07/11/2009
07/11/2009

Wohnanlage Dieselweg, Graz-Liebenau vor der Sanierung

Wohnanlage Dieselweg, Graz-Liebenau vor der Sanierung

Wohnanlage Dieselweg, Graz-Liebenau nach der Sanierung. Planung: hohensinn architektur , Graz

Wohnanlage Dieselweg, Graz-Liebenau nach der Sanierung. Planung: hohensinn architektur , Graz. Foto 1-4: GIWOG

Wohnanlage Dieselweg, Graz-Liebenau. Die Umwandlung der alten schlecht isolierten Sozialbauten in Wohnbauten mit Passiv-Haus –Standard wurde mittels eines
neuen und speziell für diese Bereiche entwickelten Fassadensystems, „gap-solar“, umgesetzt. Das System setzt sich zur
Gänze aus vorgefertigten Fassadenelementen zusammen, die geschoßweise auf die bestehenden Fassaden montiert werden. Foto: gap-solution

Am 27.10.2009 erfolgte in der Alten Universität Graz die Verleihung des ENERGY GLOBE STYRIA AWARD 2009, die regionale Stufe des internationalen Energy Globe Award. Der Gesamtsieg ging an die Gemeinnützige Industrie Wohnungs AG (GIWOG) für ihr Projekt "Passivhausstandard und –komfort in der Altbausanierung - Dieselweg", für dessen Planung hohensinn architektur aus Graz verantwortlich zeichnet. Der Preis wird jährlich vom Netzwerk Öko-Energie Steiermark (NOEST), dem LandesEnergieVerein (LEV) und der Wirtschaftsinitiative Nachhaltigkeit (WIN) als Nachhaltigkeits-Preis ausgeschrieben.

JOSEF SCHIFFER
Revitalisierung der Wohnanlage Dieselweg, Graz-Liebenau

Die Ausgangslage für eine Revitalisierung schien denkbar ungünstig und manch anderer Bauherr hätte eher an die Abrissbirne als eine Sanierung gedacht: Die in den fünfziger bzw. siebziger Jahren entstandenen Häuser in der Dieselstraße mit 204 Wohnungen in energetisch schlechtem Zustand und einem bunten Mix an veralteten Einzelfeueranlagen konnten mit Fug und Recht als energietechnische Dinosaurier bezeichnet werden.

Heute erstrahlt die ehemalige Puch-Siedlung in Liebenau als Musterbeispiel für eine Passivhaussanierung nach modernstem Standard und in ansprechender Optik. Die Bewohner können sich über weniger Energieverbrauch, höhere Wohnqualität und deutlich verminderte Betriebskosten freuen – ein Gewinn also nicht nur für die Umwelt. Für die Planung zeichnet Hohensinn Architektur aus Graz verantwortlich.

Vorbild für nachhaltige Wohnhaussanierung
Anfang 2007 wurde die Puchsiedlung von der Gemeinnützigen Industrie-Wohnungs AG (GIWOG) erworben und sollte in Rekordzeit zu einem echten Vorzeigeprojekt für Graz umgebaut werden. Das entsprechende Know-how war bereits vorhanden, denn schon 2005 hatte die GIWOG ein etwas kleiner dimensioniertes Projekt in Linz erfolgreich umgesetzt, wie Baumeister Ing. Alfred Willensdorfer von der GIWOG hervorhebt. Er ist besonders stolz auf das riesige internationale Interesse an diesem Leitprojekt: „Die Baustelle des nach Größe und Innovationsgrad europaweit einzigartigen Projekts hat sich mittlerweile zu einer ‚Pilgerstätte‘ für zahllose Delegationen entwickelt, die ihre positiven Eindrücke im eigenen Wirkungsbereich umsetzen wollen. Damit kommen wir unserer durch die Förderungsgelder übernommene Verpflichtung nach, als Multiplikator in der Verbreitung nachhaltigen Sanierens zu wirken.“

Die Passivhaussanierung nach modernsten Standards ist auch für Umwelt-Landesrat Ing. Manfred Wegscheider ein zentrales Anliegen, nicht zuletzt um die Feinstaubbelastung im städtischen Gebiet wirksam einzudämmen: „Der Austausch von 204 Einzelfeuerungsanlagen sorgt gerade in diesem Gebiet für ‚frischen Wind‘ bei der Reduktion der Feinstaubbelastung. Am Dieselweg werden mit unserer Unterstützung geradezu revolutionäre Maßstäbe gesetzt, denn von einer solchen Modellsanierung profitieren sowohl die MieterInnen als auch die Qualität der Umwelt.“

