14/10/2014

Open Reininghaus. In welcher Stadt wollen wir leben war das Motto des am 21.09.2014 vom Kulturamt der Stadt Graz veranstalteten Kulturdialogs in Graz-Reininghaus.

Die Mitglieder des Kulturbeirates der Stadt Graz üben Kritik am Prozess der Stadtentwicklung (nicht nur) im neuen Stadtteil Reininghaus und fordern die Einbeziehung der Kultur.

14/10/2014

Kulturdialog OPEN REININGHAUS 2014

©: J.J. Kucek

Kulturdialog OPEN REININGHAUS 2014

©: J.J. Kucek

Die Stadt ist das Modell ihrer Gesellschaft.

Mit circa 120 BesucherInnen wurde am Sonntag den 21.09.2014 erstmals ein neues Format der öffentlichen Kulturbeiratssitzung auf dem Gelände der Reininghausgründe erfolgreich umgesetzt. Aus aktuellem Anlass wurde das Stadtteilentwicklungsprojekt Reininghaus und dessen Potenzial für einen lebendigen Teil der Kulturstadt Graz zum Thema.

Der Grazer Kulturbeirat vermisst seit längerem die aktive Einbindung von Kunst und Kultur in den Prozess der Stadtentwicklung und das, obwohl die Zeit drängt: 80 Prozent des Areals sind verkauft, Architekturwettbewerbe werden entschieden, Detailplanungen schreiten voran, das Projekt Reininghaus – so der Eindruck – ist auf Schiene. Beteiligung scheint auf den ersten Blick unerwünscht. Signifikantes Zeichen dafür und Anlass zu allgemeiner Verwunderung: das Fehlen von politischen EntscheidungträgerInnen und FunktionärInnen wie etwa der von der Stadt Graz eingesetzte Reininghauskoordinator Albrecht Erlacher beim Kulturdialog.

Es herrscht also dringender Handlungsbedarf.

Warum?

Eine Stadt, sei sie neu geplant, oder alt gewachsen, ist immer Abbild ihrer eigenen, gelebten Kultur, ihrer sozialen Zusammensetzung, ihrer Wirtschaft und ihrer Innovation.

Die Kultur als Teil des Prozesses städtischer Entwicklung darf bei der Entstehung des Stadtteils Reininghaus nicht fehlen. Erst mit Kultur werden identitätsstiftende Werte wachsen, die sich direkt in die Belebung des kommenden Viertels einfinden. Wichtig ist dabei, Kunst und Kultur nicht als Maßnahme zur „Behübschung“ oder „Attraktivierung“ anzusehen, sondern vielmehr als Bestandteil eines integrativen Stadtteilkonzepts zu definieren.

Kultur schafft Identität. Sie in die Entwicklung nicht einzubinden oder gar auszugrenzen, bedeutet nachhaltig eine vertane Chance für das Entstehen eines vitalen urbanen Lebensraums, eines neuen Stadtzentrums jenseits des Stadtzentrums. Die bloße Einhaltung des Rahmenplans ist zu wenig.

Im Kulturdialog wurde deutlich, dass es in den Entwicklungen der Stadtplanung zwar Wissen aus den Gebieten der Wirtschaft und der Architektur hinzugezogen werden. Der Kultursektor allerdings fehlt in der Planung. Dies wird ein späteres Beleben der gebauten Struktur durch Kultur mit Sicherheit erschweren, beträchtlich verzögern, wenn nicht sogar verunmöglichen.

