13/11/2010
13/11/2010

Die Bremer Stadtmusikanten – Wohnhaus Tokiostrasse, Wien. Bauherr: NEUES LEBEN Gem.Bau-,Wohn-u.Siedl.Gen.re.GenmbH., Architektur: ARTEC Architekten. Foto: Margherita Spiluttini

Marktgemeindeamt Ottensheim, Oberösterreich. Bauherr: Verein zur Förderung d. Infrastr. d. Marktgem. Ottensheim. Architektur: SUE Architekten ZT KG. Foto: Hertha Hurnaus

Weingut Claus Preisinger, Burgenland. Bauherr: Claus Preisinger. Architektur: propeller z. Foto: Hertha Hurnaus

Überdachung Römersteig Lebing, Steiermark. Bauherr: Gemeinde Eichberg, Bürgermeister Ing. Peter Uhl. Architektur: e. Univ.-Prof. Arch. DI Klaus Kada. Foto: Gerhard Hagen

Am Freitag, dem 12. November 2010 wurde der Österreichische Bauherrenpreis 2010 im Rahmen eines Festaktes im MUMUTH Graz verliehen. Der Bauherrenpreis wird seit 1967 von der Zentralvereinigung der Architekten Österreichs vergeben und ist die jährliche Leistungsschau österreichischer ArchitektInnen über die vergangenen drei Jahre quer durch alle Genres: öffentliche Bauten, Industriebauten, Einfamilienhäuser, sozialer Wohnbau etc. Der Preis würdigt Auftraggeber und Auftraggeberinnen, die sich in besonderer Weise um das Zustandekommen qualitätsvoller Architektur verdient gemacht haben.

Insgesamt hatte die Jury, bestehend aus Maria Auböck (Landschaftsarchitektin, Wien), Otto Kapfinger (Architekturkritiker, Wien), Andreas Meck (Architekt, München), Gerhard Mitterberger (Architekt, Graz) 114 Projekte zu beurteilen. Erstmalig in diesem Jahr wurden die Einreichungen in einem zweistufigen Verfahren behandelt. Pro Bundesland wurden maximal fünf vorbildliche Bauten für den Bauherrenpreis nominiert, was in Summe österreichweit 32 Nominierungen ergab.

DIE 6 PREISTRÄGER SIND:

_ Die Bremer Stadtmusikanten – Wohnhaus Tokiostrasse, Wien
Bauherr: NEUES LEBEN Gem.Bau-,Wohn-u.Siedl.Gen.re.GenmbH.
Architektur: ARTEC Architekten

_ Tourismusschule Bad Hofgastein, Salzburg
Bauherr: Wirtschaftskammer Salzburg
Architektur: fasch&fuchs., Hemma Fasch / Jakob Fuchs

_ Marktgemeindeamt Ottensheim, Oberösterreich
Bauherr: Verein zur Förderung d. Infrastr. d. Marktgem. Ottensheim
Architektur: SUE Architekten ZT KG

_ Weingut Claus Preisinger, Burgenland
Bauherr: Claus Preisinger
Architektur: propeller z

_ Überdachung Römersteig Lebing, Steiermark
Bauherr: Gemeinde Eichberg, Bürgermeister Ing. Peter Uhl
Architektur: e. Univ.-Prof. Arch. DI Klaus Kada

_ Universitäts- und Landesbibliothek Tirol
Bauherr: BIG Bundesimmobiliengesellschaft m.b.H.
Architektur: Eck & Reiter Architekten und Architekt Dietmar Rossmann

PROJEKTBESCHREIBUNGEN (Jurykommentare):
Texte: Otto Kapfinger

Wohnhaus „Die Bremer Stadtmusikanten“
Architektur: ARTEC Architekten

Der aus öffentlichen Mitteln geförderte Wohnbau hat in Wien Tradition und enorme aktuelle Bedeutung. Für die Anpassung an den gesellschaftlichen Wandel, die Umsetzung nachhaltiger städtebaulicher Modelle waren und sind die vorhandenen Strukturen oft zu schwerfällig. Hier hat die Genossenschaft „Neues Leben“ in letzter Zeit mehrmals Herausragendes geleistet, und sie legt mit dieser Anlage - nach eigener Aussage ihre „bisher interessanteste und komplexeste“ - die Latte nochmals höher. Trotz hoher Dichte gelingt eine ungewöhnlich reiche Gliederung, plastische Auflockerung und räumliche Anreicherung der Baumasse, indem der beliebte Typus zweigeschossiger Wohneinheiten mit privaten Terrassen und differenzierten Freiräumen auf acht Etagen übereinandergestapelt ist. Diese „urbane Packung“ unterschiedlicher Raumtypologien bietet zudem mit der lichten Wrschließungshalle zur Straße hinaus wie auch intern großzügige Nutzungspotentiale. Schwimmbad und Liegewiese am Dach, Kleingärten in luftiger Höhe, dem Sonnenlauf nach maßgeschneiderte Volumina und Lichtführungen, - all das wurde in frischer, robuster Architektur mit Niedrigenergiestatus, vom Wettbewerbsverfahren bis zum Detail in Kooperation zwischen Bauherrschaft und Architekten optimal realisiert.

