20/11/2005
20/11/2005

Die Süßen

Roman und die Anrainer

Schwer verletzt

Schwer verletzt

RESPEKT
von Ruth Brandstätter

Mitten im Wirbel der Kulturhauptstadt 2003 fand ich mich durch mehr oder weniger glückliche Umstände in die Planungsabteilung des damaligen Stadtgartenamtes – jetzt Abteilung für Grünraum und Gewässer – versetzt. Riesige Aktenberge, Schubladen voll unbearbeiteter Projekte und wenig Erfahrung standen am Anfang. Bislang im Außendienst als Gärtnerin, dann Baumschutzbeauftragte der Stadt Graz, saß ich jetzt im Büro als Planerin und Projektleiterin.

Leichen in den Schubladen, zuunterst der Auftrag an unsere Abteilung einen Skatepark zu bauen. Eine Demonstration der Skaterkids im Jahr 2002 mit der zentralen Forderung nach einer „wirklichen“, für sie auch nutzbaren Anlage, hatte den damals zuständigen Stadtrat zu einer Zusicherung gedrängt. Über ein Jahr war sie sicher versenkt und nun in meiner Hand. Mit Armin Lixl begann ich mir Gedanken über das Thema zu machen. Wir recherchierten in der Szene, analysierten den Stand der damals vorhandenen Möglichkeiten in Graz und Wien zu skaten. Stapel von Prospektmaterial der üblichen Fertigelementanlagen auf meinem Tisch, Vertreter, die mir das Blau vom Himmel herunter versprachen.

Uns, genauso wie die Kids, konnten diese Produkte wenig überzeugen. In dem Jahr seit der Demo hatten einige der älteren Skater versucht eine Anlage im Stadtpark zu planen und waren damit keinen Schritt weiter gekommen. Wir stießen auf diesen Plan und nahmen mit ihnen Kontakt auf. Das Treffen war eigenartig und für uns war spürbar, wie wenig Vertrauen die Kids inzwischen in die Aktivitäten der Stadt hatten. Wir wollten ihnen helfen, versuchten den Standort im Stadtpark zu forcieren. Nach intensiven Bemühungen, diesen Standort wieder ins Gespräch zu bringen, scheiterten wir an nicht wirklich nachvollziehbaren Einwänden des Natur- und Denkmalschutzes und letztlich am mangelnden politischen Willen der Stadt. So verließen wir enttäuscht die „heiligen Haine“ des Stadtparks.

Skater haben keinen guten Ruf. Wir wussten es inzwischen besser. Die Skatecommunity hatte uns beeindruckt. Die Kids waren großartig. Engagiert, individuell und vor allem mutig. Uns wurde klar, dass sie eine Anlage verdienten, die nicht nach ersten Widerständen in aller Heimlichkeit abgebaut, in irgendeinem Lager abgestellt oder irgendwo in der „Steppe“ der Vorstadt wieder aufgebaut werden konnte. Eine Skulptur aus Beton, ein Tempel für eine Jugendkultur, der sich immerhin 20 % der Jugendlichen in Graz verbunden fühlen, sollte entstehen.

Alternative Standorte wurden untersucht, und der Volksgarten, nicht ohne bedenkliche politische Nebengeräusche, unauffällig und sehr schnell als Standort beschlossen. Der Bezirksvorsteher fühlte sich in diesem Prozess übergangenen und bezog entschieden Position gegen unser Projekt. Sein Artikel im „Bezirksjournal Lend“ machte die Arbeit nicht leichter. Wir waren inzwischen auch in die ängstliche Welt der entsprechenden Normen für Skateparks vorgedrungen und wussten, dass am Ende eine Prüfung durch den TÜF nicht ausbleiben würde. Die Skater hatten immer noch wenig Vertrauen zu uns, aber wir gingen weiter. Wir wollten keine Fertigteilanlage und auch keine Anlage, die nur auf die Bedürfnisse der geübten Skater ausgelegt sein sollte. Es entstand die Idee einen Pool zu bauen – eigentlich der „Rolls Royce“ unter den Skateanlagen. In die Skulptur integrierte Zusatzelemente sollten es auch den jungen Skatern ermöglichen in die Community einzusteigen und zu lernen.
Das Budget – gedeckelt mit 86.000 € – wurde schon in den eher simplen Ausführungen der Fertigteilfirmen überschritten. Wir wollten Beton. Wir schrieben die Anlage aus und fünf Baufirmen beteiligten sich an der Ausschreibung. Wir hatten Glück und ein Anbot war innerhalb unseres Kostenrahmens.

