09/09/2009
09/09/2009

Forschungszentrum Leoben vor der Sanierung

©: J.J. Kucek

Forschungszentrum Leoben während der Sanierung. Fotos: J.J. Kucek

Der Falter erscheint wöchentlich, jeweils mittwochs.

Ein zentrales Bauwerk zeitgenössischer Architektur der Steiermark ist Geschichte. Das FRZ Leoben von Eilfried Huth wurde zu Tode saniert. Wie konnte das passieren?

Es war eine wundersame Wirtschaftsepoche – die späten Sechziger-, die frühen Siebzigerjahre des vorigen Jahrhunderts: Die „Verstaatlichte Industrie“ war damals noch der Stolz der Nation, die Stahlwerke der Obersteiermark warfen genug Gewinne ab, um die Menschen der gesamte Region zu versorgen, das Wort Ölschock war noch nicht erfunden, und Computer hatten die Größe von Einfamilienhäusern. Damals erhielt der junge Architekt Eilfried Huth den Auftrag, für die Alpine Montangesellschaft in Leoben ein Forschungs- und Rechenzentrum zu entwerfen.

Der Bau sollte ordentlich was hermachen, denn die Alpine stand zu dieser Zeit noch in regem Wettbewerb zu den Stahlkochern der Voest in Linz. Ein „Prestigeobjekt“ sollte es werden, erinnert sich Huth in seinem Atelier am Grazer Opernring. Und das wurde es auch. Die Fotos und Dias, die Huth zu Hunderten sorgfältig auf seinen Arbeitstischen ausgelegt hat, dokumentieren die monumentale Eleganz des Baus: die archaische Fassade aus natürlich rostendem Corten-Stahl, die feinstrukturierten Sonnenblenden, die drei luftig vom Kern abgehängten Geschosse der Forschungsinstitute; an der Basis flankiert von einer Prüfhalle, in der Gusserzeugnisse aus Donawitz Zerreissproben unterzogen wurden, und einem Rechenzentrum, das mit Riesencomputern möbliert war.

„Hier wurde der Fortschritt der Technik gefeiert“, sagt Dietmar Steiner, Direktor des Wiener Architekturzentrums. Für ihn stellt Huths „FRZ“ eines der wenigen hervorragenden Beispiele aus dieser Epoche in Österreich dar. „Von der Philosophie her ist der Bau mit dem Pariser Centre Pompidou vergleichbar“, sagt er. Oder mit Ernst Hiesmayrs Juridicum in Wien. Von einem „Meilenstein der steirischen Architektur“ spricht der aktuelle Tourismus-Führer „Moderne Architektur Steiermark“. Man wird die Broschüre und die Architekturgeschichtsbücher demnächst überarbeiten müssen. Denn das Baudenkmal, das einst den europäischen Stahlbaupreis gewann und im Museum of Modern Art in New York ausgestellt war, wurde zu Tode saniert. Warum hat das niemand verhindert?

„Es ist eine verzwickte Geschichte“, seufzt Eilfried Huth. Und sie erinnert ein wenig an die Diskussion über Roland Reiners ORF-Zentrum am Küniglberg. Auch in Leoben wurden hohe Sanierungskosten gegen den Erhalt des Baudenkmals in seiner ursprünglichen Form ins Treffen geführt. Mit dem Unterschied, dass diese Diskussion in Leoben gar nicht erst öffentlich geführt wurde, obwohl Huth frühzeitig Alarm schlug (Falter 51-52/2007).

Auch reicht die Leidensgeschichte des FRZ weiter zurück. Schon bald nach der Fusion der beiden Stahlunternehmen zur Voest-Alpine wurde der 1974 fertiggestellte Bau zum „ungeliebten Kind“, wie Huth meint. 1994 wurde das FRZ an einen Immobilienentwickler verkauft, der wenige Jahre später pleite ging, lange Zeit fand sich kein neuer Nutzer. Und vor Ort wurde das „Rost-Schwammerl“ – die Leobener habe das nicht liebevoll gemeint – zusehends als Störfakor im Stadtbild empfunden.

Mit den Plänen der Montanuni, ihre Institute für Kunststofftechnik in einem Gebäude zu bündeln, kam dann Bewegung in die Sache. Der private Entwickler Saturn kaufte das FRZ und begann für die Uni mit der Sanierung. Das Besondere daran: „Der neue Besitzer hat alle eingebunden, die eventuell Widerstand hätten leisten können“, sagt Huth. Auch er selbst wurde mittels Konsulentenvertrag in die Planung einbezogen, nachdem das Bundesdenkmalamt das gründerzeitliche Josefee-Ensemble – das FRZ ist zufällig ein Teil davon – in letzter Minute unter Schutz gestellt hatte. „Dann wurde in einer Art scheibchenweisen Demontage das Gebäude filettiert“, sagt Huth. „Bei jeder Besprechung wurde mir irgendeine neue Horrormeldung mitgeteilt.“ Teile der Fassadendämmung enthielten Asbest, andere seien verrostet, wurde Huth gesagt, der danach verzweifelt versuchte, wenigstens den Charakter des Baus zu erhalten. Er konstruierte neue Photovoltaik-Elemente, die anstelle der Sonnenblenden die feingliedrige Fassade bewahren sollten, versuchte, die Corten-Verkleidung zu retten, kämpfte gegen die von Saturn vorgeschlagene völlig glatte Außenhaut, beharrte auf dem ursprünglichen Farbkonzept.