Tourismusschule Bad Hofgastein
Architektur: fasch&fuchs., Hemma Fasch / Jakob Fuchs

Sommer und Wintertourismus sind in Österreich als Wirtschafts- und Imagefaktor bedeutend, erreichen baukulturell aber - mit wenigen Ausnahmen - kein adäquates Niveau. Hier bei künftigen Hoteliers, ManagerInnen, BetreiberInnen Bewusstsein und Anspruch für zeitgemäße Räume und Lösungen zu wecken, ist Chance und dringlicher Auftrag entsprechender Schulung und Aufklärung. Die große Erweiterung in Bad Hofgastein setzt in dieser Richtung baulich einen ganz wichtigen Maßstab und Anreiz. Sie entstand aus EU-weitem zweistufigem Verfahren. Das Siegerprojekt der Architekten fasch&fuchs. wurde durch die Bauherrschaft mit vollem Einsatz bis in die spezielle Möblierung der Freiräume, der Klassen und Internatszimmer umgesetzt. Die avancierte Konstruktion schafft optisch und funktionell ungemein leichte, bewegliche, offene Raumseqenzen mit kontrollierten Lichtführungen und reichen Blickbeziehungen, mit regelrecht „sportiv“ minimierter „Belastung“ des Terrains, mit virtuoser Nutzung bzw. Aktivierung der atmosphärischen Potentiale von Bauplatz und Umgebung. Die Architektur spiegelt bis ins Detail jenen Stand leichter, effizienter, umweltschonender Technik wider, die heute in Gerät und Bekleidung, in Stimmung und Ökologie freizeitlicher Nutzung der Alpen zum (angestrebten) Standard gehört.

Marktgemeindeamt Ottensheim
Architektur: SUE Architekten ZT KG

Bürgermeisterin Ulrike Böker empfing die Jury am Gehsteig, hinter ihr eine auffallend breite Wandöffnung – kein Geschäftsportal, sondern die mit Glastüren einsehbare, aufschiebbare Front des Gemeindesaales: Von der Straße geht es direkt hinein, zieht sich der Boden des öffentlichen Raumes unprätentiös weiter durch den mit Holz ausgekleideten Saal, und der öffnet sich dann mit ebenso flexiblen Glastüren quer auf den Arkadenhof eines uralten Eckgebäudes, das so feinsinnig wie erfrischend zum neuen Sitz der Verwaltung adaptiert ist. So entpuppt sich die Auffüllung einer Baulücke im denkmalgeschützten Ensemble als ein vielseitiges, barrierefreies Gelenk von Innen und Außen, in dem mitten im Ort die politische Debatte stattfindet, wo in einem leicht separierbaren Teil geheiratet wird, wo gefeiert und musiziert, präsentiert und getafelt wird.
Vor Jahren hatte die Gemeinde das Anwesen gekauft, 2005 lief ein Architekturwettbewerb mit unzähligen Auflagen des Denkmalamtes und dem Wunsch nach Transparenz. Das Siegerprojekt stellte den Saal gläsern direkt auf den Platz, doch das wollten die BürgerInnen nicht. Die realisierte Variante ist im Gesamten noch stimmiger: eine authentische Union von politischem und planerischem Engagement, von ungeschönter Renovierung mit eindeutiger Modernität.