Der Kulturbeirat fordert daher:

  • Einbeziehung der Kultur in den Prozess der Gestaltung der Viertel.
  • Offensive Öffnung des Gebietes für temporäre und mittelfristige Nutzungen, die in der Planung zwar eingeschrieben sind, allerdings ohne städtische Vermittlungstätigkeit nicht möglich sind. Eine Öffnung braucht den Willen der Stadt und gesetzliche Vorgaben. Eine Öffnung braucht konkrete Unterstützung.
  • Bildung einer längst notwendigen interdisziplinär zusammengesetzten Arbeitsgruppe, die diese Vermittlungsstelle mit Richtlinien und Entscheidungen unterstützt. In diesem Arbeitskreis sollen sich EigentümerInnen und InvestorInnen, ArchitektInnen, ExpertInnen und DenkerInnen aus den verschiedensten Disziplinen, BürgerInnen, KünstlerInnen sowie Institutionen und Gebiets-Körperschaften versammeln und konstruktiv zusammenarbeiten.

Vor Ort müssen die verschiedenen Strategien zusammengeführt, erprobt und zwischen den unterschiedlichen Interessen vermittelt werden, bereits angelegtes Wissen zusammengetragen und sichtbar gemacht werden.

Bis jetzt wurde die Bildung einer interdisziplinären Arbeitsgruppe mehrmals gefordert, doch bis dato noch nicht eingesetzt.

„Die Entwicklung eines ganzen Stadtteils braucht einen Ort des künftigen Geschehens. Eine Stätte des Ideenaustausches und der Anregung, des offenen Diskurses und gemeinsamen Denkens und Tuns. Eine Art Labor als Raum für kreative, kulturelle und ‚community bildende’ Aktivitäten“ (aus: die offene Reininghaus Gesellschaft, Graz, Februar 2013).

In Aussicht stehen völlig neue Möglichkeiten der Gesellschafts- und Stadtentwicklung, die bestehende Pläne nicht untergräbt, sondern mitformt und aktiviert! Diese einmalige Chance muss genutzt werden – und zwar jetzt.

Die Mitglieder des Kulturbeirates der Stadt Graz:

Katrin Bucher-Trantow, Siruan Darbandi, Bea Dermond, Heimo Halbrainer, Andreas Heller, Reni Hofmüller, Irina Lepenik-Karamarkovic, Kira Kirsch, Monika Klengel, Heike Müller-Merten, Marta Navaridas, Magdaline Hartwig-Okumu, Resa Pernthaller, Grete Petermandl, Birgit Pölzl, Andrea Redi, Rainer Rosegger, Evelyn Schalk, Johannes Schrettle, Eva Taxacher, Erika Thümmel, Max Wegscheidler, Michael Wrentschur

Basisinfo zum Kulturdialog 2014:

Der jährlich stattfindende Kulturdialog ist eine öffentliche Kulturbeiratssitzung. Heuer hatte er eine neue Struktur: Über vier Spaziergänge, die von jeweils zwei interdisziplinären ExpertInnen geführt wurden, wurde inhaltlich ein Bogen gespannt von Architektur (Thomas Pucher) über Stadtgeschichte (Albrecht Kubinzky), Soziologie (Michael Sammer), Politik (Lisa Rücker), Kunst (Werner Schrempf, Siruan Darbandi, Irina Lepenik-Karamarkovic, Marta Navaridas und Magdaline Okumu-Hartwig) und Medien (Donja Noormafidi).
Die Spaziergänge dienten dazu, Informationen über das Gelände Reininghaus, seine geschichtliche Entwicklung, historische und zeitgenössische Architektur und die Vision eines Stadtteils der Zukunft zu vertiefen und unterschiedliche Sichtweisen zu ermöglichen und boten die Möglichkeiten, das Gelände zu erforschen und sinnlich zu erleben.
Nach diesen Spaziergängen wurde in der AGORA mit Impulsreferaten von Simon Hafner, Bernhard Inninger, Emmanuel Kamdem, Nina Markart, Helmut Strobl, Erika Thümmel, Peter Piffl-Percevic, transparadiso (Barbara Holub und Paul Rajakovics) und mehr als 100 Personen aus den unterschiedlichsten Disziplinen über die aktuelle Stadtteilentwicklung in Reininghaus diskutiert.

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