04/04/2011

Architekturikone mit neuem Leben erfüllt
Die denkmalgeschützte PÄDAK von Günter Domenig und Eilfried Huth wurde behutsam umgebaut und saniert

PROJEKTDATEN
Um- und Zubau der ehemaligen Kirchlich-Pädagogischen Akademie
Standort
Georgigasse 85, 8020 Graz
Bauherr
Kirchlicher Vermögensfonds der Diözese Graz-Seckau
Mieter
Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur
Nutzer
GIBS (Graz International Bilingual School)
Planung
Architekturbüro Goltnik ZT-GmbH

BGF: 5800 m2 (Umbau)/1000 m2 (Zubau)
Netto-Baukosten: 7,5 Mio €
Planungs- und Bauzeit: 2008 – 2010

04/04/2011

Pädagogische Akademie (PÄDAK) in Graz-Eggenberg, 1969 fertiggestellt

Architektur: Günther Domenig, Eilfried Huth©: Martin Grabner

Der Vorplatz. Hier, von der Georgigasse aus zeigt sich die umbebaute Pädagogische Akademie unverändert. (Foto: Martin Grabner)

Die zentrale Halle um den Treppenturm ist durch das zusätzliches Lichtsystem an der Decke und die in die Treppe integrierte Beleuchtung deutlich heller. (Foto: Martin Grabner)

Die Treppe im obersten Geschoß. Durch den Handlauf wird die heute vorgeschriebene Brüstungshöhe erreicht. (Foto: Martin Grabner)

Die Treppe nach der Erbauung der PÄDAK (1964-69). (Foto Archiv Eilfried Huth)

Die Vorbereiche der Klassen wurden aus Brandschutzgründen abgetrennt und fungieren nun als Gruppenräume. (Foto: Martin Grabner)

In einer Klasse: Das ursprüngliche Lichtsystem wurde durch ein neues ergänzt. Die originale Holzvertäfelung gereinigt, die Fenster restauriert. (Foto: Martin Grabner)

Neben den neuen Lichtschaltern in den weißen Friesen wurden die originalen in den ursprünglichen Holztürstöcken belassen. (Foto: Martin Grabner)

Die Deckenfriese breiten sich vom Zubau (im Vordergrund) ausgehend in das Bestandsgebäude aus. (Rendering: Architekt Goltnik)

Auch die Kunst am Bau von Barna von Sartory legt sich wie ein Netz über das Areal, wie hier die Brunnenanlage. (Foto Archiv Eilfried Huth)

Die alten Türgriffe am Eingang wurden vom Architekten in letzter Sekunde vor der Zerstörung gerettet. (Foto: Martin Grabner)

Erdgeschoß-Grundriss des Um- und Zubaus. (Darstellung: Architekt Goltnik)

W-O Schnitt durch den Zubau. (Darstellung: Architekt Goltnik)

Grundriss der ersten Obergeschoßes des Um- und Zubaus. (Darstellung: Architekt Goltnik)

Ansicht des Zubaus von SO. (Foto: Martin Grabner)

Ansicht des geschlossenen Treppenturms des Zubaus von SW. (Foto: Martin Grabner)

Drei Generationen: Links das barocke Tor des Schlosspark Eggenberg, rechts der Domenig/Huth-Bau und in der Mitte der Zubau von Architekt Goltnik. (Foto: Martin Grabner)

Die sägeraue Holzoberfläche wird sich mit der Zeit dem Grau des Sichtbetons annähern. (Foto: Martin Grabner)

Im Stiegenhaus des Zubaus: Die Eckfenster zitieren die Fenster des Bestandgebäudes. (Foto: Martin Grabner)

Auch durch das neue Stiegenhaus zieht sich ein Lichtband. Durch das Fenster schaut man auf das historische Tor. (Foto: Martin Grabner)

Zwischen den Generationen und Oberflächen. (Foto: Martin Grabner)

Das Originalmodell von Domenig und Huth. Dort wo heute der Zubau steht planten sie eine Kapelle/Bibliothek. (Foto: Archiv Eilfried Huth)

Der Lageplan des ursprünglichen Ensembles. (Darstellung: Domenig/Huth)

