch durch die zusätzlichen Menschen im Bauablauf wenig ändern würde. Doch weit gefehlt: Durch die neuen Miterrichter erhielt der Prozess eine ganz neue Dynamik. Wir hatten unterschätzt, wie viele Entscheidungen trotz eines an sich fertigen Projektes noch zu treffen waren. Und natürlich wollten sich die neuen Miterrichter gleichberechtigt an dieser Diskussion beteiligen. Dieser Prozess war auch oft mühsam; es galt unterschiedliche soziale Erwartungen ebenso zu vereinen wie verschiedene gestalterische Vorstellungen und finanzielle Möglichkeiten. Doch diese Diskussionen waren eine Investition in die Zukunft, denn sie waren oft nur vorgezogene soziale Lernprozesse, die in anderen Fällen erst nach Bezug der Wohnungen stattfinden.
Um aber eine gewisse Effizienz im Bauablauf gewährleisten zu können, wurde eine Vertretung der Gruppe mit dem täglichen Geschäft beauftragt. Diese Personen, mit denen auch ein Baubetreuungsvertrag abgeschlossen wurde, nahmen nun die laufende Arbeit wahr und informierten die Gruppe per email und bei regelmäßigen Treffen über den Stand der Dinge. Bei diesen Treffen wurden auch Fragen mit sehr weitreichenden Folgen und/oder die eine gewisse finanzielle Grenze überschritten (bspw. Bauaufträge über 50.000€) diskutiert und freigegeben.

Vor zwei Jahren, im Juni 2007 wurden die ersten Wohnungen bezogen. Bisher ist das Konzept voll aufgegangen. Es entstanden 12 in Ausstattung und Größe ganz unterschiedliche Wohnungen. Ein paar Wohnungen sind vermietet, die anderen von den Eigentümern bewohnt. Die Verwaltung und die Pflege der allgemeinen Flächen werden von den Bewohnern selbst erledigt, die gemeinschaftlichen Räume wie Hof, Spielplatz oder Gemeinschaftsraum werden von den Bewohnern intensiv genutzt.
Es ist das Projekt einer Baugruppe, das nicht als solches begann, aber dann zu einer Bewohnergruppe wurde, die davon profitiert, dass nicht die Bestimmungen dominieren, die die Errichtung oder die Verwaltung vereinfachen, sondern die das Wohnen angenehmer machen.

PROJEKTDATEN:
Standort: Metzgerbildstraße 8, Bregenz
Bauherr: Eigentümergemeinschaft Steger
Architekt: Gerhard Gruber, Roland Gnaiger
Architekturbüro Wimmer – Armellini
Statikerin: Mader/Flatz
Grünraumplaner: Markus Cukrowicz
HLS Planer Bernd Kraus, Thomas Hammerer, E-Plus

Planungsdaten:
Planungsbeginn: 2000
Planungsende: 2007
Bauzeit: 2006-2007
Objektdaten
Grundstücksfläche: 2308m²
Bruttogeschoßfläche: 1447m²
Bebaute Fläche: 633m²
Nutzfläche: 1146m²
Umbauter Raum: 4368m²
Gesamtwohnungsanzahl: 12

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