04/02/2015

Günter Koberg ist Baukulturkoordinator in der Abteilung für Verkehr und Landeshochbau des Landes Steiermark, Organisationsleiter des Baukulturbeirats des Landes, Geschäftsführer des Vereins Baukultur Steiermark und Vorstandsmitglied im HDA.

Martin Grabner bat ihn im Rahmen des GAT-Schwerpunkts Architektur- und Baukulturvermittlung zum Interview.

04/02/2015

Eröffnung der GerambRose-Wanderausstellung „Gemeinschaftliche Räume“ 2013 im B(R)G Leibnitz

©: Ulli Golesch

Günter Koberg

©: Land Steiermark

Präsentation von SchülerInnenarbeiten bei der Ausstellung zur GerambRose „Gemeinschaftliche Räume“ in Stainach, 2013

©: Verein BauKultur Steiermark

GerambRose-Wanderausstellung „Gemeinschaftliche Räume“ 2013 im Abteigymnasium Seckau

©: Verein BauKultur Steiermark

Atelierbesuch im Rahmen der Architekturtage 2014

©: Martin Grabner

Zunehmender Leerstand in ländlichen und städtischen Regionen als aktuelle Thematik. Eine große Aufgabe für alle damit befassten Institutionen. Hier: Jakoministraße, Graz.

©: Martin Grabner

Ten Days - Artists in Residence 2014: Leerstehende Geschäftsflächen am Hauptplatz von Pischelsdorf wurden
zu Ateliers, Werk- und Projekträumen oder Begegnungszentren.

©: Christian Strassegger

Die Vermittlung von Baukultur ist ein komplexes und dynamisches Feld, in dem sich zahlreiche Akteure auf unterschiedlichste Weise engagieren. Günter Koberg ist einer von ihnen und er tut es gleich auf mehreren Ebenen. Er ist Baukulturkoordinator in der Abteilung für Verkehr und Landeshochbau des Landes Steiermark, Organisationsleiter des Baukulturbeirats des Landes, Geschäftsführer des Vereins Baukultur Steiermark und Vorstandsmitglied im HDA. GAT hat mit ihm über Baukultur in Politik und Schulen, in Stadt und Land und über die Vermittlung als einen langen und nie abgeschlossenen Prozess gesprochen.

In den Baupolitischen Leitsätzen des Landes Steiermark ist schon in der Präambel zu lesen, dass Baukultur alle betrifft. Dass die Verantwortung nicht allein bei den Fachleuten liegt, sondern in allen Bereichen der Gesellschaft verankert werden muss. Wie wichtig ist die Vermittlung und an wen muss sich Vermittlungsarbeit richten?

Ich glaube, die Vermittlung von Baukultur ist etwas Essentielles, das man nicht hoch genug einschätzen kann. Und sie muss in alle Richtungen gehen: an EntscheidungsträgerInnen ebenso wie an die sprichwörtliche kleine Frau, den kleinen Mann. Wobei die Information der gesamten Bevölkerung natürlich ein Ziel ist, das man nie ganz erreichen kann. Deshalb suchen wir immer wieder Teile der Bevölkerung heraus und setzen gezielte Akzente, vergleichbar mit Akupunktur.

Wer sind in diesem Zusammenhang „wir“? Sie engagieren sich ja in zahlreichen Funktionen für die Baukultur.

Die vielen Funktionen sind eher eine Alterserscheinung … Mit „wir“ meine ich hier weniger das Land direkt, sondern indirekt als größter finanzieller Unterstützer verschiedenster Institutionen. Im öffentlichen Dienst sind einem ja relativ bald die Hände gebunden, während Vereine auch über diesen engen Rahmen hinaus Dinge ansprechen können. Ich bin deshalb sehr froh, dass es viele Vereine gibt, die sich das Informieren der Bevölkerung auf die Fahnen geschrieben haben.

Bleiben wir zunächst auf der Ebene der Landesregierung. Seit 2010 gibt es den Baukulturbeirat. In welcher Form kann er Vermittlungsarbeit leisten?

In dem, als Beratungsgremium eingerichteten, Baukulturbeirat wird auf ganzheitlicher Ebene über die Notwendigkeit und Finanzierung von Vermittlung diskutiert und dann in den im Beirat vertretenen Institutionen weiter vorangetrieben.