Die nächste Hürde wartete aber schon. Ein Gespräch mit den Anrainern stand dringend an. Viele Ängste, vor allem die zu erwartende Lärmbelästigung, waren von uns aufzulösen. Wir hatten in unserem Entwurf diese Themen berücksichtigt, waren vorbereitet entsprechende Antworten zu geben, wussten aber auch, welche Dynamik in diesen Gesprächen entstehen könnte. Wir stellten das Projekt mit Unterstützung der Kids vor und nach zwei Stunden hatten wir es geschafft.
Der Bau selbst verlief weitgehend ohne Überraschungen. Der Erfolg der Anlage sollte für sich selbst sprechen.

NÄHERE INFO ZUM POOL

Skaten
Das Skaten auf Boards entstand in den 70-er Jahren und hat sich bis heute stetig weiterentwickelt. Es ist weniger eine Trendsportart als eine Jugendkultur und stellt für einen beträchtlichen Teil der Jugendlichen zwischen 9 und 19 Jahren einen wesentlichen Bezugspunkt dar. Neben der entsprechenden Mode und Musik betrifft das natürlich auch den Sport an sich.
Für den Anfänger gestaltet sich der Lernprozess im Vergleich zu anderen Sportarten ungleich schwerer und fordert intensives Training, um die Grundlage für alle weiteren Tricks – den Ollie – überhaupt zu beherrschen. Mit dem Board zu springen scheint physikalisch beinahe unmöglich und gelingt nur durch absolute Präzision im Bewegungsablauf.
Auch den fortgeschrittenen Skatern ist dieser Widerstand des Boards bewusst und erklärt vielleicht den aufmerksamen und hilfsbereiten Umgang der älteren Skater mit den jungen. Durch Beobachtung und Nachahmung entwickelt sich der einzelne Skater und die Gruppe als Ganzes.

Entwurf
Die Anlage wurde in enger Zusammenarbeit mit Jugendlichen entwickelt, wobei es Ziel war einen Skatepark zu schaffen, der für Anfänger und Fortgeschrittene gleichermaßen interessant ist. Die Skateability – die Nutzungstauglichkeit für den Skater – stand im Zentrum der Überlegungen. Dies betraf vor allem die Radien der Ramps und die Ausbildung der Curbs. In unserer Recherche sahen wir als Grundmuster aller herkömmlichen Anlagen asphaltierte Flächen mit darauf platzierten Einzelelementen. Die laut Norm vorgeschriebenen Sicherheitsabstände der einzelnen Elemente zueinander bedingen schon bei wenigen Einheiten einen beträchtlichen Platzbedarf. Durch die konzentrierte Verknüpfung der Elemente im Zentrum einer befahrbaren Fläche sinkt der Platzbedarf erheblich bzw. steigt die Anzahl der möglichen Elemente und dadurch die Attraktivität der Anlage für die Skater. Als Ergebnis unserer Überlegungen wurde eine Pool-Anlage – die sportlichste und gleichzeitig Platz sparendste Variante – und eine Reihe daran angebauter Übungselemente für Anfänger entwickelt. Von besonderer Bedeutung für uns war dabei die ästhetisch/dynamische Ausbildung der Anlage, eingebettet in den Park und auch für Nichtskater attraktiv.