Enorme Reduzierung des Energieverbrauchs
Am eindrucksvollsten sind die immensen Einsparungen an Energie, die durch das innovative Sanieren nach Passivhausstandard erzielt werden: Alle alten Einzelfeueranlage wurden durch zentrale Wärmepumpenanlagen ersetzt, die durch großzügig dimensionierte Solaranlage unterstützt werden, um den Verbrauch an externer Energiezufuhr niedrig zu halten. Ganz besonders innovativ sind die in die Fassade eingebetteten „Solarwabenelemente“ der Firma gap, die Sonnenlicht in Wärme verwandelt und überdies einen ausgezeichneten Schallschutz darstellt. Insgesamt können durch diese Maßnahmen über 90 % des Energieverbrauches bzw. der CO2-Emissionen eingespart werden. Das Warmwasser wird je nach Jahreszeit bis zu 50 % aus solarthermischen Elementen erzeugt. Die gesamte Anlage wird durch eine Vielzahl von Sensoren über das Internet überwacht, um in Störungsfällen automatisch korrigierend einzugreifen.

Unterstützung durch Land und Bund
Mit der GIWOG habe das Land Steiermark für dieses Erfolgsprojekt den optimalen Partner gefunden, betont Wegscheider. Die viergeschossigen Wohnanlagen, die Mitte der fünfziger und Anfang der siebziger Jahre als „Puchsiedlung“ errichtet wurden, umfassen über 200 Wohnungen, die mit diesem ambitionierten Projekt zwischen Oktober 2008 und Oktober 2009 mit besonderer Berücksichtigung der Bedürfnisse der MieterInnen saniert wurden. Durch den Austausch von ganzen Fassadenelementen und spezielle Dämmungstechniken war ein Auszug der Bewohner während der ganzen Laufzeit nicht erforderlich. Der Gesamtaufwand für die Sanierung beträgt 8,8 Mio Euro und wird aus Mitteln des Landes Steiermark, Ressorts Umwelt bzw. Wohnbauförderung und des Klimaschutzfonds finanziell unterstützt.

ZUR INFORMATION:

Fassadensystems „gap-solar“
Das System setzt sich zur Gänze aus vorgefertigten Fassadenelementen zusammen, die geschoßweise auf die bestehenden Fassaden montiert werden. Das System basiert auf dem Konzept in der Fassade die Strahlungswärme des Sonnenlichts zu puffern, und ebenso die
gewonnene Energie über Speicher zur Versorgung der Wohnungen heranzuziehen. Die bestehenden Wände werden mittels Bauteilaktivierung zur Schaffung des optimalen Innenraumsklimas herangezogen. Stemmarbeiten in den Wohnungen wurden somit obsolet. Der Aufbau der mehrschichtigen Fassadenelemente wird in Pfosten-Riegel-Bauweise hergestellt, der thermisch relevante Kern der Elemente bildet eine Wabenkonstruktion aus Karton, die je nach Jahreszeit und Sonnenstand unterschiedlich als klimaregelnde Schicht fungiert. So dient die Wabe im Sommer als Puffer und verschattet sich selbst und in der kalten Jahreszeit wird ein zusätzlicher Dämmeffekt bewirkt. Als Außenhaut dient eine Glashülle. Weiters wurden offene Balkone und Loggien in ganzjährig nutzbare, rundum gedämmte Veranden verwandelt, die die Nutzbarkeit der Wohnungen verbessert und folglich die Wohnqualität erhöht.

PROJEKTDATEN:

Standort:
Dieselweg, Graz-Liebenau/A
AuftraggeberIn:
GIWOG – Gemeinnützige Industrie-Wohnungs-AG, Linz
www.giwog.at
Planung:
hohensinn architektur, Graz
www.hohensinn-architektur.at
Projektleitung: DI Pair Dicke
Mitarbeit:
Roland Feigl, DI Raphael Gruber, Eva Haselwander, Hernann Nußdorfer
Statik:
gap solution GmbH, Leonding
www.gap-solution.at
Statik Holzbau:
Kulmer Holz-Leimbau GmbH, Pischelsdorf
www.kulmer-bau.at
Haustechnik: FUTUS Energietechnik GmbH, Perg
Energieplanung: Aschauer, TB für technische Physik

Planungsbeginn: 2007
Baubeginn: 06 / 2008
Fertigstellung gesamt: Ende 2009
Nutzfläche: 204 Wohneinheiten
BGF: 14.820 m²
Baukosten netto 8,8 Mio. (exkl. Außenanlagen)

Jahresheizenergiebedarf:
vorher 142 / 184 und 225 kWh/m2, nachher 13,6 /  9,6 und 9,6 kWh/m2 je nach Bestand

Verfasser/in:
Redaktion und Josef Schiffer, Bericht
Matthias Kahlert

Sind das tatsächliche am Zähler gemessene Werte (vorher und nachher), oder theoretisch errechnete Daten? 96% Energieeinsparung erscheint erstaunlich.