Was sind die aktuellen thematischen Schwerpunkte der Arbeit des Beirats?

Im letzten Jahr haben wir uns intensiv mit der inhaltlichen Vor- und Nachbereitung der Baukultur-Enquete im steirischen Landtag beschäftigt. Deren drei Themen Zentren stärken, Räume gestalten und Kreativität und Nachhaltigkeit einfordern stehen daher im Mittelpunkt.
Das Problem der aussterbenden Ortskerne etwa ist dermaßen sichtbar und präsent, dass es zu deren Belebung in den kommenden Jahren starke Akzente geben wird. Das betrifft sowohl raumplanerische Fragen als auch beispielsweise Fragen der Betriebsstättengenehmigung, weshalb interdisziplinär, unter anderem mit der Wirtschaftskammer und dem Gemeindebund, gearbeitet werden muss. Ebenso ist die Wohnbauförderung betroffen. So wie diese derzeit abgehandelt wird, gibt es kein Szenario und keine Angebote, die das Wohnen im Zentrum attraktiv machen. Jeder weiß, dass es aber Einfamilienhausförderungen gibt, eine Pendlerförderung gibt. Das Zersiedeln wird leider noch immer schmackhaft gemacht.

Das Land ist nur einer von vielen Akteuren im Baugeschehen, kann aber darüber hinaus Anreize liefern, Baukultur vorzuleben.

Es gibt einzelne Veränderungen, die eine positive Steuerung ermöglichen. Wenn auch nicht so schnell, wie es viele gerne sehen würden. Zum Beispiel gibt es seit Kurzem im Wohnbau eine Förderung, die es den Gemeinden erleichtert, leerstehende Gebäude anzukaufen und zu nutzen, um den Ortskern zu beleben. In der Enquete wurden außerdem Maßnahmen angedacht, um es Gewerbetreibenden zu erleichtern, sich wieder in den Ortskernen anzusiedeln.

Sie haben sie selbst schon mehrfach angesprochen: Die Baukultur-Enquete letzten Mai war ein wichtiger Schritt.

Die Politik des Landes Steiermark hat erkannt, dass sie Informationsbedarf hat und sich die Enquete quasi bei ihren Mitarbeitern bestellt.

Ein kurzes Resümee?

Die Enquete ist sehr gut gelaufen und hatte unmittelbar drei Anträge zur Folge. Je einen in den Bereichen Raumordnung, Baugesetz und Wohnbau. Darin spiegeln sich die drei Themenkreise, die besprochen wurden, wider. Der politische Prozess, der naturgemäß ein langwieriger ist, ist im Laufen.

In der Steiermark beschäftigen sich mehrere Institutionen mit der Vermittlung von Architektur und Baukultur. Wie beurteilen Sie deren (Zusammen-)Arbeit und Entwicklung?

Das Feld der Architekturvermittlung ist ein relativ junges. Das Haus der Architektur war das erste dieser Art in Österreich und hat sich in seinen 26 Jahren erfolgreich entwickelt. Die Vielzahl an Institutionen sehe ich als etwas Positives. Im Moment gibt es eine Konstellation von leitenden Personen, die sich sehr gut kennen, die wissen, was die anderen tun und sich so gut ergänzen. Beispielsweise hat das HDA den Schwerpunkt in Graz und deckt die studentische Szene und die Universität ab. Der Verein Baukultur hingegen fährt hinaus in die Regionen. Die Zentralvereinigung der Architekten wiederum engagiert sich aktuell, ähnlich einer Standesvertretung, vor allem für die jüngere Generation von Architekturschaffenden. 

Der Verein Baukultur Steiermark vergibt biennal die GerambRose. Wie groß ist die Wirkung dieser Auszeichnung?

Die GerambRose wird nicht nur vergeben, damit alle zwei Jahre jemand einen Preis bekommt, sondern vor allem mit dem Ziel, Baukultur zu vermitteln. Seit 2009 ist sie jeweils einem bestimmten Thema gewidmet, zuletzt dem Wohnen. Mit dem Paket der ausgezeichneten und eingereichten Projekte gehen wir auf Wanderschaft durch die Steiermark, erklären die Auswahl und stellen sie zur Diskussion.

Im Jahr 2013 tourte die Ausstellung durch Schulen und integrierte Projekte mit Schülerinnen und Schülern in die Präsentation. Ein Modell für die Zukunft?

