03/03/2015

Jeden ersten Dienstag im Monat veröffentlicht GAT in der Kolumne Aber Hallo! Anmerkungen von Karin Tschavgova zu aktuellen Themen von Architektur und gebauter Umwelt.

03/03/2015
©: Karin Tschavgova

In Graz soll das verfallende ehemalige Sommerrefektorium der Jesuiten am Rosenhain „wachgeküsst“ werden. Dem journalistischen Sommerloch kann diese Nachricht vom Jänner 2015 nicht geschuldet sein. Doch nun soll es den Verantwortlichen der Stadt auch wirklich Ernst sein mit der Absicht, den feuchten Mauerresten, die nach einem Brand in den 1980er-Jahren notdürftig gesichert wurden, neues Leben einzuhauchen. Mit einem zarten Hauch an Sanierung wäre den denkmalgeschützten Mauerresten nicht geholfen und so hat man richtigerweise die geschätzten Kosten pro Quadratmeter mit jenen eines besseren Neubaus gleichgesetzt. So weit, so gut? Mitnichten, denn diese Bauabsicht wirft viele Fragen auf – grundsätzliche und solche, die das stadteigene Bauen betreffen.

Die erste geht an den Denkmalschutz: Wie kann etwas schützenswert sein, das gar nicht mehr existiert und demnach gänzlich neu errichtet werden muss? Die Diskussion darüber kennen wir vom schon laufenden Vorhaben, das barocke Berliner Stadtschloss nach Plänen des Architekten Franco Stella an der Stelle des ostdeutschen Palasts der Republik gänzlich neu nachzubauen. Die Bauarbeiten schreiten munter voran und sollen, wenn sich genügend rückwärtsgewandte Spender finden, bis 2019 abgeschlossen sein. Ob im Jahr 2250 an derselben Stelle dann der 2006 abgerissene Palast der Republik wieder auferstehen wird?

Die zweite Frage geht an die Stadt Graz und an die GBG als städtische Errichtungsgesellschaft. In einer Stadt, in der angeblich kein Geld vorhanden ist, soll eine „neue Baustelle aufgemacht“ werden, für die eine Nutzung erst gefunden werden musste. Das ist, gelinde gesagt, absurd. Alternativ schlage ich vor, mit den dafür projektierten Mitteln Architekturwettbewerbe auszuschreiben für alle derzeit notwendigen Sanierungen, Umbauten und Erweiterungen von Schulen (oder der Liebenauer Eishalle) – eine Forderung, die auch mit dem Argument von fehlender Finanzkraft zurückgewiesen wird. Damit könnte Graz ein Programm zur Unterstützung junger Architekturbüros starten und sich zugleich Verdienste um die Förderung von Baukultur machen, denn der vor Ort ausgebildete Nachwuchs hat sein praktisches Wissen meist in einem der renommierten Grazer Büros erworben.

Die dritte Frage geht an jene, die sich ausgedacht haben, dass das neu zu errichtende ehemalige Refektorium als Gästehaus der Grazer Universitäten genützt werden soll: Ist es euer Ernst, zu glauben, dass Gäste in Graz, ob mit kürzerer oder längerer Verweildauer, es schätzen werden, wenn sie im Wald am Rosenhain untergebracht sind, zugänglich nur über einen Fußweg und fernab vom Leben und Treiben der Stadt? Leute, denkt daran, was Graz so besonders macht und wie ihr diese schon ein wenig mediterrane Schöne immer anpreist! Doch nicht mit der Ruhe eines Waldstücks am zentrumsfernen Hügel.

Um die schönen Sonntagsreden von der Forderung und der Förderung von Baukultur zum Leben zu erwecken und damit wahr werden zu lassen, muss man keine Ruine wach küssen. Erlöst die vielen Jungspunde von ihrem biografisch zu frühen, erzwungenen Dornröschenschlaf, in dem sie sich in Ermangelung von Zugängen zu Arbeit und Arbeitsaufträgen befinden. Gebt ihnen Arbeit und lasst die Ruine in Frieden ruhen.

Laukhardt

Liebe Frau Tschavgova! Ich habe natürlich nicht auf alle Ihre Fragen eine Antwort, hätte aber den pessimistischen Ansichten einige Argumente entgegenzuhalten. Aber wichtiger und vorallem für eine breitere Diskussion aufschlussreicher wäre es, wenn die von Ihnen angesprochenen Stellen, also Denkmalamt, GBG und Universität, ihre Sicht darlegen. Das könnte man ja doch wirklich verlangen, oder?
Peter Laukhardt

Di. 17/03/2015 12:31 Permalink
Karin Tschavgova

Antwort auf von Laukhardt

Interessant für mich wäre, wie Sie, Herr Laukart, zu den Plänen, die Rosenhain-Ruine wachzuküssen, stehen.
Meine Ansichten zu dieser Causa sind nicht pessimistisch, sondern eindeutig negativ/ablehnend, weil es meiner Meinung nach viel wichtigere Sanierungs- und Bauprojekte in Graz gäbe.
Nachdem ich generell für mehr Transparenz der Verwaltung bin (als Service an Bürgern und Bürgerinnen) kann ich Ihrer letzten Frage zustimmen. Allerdings glaube ich weder, dass irgendwelche Mauscheleien oder Verschwörungsszenarien hinter etwaigem Schweigen der Beteiligten stehen, sondern schlicht die Tatsache, dass man nicht weiß, wie man dieses Projekt finanzieren kann.

So. 22/03/2015 6:43 Permalink
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