Kinder, die wenige Sekunden nach dem Pausenläuten aus den Klassen stürmen, Burschen, die noch eilig die Hausübung abschreiben und junge Mädchen, die sich gegenseitig das Neueste über den Freund vom Freund ihrer besten Freundin erzählen – den meisten ist wohl nicht bewusst, dass sie ihre Pause in einem Architekturdenkmal verbringen. Und das muss es auch nicht, denn gute Architektur soll einfach Raum zum Leben schaffen. Die Pädagogische Akademie (PÄDAK) in Graz-Eggenberg tut das seit 1969, seit Günther Domenig und Eilfried Huth das zugleich radikal-formalistische und durchdacht-funktionalistische Monument des Brutalismus als einen ihrer ersten Bauten fertig stellten.
Dass heute lebendiges Treiben zwischen den Sichtbetonwänden herrscht, kann von Optimisten als kleiner Durchbruch im Umgang mit Gebäuden der Sechziger- und Siebzigerjahre gedeutet werden, von Pessimisten als glückliche Ausnahme. Denn in den letzten Jahren wurden viele Werke dieser Zeit zerstört oder verunstaltet, auch die Arbeit von Huth und Domenig blieb davon nicht verschont. Das 1974 fertiggestellte Forschungs- und Rechenzentrum Leoben wurde durch einen wenig sensiblen Umbau zu Tode saniert. Viele Vorschläge Huths, wie der Charakter des, unter Ensembleschutz stehenden Gebäudes zu retten sei, wurden mit Kostenargumenten abgeschmettert. Im September 2010 wurde mit der Rampe von Domenigs Erweiterungsbau der TU Graz (1978-1993) ein integraler Bestandteil des Entwurfs in aller Öffentlichkeit „still und heimlich“ abgerissen (GAT berichtete). Auch was mit dem Jugendzentrum „Uboot“ im St. Peter-Schulzentrum passieren wird, ist unklar, da das, unter Denkmalschutz stehende Gebäude wegen angeblicher Baufälligkeit im Wettbewerb „freigegeben“ wurde. Nach und nach droht so das baukulturelle Erbe unserer jüngeren Geschichte unwiederbringlich zu verschwinden. Obwohl nun schon seit mehreren Jahren, nicht nur von Architekten, immer wieder eingemahnt, scheint sich bei den verantwortlichen Stellen das Bewusstsein um die Verantwortung für die Werke dieser so wesentlichen Epoche nur sehr langsam einzustellen. Mit der Gefahr, dass es bald nichts mehr zu schützen gibt.

Umso erfreulicher ist es, dass die denkmalgeschützte PÄDAK nicht nur erhalten, sondern nach einem behutsamen Umbau in ihrem ursprünglichen Sinn genutzt wird. Seit Herbst 2010 werden hier die Schülerinnen und Schüler der GIBS, der Graz International Bilingual School, unterrichtet. Den Auftrag für den Umbau und den notwendigen Zubau bekam 2008 Architekt Wladimir Goltnik, der in weiterer Folge vom Eigentümer, der Diözese Graz-Seckau, mit dem Umbau des gesamten Ensembles beauftragt wurde. Die ehemalige Übungsvolksschule beherbergt heute zwei Kindergärten und im Internat entstehen bis Herbst 2011 neue Wohnungen. Zwar wurde Eilfried Huth, für den das Gebäude aus vielen Gründen wichtig ist – der Auftrag finanzierte übrigens auch die Arbeit an utopischen Projekten wie der Überbauung Ragnitz – erst im Laufe der Planung einbezogen, der vor kurzem 80 gewordene Architekt ist mit dem Ergebnis aber durchaus zufrieden. Auch Goltnik betont ausdrücklich den Wert der Gespräche mit Huth über Konzept und Charakter des Gebäudes und mögliche Adaptionen. Einig sind sich beide Architekten im Lob für den Kirchlichen Vermögensfonds als Bauherren, der, sobald von einer Idee überzeugt, mit aller Kraft hinter deren Umsetzung steht. Vor 45 Jahren genauso wie heute.