Viele der Vorschläge wurden als unrentabel abgeschmettert. „Ich habe am Ende bemerkt, dass ich ein bisserl eingekauft wurde. Vielleicht habe ich das Allerärgste verhindert, aber natürlich hat es mir jedes Mal weh getan“, sagt Huth. Wolfgang Ecker-Eckhofen von Saturn: „Natürlich musste das Projekt wirtschaftlich sein. Und durch die Einbindung des Architekten hatten wir eine bessere Gesprächsbasis mit den Behörden, die den Bau als sensibel einschätzten.“

Besonders traurig für Huth: „Ich stelle fest, das alle meine wichtigen Bauten sukzessive verschwinden. Nur die Siedlungen werden immer schöner.“ Und tatsächlich: Der
Eingangsbereich der Sparkasse Deutschlandsberg wurde zuletzt ohne Huths Wissen demontiert, der gemeinsam mit Günther Domenig realisierte Pavillon in der Olympia-Schwimmhalle in München ist weg, das „U-Boot“ in Graz-St. Peter steht zwar unter Denkmalschutz, wird aber auch im Zuge des Neubaus der Landesberufsschule nicht saniert. Nur das Sichtbetonmonument der Pädak in Eggenberg, ein weiterer zentraler, mit Domenig verwirklichter Bau der „Grazer Schule“, erhält mit dem Grazer Gibs nächstes Jahr einen neuen Nutzer in weitgehend ursprünglichem Ambiente.

Dietmar Steiner vom AZW ist derzeit häufig mit ähnlichen Fällen konfrontiert. „Das FRZ ist ein weiterer Siebzigerjahrebau, der unter verzweifelter Zustimmung des Architekten den neuen Wärmedämmvorschriften geopfert wurde. Mit dem Original hat das nichts mehr zu tun.“ Und der Denkmalschutz arbeite sich erst langsam an das „new heritage“ heran. Auch für den Landeskonservator Christian Brugger ist der Umgang mit dieser Epoche ein offenes Problem: „Dass das FRZ ein Dokument der Siebziger ist, ist klar. Aber wie gehe ich damit um? Es gibt keinen fixen Kanon für jüngere Bauten.“

Eilfried Huth steht jedenfalls unter Schock. „Maria und Josef!“, ruft er aus, als er erstmals ein Foto vom derzeitigen Stand der Bauarbeiten sieht. Seit einem halben Jahr hat er von Saturn nichts mehr gehört. „Vielleicht wäre es besser gewesen, die Ruine stehen zu lassen. Sie wäre noch Jahrzehnte so gestanden.“

Thomas Wolkinger, Bericht; erschienen im Falter Stmk. 37/09
ute angeringer-mmadu

Vorab: Was sich in Leoben in natura präsentiert spottet jeder Beschreibung und selbst Fotos bilden das wahre Schicksal des Forschungszentrums nicht annähernd ab!
Der Denkmalschutz wird sich bald etwas überlegen müssen, wie mit dem architektonischen Erbe der 2. Hälfte des 20. Jahrhunders umzugehen sein wird, andernfalls braucht er gar nichts mehr zu überlegen, weil es keines mehr gibt.
Was noch aufgefallen ist: Da hat sich wohl ein Fehler in die Zuschreibung eingeschlichen: Das Forschungszentrum ist ein Projekt von Domenig / Huth.

Mo. 14/09/2009 1:10 Permalink
g. strempfl-ledl / Int. Städteforum Graz und Europa Nostra A

Der Denkmalschutzgedanke scheint in Österreich leider noch immer im falschen Jahrhundert angesiedelt zu sein. Das führt dazu, dass wertvollste Architektur des gesamten 20. Jhdts. ungehindert zerstört werden kann, von der Architektur nach dem 2 WK gar nicht zu reden.
Leider folgt Österreich hier nicht dem positiven Beispiel der Schweiz, die längst damit begonnen hat Bauten ab den 1970er Jahren unter Schutz zu stellen,um die qualitätsvollste Architektur erhalten zu können, nicht die "noch übriggebliebenen Reste" einer Epoche.
Selbst die internationale NGO Europa Nostra arbeitet schon an der Erhaltung des Bauerbes nach dem 2. WK.
2008 hat z.B. die Stadt Tapiola in Finnland (eine Gartenstadt, die ab 1953 erbaut wurde u.a. von Aalto, Ervi u.v.a.) für die hervorragende Restaurierung des Schwimmbades von Aarne Ervi (erb. ab 1965) eine Auszeichnung erhalten.
In der Steiermark gäbe es noch einige architektonische Beispiele aus den späten 1960er und 70er Jahren, die schützenswert wären. Es ist jedoch nicht anzunehmen, dass die Verantwortlichen kleinerer Städte- und Gemeinden den Wert z.B einer Badeanlage aus dieser Zeit erkennen und zu deren Erhaltung beitragen werden. Von öffentlicher Seite werden sie dazu im besten Falle nur angehalten, wenn zuvor engagierte Personen auf eigene Kosten Initiativen setzen!
Vielleicht stört im geforderten Engagement ja der Begriff "Denkmal"-schutz um zu erkennen, dass jedes Jahrzehnt qualitätvolle und damit erhaltenswerte Architektur produziert!

Fr. 18/09/2009 11:10 Permalink
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