Konstruktion
Die Anlage wurde aus Beton gefertigt (siehe Schallschutz). Sein Zentrum ist ein POOL – quadratisch mit ausgerundeten Ecken.
Die Einfahrt befindet sich im Süd-Ost-Eck auf Höhe des umgebenden Geländes, sein tiefster Punkt auf minus 0,6 Meter, sein höchster auf plus 0,97 Meter. Auf dieser Höhe (weniger als 1 Meter) schließt das Podest an und ist dadurch laut Norm nicht durch Geländer zu sichern. So bleibt die Anlage von außen zugänglich.
Wir haben dieses Podest gegenüber der normgemäßen Mindestbreite (1 Meter) auf 1,6 Meter verbreitert, um den Skatern Ruhe- und Beobachtungsmöglichkeit direkt am Pool zu geben. Im Süden befindet sich eine Spine-Ramp (beidseitige Ramp, Einstieg für geübte Skater) und eine ca. 16 Meter lange Rampe als Verlängerung des Podestes und Zugang auf das Podest.
Diese Rampe schirmt den intensiv genutzten Bereich der Anlage gegen die Zufahrt zum Stützpunkt weitgehend ab. Die Bäume sind durch ca. 0,30 Meter hohe Sitzmauern gegen Beschädigungen aus dem Skatebetrieb geschützt. Im süd-westlichen Bereich des Pools finden sich Stufen, die das Podest mit dem Grundniveau verbinden.

Schallschutz
Ein für die Realisierung wichtiger Aspekt betraf die Schallverträglichkeit der Anlage für die umliegenden Wohngebäude. Dieses Thema wurde von den AnrainerInnen im Rahmen einer Bürgerinformation als primäres Konfliktpotential angesprochen.
Als Baumaterial wurde Beton gewählt. Dieses Material ist so schwer, dass es durch die Benutzung nicht in Schwingung gerät. Bei herkömmlichen Anlagen, die aus Plattenmaterial auf Stahlkonstruktionen gefertigt sind, entsteht ein Großteil des Schalls durch die Vibration der Platten (wie Resonanzkörper eines Musikinstrumentes).
Die Form des Pools wirkt wie ein Schalltrichter und fokussiert den Schall nach oben. Im umliegenden Park ist dadurch kein Geräusch aus dem Pool zu hören. Die Wohngebäude liegen ebenfalls im Schallschatten.
Als absolutes Novum wurden die Metallstangen („Curbs“ zum Gleiten) in dauerelastische Masse gebettet, wodurch die Ausbreitung des Schalls entlang der Metallstangen verhindert wurde.
Sport als Kontaktpunkt zwischen den Ethnien
Der bunte Mix der Ethnien zeichnet unsere Parks und insbesondere den Volksgarten aus. Für die Kinder ausländischer Herkunft sind die Parks ungleich wichtigere Kommunikationspunkte als für die einheimischen Kinder. Konflikte zwischen Ausländern und Einheimischen aber auch zwischen den verschiedenen ausländischen Ethnien sind hier nicht ungewöhnlich.
Uns war in der Entwicklung der Anlage dieses Spannungsfeld bewusst und wir suchten in der Platzierung der Anlage und vor allem in der Gestaltung einen Weg zu finden, der den Prozess der Integration unterstützen kann.
Der für uns gangbarste Weg war die Ausbildung der Anlage als Sportgerät, das auch höchste sportliche Leistungen zulässt. Der natürliche Respekt vor dieser Leistung sollte stärker sein als die gegenseitige Voreingenommenheit der Jugendlichen unterschiedlicher Ethnien.
Wir haben die Situation seit der Eröffnung der Anlage außenstehend aber intensiv beobachtet und konnten die vorausgesehenen Konflikte nach etwa zwei Wochen schwinden sehen. Inzwischen haben viele der ausländischen Kinder eigene Skateboards und machen ihre ersten Erfahrungen mit dem „sperrigen“ Sportgerät.

Im Moment arbeite ich an einer Parkanlage, die im Bereich Schererstrasse / Strassgangerstrasse entsteht. Sie liegt großteilig im Hochwasserversickerungsbecken des Einödbaches. Hochwasserschutz und Erholungsraum sind hier gleichermaßen wichtig – in der Planung aber nicht unbedingt einfach zu verbindende Nutzungen.
Als Spiel- und Erholungsraum für anliegende Siedlungen von etwa 1000 Wohneinheiten gehen wir vor allem in der Kommunikation Wege, die wir schon im Skatepark als sinnvoll erkannt haben. Die Integration der Bedürfnisse möglichst vieler vor Ort lebender Menschen, das homogene Zusammenspiel und das Know-How aller PlanerInnen und der genehmigenden und finanzierenden Institutionen sind der zentrale Punkt und die Grundlage einer späteren Identifikation mit dem Park.

. . . . aber das ist eine andere Geschichte.

ruth.brandstaetter@stadt.graz.at

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