Alle notwendigen Eingriffe in den Bestand, etwa um Beleuchtung und Brandschutz auf den heutigen Stand zu bringen, stehen unter der Prämisse, den Charakter des Sichtbetonbaus zu erhalten. So wurden die bestehenden, in die Betondecken eingepassten, Beleuchtungskörper erhalten und ein zeitgemäßes Lichtsystem als neuer Layer abgehängt. Alle neuen Installationen laufen in weißen Friesen, die sich vom Zubau ausgehend in den Bestand ausbreiten und sich deutlich vom Sichtbeton absetzen. Die, vom Gebäude unabhängige Struktur erinnert an die künstlerischen Interventionen von Barna von Sartory, die sich, platziert an den Schnittstellen einer Gegenstruktur mit der Struktur des Gebäudes, wie ein Netz über das ganze Areal legen, anstatt, wie sonst bei Kunst am Bau leider oft üblich, einfach kontextlos an das Gebäude geklebt zu sein.

Am zentralen Treppenturm musste die Brüstung erhöht werden, was in Form eines markanten Handlaufs aus Holz geschah, der sich an dem in der ehemaligen Übungsschule orientiert. Das integrierte Lichtband und zusätzliche Strahler in der Lichtkuppel machen die Stiegen heller und setzen die rohe Materialität und die klare Formensprache in Szene. Die Sichtbetonoberflächen im ganzen Gebäude wurden von zwischenzeitlichen Installationen befreit und von neuen freigehalten. Die Fluchtwegleuchten sind in das Lichtband der Treppe integriert, die Lichtschalter in die weißen Friese. An vielen Stellen finden sich neben den neuen Lichtschaltern noch die originalen, vom Stromnetz getrennten Schalter und die alten Schulglocken, die alle in die breiten Türstöcke aus Holz integriert waren. Die radikale Konsequenz des Originals – bei der Erbauung musste kein einziges Mal gestemmt werden, wie Huth ein wenig stolz erzählt – erinnert unweigerlich an die minimalistische Perfektion eines Tadao Ando, allerdings schon 20 Jahre früher.

Um den Brandschutzbestimmungen zu genügen, mussten die Vorbereiche der Klassen durch Glastüren und -wände von der zentralen Halle getrennt werden, sie fügen sich jedoch als Gruppenräume gut in ein modernes pädagogische Konzept. Die bestehenden Fensterstöcke und -rahmen aus Holz wurden erhalten, sie erhielten allerdings eine neue Isolierverglasung. Obwohl der originale Wandaufbau (25cm Beton und 5cm Heraklitdämmung unter einer hinterlüfteten Holzvertäfelung) am Papier für heutige Verhältnisse katastrophale Energiewerte aufweist, ergibt sich insgesamt ein niedriger Heizwärmebedarf, was an der großen Speichermasse der Sichtbetondecken und Gussasphaltböden liegt.

Der Zubau dockt mit einem zweiten Stiegenhaus und einem Aufzug an die Südseite des Gebäudes an, wo schon Huth und Domenig im Wettbewerb eine Kirche platziert hatten, die dann aber nicht realisiert wurde. Wie beim Bestand handelt es sich um eine Stahlbetonkonstruktion, allerdings mit Außendämmung und einer Beplankung aus sägerauem Lärchenholz. Dieses spiegelt die, von der Schalung bestimmte Oberfläche des Sichtbetons wider und wird sich durch die Witterung mit den Jahren farblich an den Bestand anpassen. Innen dominiert auch im Zubau Sichtbeton, hier allerdings mit der Zeichnung einer Industrieschalung aus OSB-Platten. Die weißen Böden invertieren den schwarzen Asphaltboden des Bestandes. Der Baukörper orientiert sich in seiner kubischen Formensprache am Bestand, von dem er sich durch eine vertikale Glasfuge absetzt. Im Spiel mit unterschiedlichen Höhen, Auskragungen und den markanten Eckfenstern wird der Bestand zitiert ohne ihn zu kopieren.

Dem Umbau von Wladimir Goltnik gelingt es, die Architektur von Domenig und Huth weder zu vereinnahmen, noch sich vor lauter Ehrfurcht zu verstecken: Das Neue respektiert das Alte und tritt mit ihm in Dialog. Das Projekt zeigt, dass baukünstlerisch wertvolle Gebäude der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht nur konserviert, sondern auch mit neuem Leben gefüllt werden können. Und das ist der beste Garant für den Erhalt von Kulturerbe.

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