16/06/2008
16/06/2008

Jaques Herzog und Pierre de Meuron vor ihrem Werk

Das chinesischen Nationalstadion für die Olympiade in Peking von Herzog de Meuron, im Hintergrund.

Jaques Herzog, Ali Weiwei und Pierre de Meuron

Noch bis (vorerst) Donnerstag, den 26.06.2008 ist im Grazer Filmzentrum Rechbauer, jeweils um 18.15 Uhr, die Architekturdokumentation „Birds Nest. Herzog & de Meuron in China“ zu sehen.

Der Film von Christoph Schaub und Michael Schindhelm, der den Bau des chinesischen Nationalstadions für die Olympiade in Peking durch das internationale Architekturbüro Herzog & de Meuron aus Basel zeigt, ist vielleicht nicht die ultimative Architekturdokumentation. Aber es werden genug Themen angerissen, um dem Laien Einsichten und dem Fachmann das Erkennen eigener Erfahrungen zu vermitteln. Sein Aufhänger ist das Bauen zwischen zwei Kulturen, zwei architektonischen Traditionen, zwei politischen Systemen. In den letzten zwölf Monaten vor der Olympiade wurde in China mehr gebaut als in ganz Europa im Verlauf der letzten Jahre.
In Schaubs Film werden die vier Jahre beschrieben, während denen die seit ihrer Schulzeit befreundeten Architekten das 320 Meter lange und 69 Meter hohe Stadion bauten. Herzog & de Meuron, beide 1950 in Basel geboren, aber längst Global Player mit über 200 Mitarbeitern und Zweigstellen in London, München, Barcelona San Francisco und Tokio, sind unter anderem Träger des Pritzker-Preises, des Deutschen Kritikerpreises und des Premium Imperiale.
Der eingängige Name „Bird´s Nest“ - Vogelnest - für den gewaltigen, aber durch seine Stahlträgerummantelung trotzdem filigran wirkende Bau, ist erst im Verlauf der Arbeiten von chinesischen Journalisten erfunden worden. Der Film thematisiert vor allem die Probleme, die sich aus dem Zusammenstoß verschiedener Kulturen ergeben. Dabei haben die Schweizer in Uli Sigg, dem ehemaligen Botschafter (und Sammler chinesischer Gegenwartskunst) und dem aus dem New Yorker Exil nach China zurückgekehrten Starkünstler Ai Weiwei zwei Führer im Dickicht der unterschiedlichen Mentalitäten. Aber interessant an „Bird´s Nest“ sind auch die Auslassungen, jene zufälligen Bilder, um die es scheinbar gar nicht geht: Z.B. demonstrieren der aristokratisch wirkende, schöngeistig argumentierende de Meuron und sein vor Ort agierender, bodenständigerer Partner Herzog auch physisch, wie solche Arbeitsbeziehungen funktionieren. Gewissermaßen „nebenbei“ ist der gewaltige Druck auf die Architekten zu spüren, die das Projekt schon längst mit enormem Kapitaleinsatz betreiben, obwohl immer noch ein vertragsloser Zustand herrscht. Es ist vermutlich kein Zufall, dass Herzog gegen Ende des Filmes am Stock geht. Aber bei allen Unterschieden – einerseits die lächelnd pokernden, chinesischen Politiker, andererseits die Macher – repräsentieren beide Parteien eine globale Mega-Architektur im Spannungsfeld von nationaler Repräsentanz, öffentlicher Akzeptanz und Kapitaleinsatz: Architektur von Mächtigen für Mächtige. Die Schwäche des schön gemachten Filmes besteht darin, dass er zwar gekonnt die globale Struktur solcher Architekturunternehmungen widerspiegelt, aber selber keine Stellung bezieht. Schade auch, dass die architektonische Qualität von „Birds Nest“ niemals diskutiert wird. Die gigantische, das eigentliche Oval umschließende Stahlkonstruktion scheint ursprünglich dazu gedient zu haben, ein gewaltiges Schiebedach zu tragen. Ist das Stahlkorsett nun, da aus Kostengründen schließlich darauf verzichtete wurde, zum Namen gebenden, gigantischen Dekor geworden?
Das zweite, interessantere „chinesische“ Projekt von Herzog & de Meuron in der 3-Millionen-Stadt Jinhua für 300 000 Bewohner einen Stadtteil zu bauen, war zu Drehschluss leider noch nicht „durch“. Mit vorgegebenen Bauelementen sollte den ganz alltäglichen Bedürfnissen der Bevölkerung entgegengekommen werden. Das mittlerweile realisierte Projekt weist in eine gänzlich andere Richtung und heimst großes Kritikerlob ein. „Bird´s Nest“ im Kinozentrum Rechbauer anzusehen bedeutet jedenfalls keine Zeitverschwendung. Bird´s Nest. Herzog & de Meuron in China
A, 2008, Regie: Christoph Schaub, Michael Schindhelm
bis (vorerst) 26.06.2008, jeweils 18.15 Uhr, im
Filmzentrum im RECHBAUERKINO
Rechbauerstraße 6, A-8010 Graz
T +43/316-830508
F +43/316-830508-15
filmzentrum@filmzentrum.com
Öffnungszeiten: täglich von 14.00 bis 22.00 Uhr

Verfasser/in:
Wilhelm Hengstler, Empfehlung
ute angeringer-mmadu

auf dubais baustllen kommen jährlich mindestens 800 bauarbeiter ums leben, die dunkelziffer liegt wahrscheinlich um einiges höher, aber wen kümmert das? arbeitskräfte sind billig in china wie in dubai und wie auch sonst auf der welt, meistens ausländische arbeiter ohne ausbildung, ohne versicherung, ohne rechte...
aber das war doch immer so: ohne sklaven hätten weder die pyramiden in ägypten noch roms kolosseum und all die anderen weltwunder der architektur entstehen können und im mittelalter hat man halt die menschen mit der aussicht auf ein besseres leben nach dem irdischen zum bau der kathedralen, deren fertigstellung vielleicht erst die ururenkel erlebt haben motiviert usw...

Mi. 18/06/2008 8:03 Permalink
Eric Sturm

Hallo gat.st,
das ist ja super, dass Sie auf den Bird's-Nest-Trailer auf architekturvideo.de verlinken, vielen Dank!
Damit der Trailer gut zu sehen ist, öffnet man den Link am besten in einem neuen Fenster (z. B. durch Drücken der Hochstelltaste oder der "STRG"-Taste beim Klicken).
Viele Grüße aus Berlin
Eric Sturm
Herausgeber architekturvideo.de

Di. 17/06/2008 5:30 Permalink
cl. pratsch

aus zuverlässigen kreisen wird berichtet, dass beim bau des stations mehr als 120 chinesische bauarbeiter auf grund der mangelhaften baustellensicherung ums leben kamen.....

Mo. 16/06/2008 6:20 Permalink
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