Auf jeden Fall. Nach der Jury stellt sich immer die Frage, wo und wie die Ergebnisse der Öffentlichkeit gezeigt werden. Beim Thema Öffentlicher Raum war das relativ klar, bei Gemeinschaftliche Räume ergab es sich erst daraus, dass viele Projekte aus dem Bildungsbereich kamen. Entsprechend diesem Wink mit dem Zaunpfahl gingen wir in die Schulen, wo jeweils eine oder mehrere Klassen etwas zu dem Thema erarbeitet haben. Diese Kooperation ist so gut gelaufen, dass wir sie dieses Jahr fortsetzen und selbst gar keine fertige Ausstellung mehr mitbringen, sondern die Arbeiten der Schülerinnen und Schüler in den Vordergrund stellen. Die Projekte sind aber selbstverständlich alle dabei – in Form einer Broschüre und eines Films.

Liegt der Schlüssel zur erfolgreichen Vermittlung von Baukultur überhaupt bei der Jugend, in der Ausbildung?

Ganz bestimmt! Auch wenn hier noch sehr viel zu tun ist. Wir arbeiten mit dem steirischen Landesschulrat im Bereich Bildnerische Erziehung und Werken erfolgreich zusammen. Allerdings stellt sich für die Zukunft die Frage, warum es nicht auch der Geografieprofessor oder die Deutschprofessorin sind, die Baukultur vermitteln. Wie es fallweise auch schon geschieht. Die Architekturvermittlung muss insgesamt breiter aufgestellt werden.

In der Werbung und vielen Medien wird ein bestimmtes – nicht gerade progressives – Bild vom idealen Wohnen vermittelt…

Die Baukultur ist ein Feld, auf dem sich viele tummeln, in dem es auch massiv um Finanzen geht. Im Vorraum jeder Gemeinde liegen dutzende Broschüren, die Baukultur vermitteln. Die einen verkaufen dir den Ziegel, die anderen die Lebensversicherung, die dritten einen Kredit. Jeder erzählt dir auch etwas über das Baugesetz, über Förderungen, über alle möglichen Aspekte des Bauens. Deshalb ist die Verwirrung bei denjenigen, die mit dem Bauen wenig zu tun haben, groß und es ist leicht verständlich, dass die Frau und der Mann von der Straße, die sich das Haus im Grünen erträumen, als Erstes zur Blauen Lagune fahren. Sich etwas Fertiges wünschen und das dann irgendwo aufstellen lassen. Denn das klingt alles ganz einfach.

Und das Konzept dagegen?

Es gibt kein anderes Konzept als Information und Bildung. Für möglichst alle. Das ist auch das, was wir in den Schulen tun. Wir wollen dort nicht lauter kleine Architektinnen und Architekten heranbilden, sondern wir wollen mündige Menschen, die befähigt sind, über das Thema zu sprechen, zu sagen, warum sie was wollen und räumliche Vorstellungen in Worte fassen können. Die wissen, dass es auch um Landschaft geht, dass es auch um Verkehr geht, dass es sehr viele Themen gibt, die um das Bauen herum angesiedelt sind.

Vielen Dank für das Gespräch!

Michaela wambacher_www

danke für das interessante Interview, es entsteht der Eindruck, dass doch einiges in Bewegung ist. Ich möchte allerdings darauf hinweisen, dass es nicht nur das HDA und zahlreiche Institutionen sind, die hierzulande und auch in anderen Bundesländern Architekturvermittlung betreiben. Zahlreiche kleine Initiativen und Einzelpersonen stellen sich in den Dienst der Sache mit interessanten Konzepten und Projekten, die vor allem an Schulen oder in den Schulferien stattfinden. Leider sind die meisten dieser ArchitekturvermittlerInnen gezwungen, unter prekären Verhältnissen zu arbeiten, weil ihre Tätigkeit von der öffentlichen Hand finanziell nicht entsprechend unterstützt wird. Trotzdem machen sie unermüdlich weiter und leisten einen wertvollen Beitrag zur Förderung einer qualitätvollen Baukultur. Warum gibt es dafür keine ausreichende Anerkennung? Was läuft da schief, lieber Günter?

Mi. 04/02/2015 9:05 Permalink
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