Di. 10/11/2009 4:59 Permalink
Josef Schiffer

Der Rückgang beim Wärmebedarf der Objekte betrug nicht 96%, sondern wie im Artikel erwähnt etwa 90% laut den Unterlagen der GIWOG.
Demnach wurden die bestehenden Energieverbrauchsvarianten eingeschätzt, was durch die verschiedensten Einzelfeueranlagen sicher mit einem Unsicherheitsfaktor behaftet ist.
Man ging aus von 142, 184 bzw 225 kWh/m2a und reduzierte die Energiekennzahl nach PHPP auf 13,6; 9,6 bzw. 9,6% kWh/m2a. Diese Werte wurden nach den Angaben von Ing. Alfred Willensdorfer (GIWOG) in der ersten Heizsaison auch in der Praxis leicht erreicht. Nähere Angaben müsste man aber bei den technischen Verantwortlichen einholen. Der Energy Globe wurde unter anderem für diese Leistung verliehen, aber eine ähnliche Reduktion des Wärmebedarfs konnte auch bei vergleichbaren Projekten in Höhe von 90% realisiertwerden, z.B.Bezirkspensionistenheim Birkfeld von 183 auf 15 kWh/m2a (Arch. Kaltenegger)

Mi. 11/11/2009 5:40 Permalink
Josef Schiffer

Birkfeld ist leider ein unpassendes Beispiel, das habe ich erst jetzt gesehen. Grundsätzlich sollten die von den Planern prognostizierten Ziele schon erreicht werden, sonst sind diese auf Dauer wohl unglaubwürdig. Übrigens gibt auch gap-solutions die im vorigen Posting genannten Werte für ihre Planungstätigkeit an: http://www.noest.or.at/downloads/Projektbericht_Dieselweg_v5.pdf
Der konkrete Verbrauch für die abgelaufene Heizperiode müsste von der Giwog erfragt werden.

Do. 12/11/2009 2:54 Permalink
Josef Schiffer

Ad gap-solution: Es tut mir leid, dass Sie mit ihren ästhetischen Konzepten beim Bauhernn nicht durchgedrungen sind. Leider ist Wohnhausbau bzw. -sanierung halt nicht nur eine Frage der "Schönheit", sondern auch der Wirtschaftlichkeit, sonst würden überall 2 Mio Ruckerlbergvillen herumstehen, wobei sich bei manchen dieser Objekte auch fragen lässt, ob sie "schön" sind.
Ich finde, die sanierten Wohnblocks am Dieselweg sehen besser aus als vorher und auch als so manche andere Siedlung, die in den vergangenen 15 Jahren an der Grazer Peripherie aus dem Boden gestampft wurde. Würde hier die Abrissbirne regieren, hätten wir zwar leider viele Obdachlose, aber - mein Gott! - endlich wieder ein Grüneres Graz (im ganz unpolitischen Sinne)

Mi. 11/11/2009 9:09 Permalink
Elisabeth lechner

das sind ganz sicher nur errechnete werte, denn die sanierung des heims ist noch nich fertiggestellt- Baufertigstellung dezember angeblich- daher können keine tatsächlichen werte vorhanden sein.
aktive zahlenspiele tragen nicht unbedingt zum erreichen von passivhausstandards bei oder zu den beabsichtigten klimaschutzzielen.

Mi. 11/11/2009 8:39 Permalink
B. Bertold

gap-solution hat sich ins Zeug geworfen und ein technisch innovatives System entwickelt! Leider wird der gestalterische Aspekt bei diesem Konzept völlig vernachlässigt. Oder sind diese eingepackten 70er-Jahre Wohnbauten etwa schön? Die Vorstellung, dass in Zukunft mehr davon in der Gegend herumsteht, ist nicht gerade beruhigend. Da ist mir die Abrissbirne schon lieber, die immerhin Platz für neue Lösungen schafft.

Mo. 09/11/2009 5:00 Permalink
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