Weingut Claus Preisinger
Architektur: propeller z

Die Weingüter Ost- und Südostösterreichs haben seit 1990 außerordentliche Qualitäten entwickelt – in ihren Produkten wie bei den Um- und Neubauten vieler Güter. Im Kontrast zu manch allzu opulenten neuen „Weinschlössern“ zeigt dieser „Aussiedlerhof“ wieder eine schlüssige Einheit von Anlass und Anspruch, von Landschaft, Wirtschaftsform und Bauform. Da der elterliche Betrieb zu klein wurde, suchte Claus Preisinger einen Patz in den Weingärten, kam mit acht verschiedenen Grundbesitzern zum Abschluss, war sich der sensiblen Randlage am „Weltkulturerbe Neusiedlersee“ wohl bewusst und wählte ein in der Nachbarschaft erprobtes Architekturteam. Das Ergebnis des vom biologischdynamischen Betriebskonzept bis ins kleinste Detail auf funktionale und formale Einfachheit bedachten Planungsprozesses resümiert er so: „Wo ich meine Arbeit mache, ist so ziemlich der schönste Platz der Welt!“ Der Bau fügt sich präzise, ruhig ins Gelände, bleibt unter der vorgegebenen Maximalhöhe, blickt mit der „Schank“ oben weit übers Land; die Dachkontur spiegelt den Wechsel der Raumprofile und internen Abläufe; Beton, Holz und Glas schaffen innen ein lichtes, flexibles, „geerdetes“ Ambiente; die Fassaden changieren in Muster und Farbe subtil zwischen Holz- und Betonstruktur.

Überdachung Römersteig Lebing
Architektur: e. Univ.-Prof. Arch. DI Klaus Kada

Ein archäologischer Fund dieser Qualität ist in der Oststeiermark einmalig, doch gab es lange weder Interesse noch Mittel, ihn adäquat zu erhalten, zu präsentieren. Bürgermeister Peter Uhl erkannte die kulturelle Bedeutung, das wirtschaftliche Potential des „Römersteins“ für die Region, erreichte die Mitwirkung des profilierten Architekten, organisierte die Finanzierung des Projektes aus privaten und öffent–lichen Förderungen; Vinzenz Hammerl, vor Jahren Finder der ersten Fragmente auf dem Feld vor seinem Hof, stellte den Platz des ehemaligen Grabhügels zur Verfügung, alle Beteiligten arbeiteten für minimale Honorare. Das skulpturale Stahldach ist nun weit mehr als der denkmalpflegerisch geforderte Schutz. Die Geste der „beschirmenden Hand“ kommt aus einer kraftvollen, auskragenden Konstruktion, die dem antiken Stein absolut Raum lässt, ihm eine fast filigrane Überkuppelung entgegenstreckt. Ihre Spaltung in Hälften, nur über dem Stein mit Glas verbunden, gibt der Stele auch direktes Oberlicht und Verbindung zum Himmel, spiegelt die Dualität des hier begrabenen Paares, auch den „gebrochenen“ Status des Steins und seiner Wiederrichtung in situ. Die Aktion fand riesige Resonanz im Ort und darüberhinaus, markiert lokal einen Wendepunkt der Akzeptanz moderner Baukunst.

Universitäts- und Landesbibliothek Tirol
Architektur: Eck & Reiter Architekten und Architekt Dietmar Rossmann

Öffentliche Bibliotheken gehören zu den wichtigsten Instrumenten demokratischer Gesellschaft und Kultur. Hochbauten der Universität Innsbruck dominieren das Stadtbild an einer Hauptbrücke, ihre internen Bibliotheken waren unübersichtlich verstreut, die Wirkung des Areals zum Stadtraum hermetisch. Der Schlüssel dazu, dass mit dem Neu- bzw. Umbau beide Probleme bestens gelöst wurden, lag in der Bereitschaft des Bauherrn, trotz wohlüberlegter Vorgaben für den Architekturwettbewerb im öffentlichen „Hearing“ einzuräumen, dass auch eine Lösung anderer Art möglich sei und zugelassen werde.
Prompt fand die Jury gerade einen solchen Entwurf „gegen die Vorgaben“ am besten, und der Bauherr akzeptierte ihn nicht nur sondern realisierte das mit großer Begeisterung. Vom Brückenkopf fällt die Straße zur „Uni-Kreuzung“, und die Architekten nutzten das, steckten die Bibliothek als untere, von der Straße direkt zugängliche Ebene unter den Hochbauten durch, schufen darüber eine attraktive Plattform, die nun Straßenraum, Uni-Foyers, Cafeteria und inneren Universitätshof verbindet. Gut verteilte, künstlerisch gestaltete Atrien bieten Sicht- und Lichtschneisen zwischen oben und „unten“ – nun ein erstaunlich angenehmer, konzentrierter und urbaner „Hort des Wissens“.

AUSSTELLUNG:
Die Preisträger, Nominierungen und alle eingereichten Projekte sind ab 16. November 2010 im Haus der Architektur Graz, Mariahilferstraße 2, zu sehen.

Ausstellungseröffnung: 16.11.2010, 19.00 Uhr
Ausstellungsdauer: 17.11. bis 12.12.2010
Öffnungszeiten: DI-SO 10.00-18.00 Uhr

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