22/10/2009
22/10/2009

Annenstraße in Graz. Foto: Elisabeth Lechner

Wie die Grazer Annenstraße trotz angedrohtem ECE zu retten sei, beantwortet Wirtschafts-StR. Sonja Grabner „… mit dem ECE …“ in einem Interview. Erfahrungen mit ECE in Kapfenberg oder Klagenfurt, das den Einzelhandel im Umkreis der Zentren de facto erledigt hat, werden weiterhin beinhart ignoriert. Auch im Einkaufszentrum Annenpassage steht inzwischen die Hälfte der Geschäftsflächen leer und gerade hat gegenüber das Einkaufszentrum im Bahnhof eröffnet. Dass schon vor Jahren ein Shopping-Center im gegenüber liegenden Haus des Bauamts verhungert ist, haben wir schon fast vergessen.

In Graz besteht jetzt schon pro Einwohner der größte Flächenanteil an Einkaufszentren in Österreich, etwa 400 Geschäftslokale in der Stadt stehen dagegen leer. Die besonders angeschlagene Jakoministraße soll durch Ansiedlung von „Kreativen“ (wer immer die sind), „Architekten, Dienstleistern und Künstlern“ belebt werden (Vorschläge des Künstlerkollektivs rhizom, ebendort ansässig, finden bis zum heutigen Tag kein Gehör); „Showrooms“ sollen installiert werden und in verwaisten Geschäftslokalen „Abstellplätze für Radfahrer“ geschaffen werden. Gut, die Stadträtin mit „FH/Campus 02-Diplom „Marketing“ für Berufstätige“ meinte wohl Abstellplätze für Fahrräder. Zudem soll die Jakoministraße „heuer aber endlich auch mit Weihnachtsbeleuchtung“ ausgestattet werden. Sichtlich ist Frau Grabner bemüht, etwas zu tun.

Gleich einem Affront kommt jetzt aber die jüngste Idee, präsentiert von City Manager Heimo Maieritsch und Stadträtin Grabner. „Die Grazer Kaufleute sollen die Nase vorn haben“ wird sie in der Kleinen Zeitung vom 13. Oktober zitiert. In Coachings um die Themen Reklamation, Kundenberatung und Warenpräsentation sollen die Händler ihr Geschäft lernen. Experten der arco-group haben ein „Package“ gepackt, nachdem Kaufleuten zum Preis von läppischen 650 Euro das Verkaufen gelehrt wird. City Management und Wirtschaftskammer fördern mit jeweils 300 Euro – eine Mezzie! Teilnehmern wird ein „Check“ durch Mystery-Shopper in Aussicht gestellt, die einen Stärken-Schwächen-Katalog erstellen, abschließend gibt es eine Qualitätskontrolle. 1000 Grazer Händler werden im November schriftlich zu einer „Kick-off-Veranstaltung“ eingeladen. – Und wenn sie’s danach immer noch nicht können, werden sie wohl selbst daran schuld sein, wenn der Innenstadthandel gänzlich die Mur runtergeht, um sich Auffangrechen des „Design-Kraftwerks“ wiederzufinden.

Verfasser/in:
Wenzel Mracek, Kommentar
Wenzel Mracek

Sehr geehrter Herr Kahlert,
betreffend ECE, Cityarkaden in Klagenfurt sind die dort schon etliche Schritte weiter. Auf dem heutigen Areal der ECE stand ehemals die Schuhfrabrik Neuner. Nach deren Konkurs wurden in dem Komplex etliche Geschäfts- und Werkstättenflächen verpachtet. Ich habe dort in den Ferien z. B. bei der Firma AEG gewerkt, die es auch schon lange nicht mehr gibt und deren Pleite den Methoden der Globalisierung zugute/zuschanden gehalten werden kann. Das war so zusagen am Ort der jetztigen Mall, während im Außenbereich - ich kann's Ihnen im Detail und namentlich nicht mehr aufzählen, immerhin damals üblicher Einzelhandel bestand. Davon ist keine Rede mehr, über Leerstände ist man weit hinaus, die erinnerten Geschäftslokale gibt es überhaupt nicht mehr. Natürlich besteht auf dem Alten Platz und in der Kramergasse noch etliches. Aber gehen Sie auf den nahen Heuplatz vor der Stadtpfarrkirche oder nach Osten in die Bahnhofstraße. Dort werden Sie die Leerstände finden.
MfG
Wenzel Mracek

So. 25/10/2009 6:15 Permalink
S. Rechberger

Weiterbildung und Bildung tut not - allerdings bei jenen die für Stadtentwicklung und Verkehrsplanung verantwortlich zeichnen. Die hektarweise Ausweisung von Handelsflächen, vielfach versteckt unter dem Titel "optionale Nutzung" und somit auch in der Flächenbilanz nicht als Handelsflächen aufscheinend, sowie die sinnentleerten Parkplatzvernichtungsaktionen unter dem Deckmantel der Verkehrssicherheit sind nicht dazu angetan eine sinnhafte Stadtentwicklung sowie ein lebenswertes Stadtgefühl aufkommen zu lassen. Durch die vielfach unnötige Verbarrikardierung von Pkw-Stellflächen wird unnötig Parksuchverkehr produziert. Die öffentlichen Verkehrsmittel als Zubringer für zentrale Lagen sind eine Zumutung und zu den sich stetig ausweitenden Stoßzeiten kaum mehr benutzbar, da vollkommen überfüllt. Der Kfz-Stellplatzmangel führt auch dazu, dass Geh- und Radwege als Ersatz auserkoren werden, was natürlich toll zum Flanieren einlädt, wenn man z.B. gerade in der Jakoministraße diese per pedes oftmals nur mehr auf der Schienentrasse benutzen kann.
Die Fehlentwicklung in der Stadt- und Verkehrsfplanung wird munter fortgeführt, während sich die Verantwortlichen an den Geschädigten, hier die Kaufleute im Zentrum, abputzen.
Es ist ein permanenter Skandal, wie Graz vorsätzlich in jeder Hinsicht in den Ruin gelenkt wird und sich die verantwortlichen Herrschaften, allen voran ein Bürger(?)meister Nagl, dafür auch noch belobigen lassen wollen.
Graz ist keine City of Design, Graz ist eine City of Shame!

So. 25/10/2009 8:18 Permalink
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