22/11/2023

In seinem Beitrag vermittelt Robert Temel welche baukulturpolitischen Schritte in den vergangenen 20 Jahren in Österreich gesetzt wurden und welche nach wie vor fehlen. 

22/11/2023

Christoph Stadlhuber (BIG), Dietmar Steiner, Volker Dienst und Friedrich Achleitner sowie Nationalratspräsident Andreas Khol bei der Enquete zur Architekturpolitik und Baukultur, 2004. Foto: Armin Badel.

©: Plattform Baukulturpolitik

Vierter Baukulturreport 2021. Gestaltung: BKA Design & Grafik.

©: Plattform Baukulturpolitik

Strukturdiagramm der Agentur für Baukultur, wie sie im Vierten Baukulturreport 2021 konzipiert und ausgearbeitet wurde. Diagramm: BKA Design & Grafik.

©: Plattform Baukulturpolitik

Anhand dreier Szenarien verschieden großer Ortschaften zeigte der Vierte Baukulturreport 2021 beispielhaft, welche Maßnahmen mit dem Baukulturförderprogramm für Städte und Gemeinden umgesetzt werden könnten. Illustration: BKA Design & Grafik.

©: Plattform Baukulturpolitik

Vor mehr als zwanzig Jahren, vor der Nationalratswahl 2002, wurde von Akteur*innen der Architekturszene eine Diskussionsrunde mit Spitzenvertreter*innen der Parlamentsparteien organisiert: Herlinde Rothauer für die ÖVP, Josef Cap für die SPÖ und Eva Glawischnig für die Grünen sprachen über die Situation der Architektur und wie man sie verbessern könnte, die FPÖ nahm nicht teil. Obwohl die damaligen Vorschläge der Parlamentarier*innen weitgehend bis heute der Umsetzung harren, wurde die Veranstaltung im Semper-Depot aufgrund der großen Beteiligung und der anschlussfähigen Diskussion als Erfolg angesehen. Auch die im gleichen Jahr erstmals stattfindenden Architekturtage schienen ein neues Interesse zu markieren – es folgte die Idee der Gründung einer zivilgesellschaftlichen Organisation, um das Thema voranzutreiben. Diese Organisation besteht nun seit ungefähr 20 Jahren – nachdem der Begriff der Architekturpolitik bald, aufgrund ähnlicher Diskussionen in Deutschland, durch Baukulturpolitik ersetzt wurde, heißt sie heute Plattform Baukulturpolitik, sie ist ein Verein, der aus etwa 35 institutionellen Mitgliedern aus den Bereichen Bildung und Forschung, Berufs- und Interessensvertretung sowie Baukulturvermittlung besteht.

Die Plattform überzeugte eine Gruppe von Parlamentarier*innen verschiedener Fraktionen, eine parlamentarische Enquete zur „Architekturpolitik und Baukultur in Österreich“ durchzuführen, die 2004 im Sitzungssaal des Nationalrats stattfand. Eine Folge dieser Enquete waren Entschließungsanträge des Nationalrats, mit denen er die Bundesregierung aufforderte, einen „österreichweiten Baukultur-Dialog“ zu starten und im Rhythmus von fünf Jahren einen Baukulturreport über die österreichische Entwicklung im europäischen Vergleich zu erstellen, der einen Beitrag zu einem Diskurs in breiteren Bevölkerungsschichten leisten sollte. Der erste Report, ebenso wie alle folgenden von der Plattform Baukulturpolitik verfasst, erschien 2006 unter breiter Beteiligung unzähliger Akteur*innen aus allen Bereichen der Baukultur. Der Dialog wurde in einen Beirat für Baukultur umgemünzt, der aus Vertreter*innen aller Bundesministerien und anderer Bundesdienststellen, aller Bundesländer und der Fachöffentlichkeit besteht und 2008 mit einer Geschäftsstelle zunächst im Bundeskanzleramt, später im Kulturministerium seine Tätigkeit startete. Aufgabe des Beirats sollte die Beratung der Bundesregierung in Fragen der Baukultur sein.

Diese beiden wichtigen Elemente, der Report und der Beirat, bestehen seither und widmeten sich immer wieder Ansätzen für eine Förderung und Stärkung der Baukultur. 2013 formulierte der Beirat beispielsweise zehn Herausforderungen einer österreichischen Baukulturpolitik und empfahl die Formulierung baukultureller Leitlinien des Bundes und die Prüfung eines Finanzierungsinstruments für Baukulturpolitik. Bald danach startete ein breiter Beteiligungsprozess für die Leitlinien, die schließlich 2017 von der Bundesregierung beschlossen wurden. Und der Baukulturreport 2021 entwarf ein detailliertes Konzept für eine Agentur für Baukultur und ein Baukulturförderprogramm für Städte und Gemeinden, das die in den Leitsätzen formulierten Ziele umsetzen helfen sollte. Parallel dazu wurde das Österreichische Raumentwicklungskonzept ÖREK 2030 erarbeitet, welches erstmals direkt auf Fragen der Baukultur Bezug nahm, sodass 2022 schließlich die beiden Entwicklungsstränge, Baukultur und Raumordnung, in einem so genannten ÖREK-Umsetzungspakt „Raum für Baukultur“ zusammengeführt wurden.

Ein Jahr lang arbeiteten Vertreter*innen von Bundes- und Landesdienststellen an der Umsetzung der Ideen des Baukulturreports 2021, doch am Schluss wurden die großen Ziele auf ein kleines Zielchen zurechtgestutzt, und genau da stehen wir nun: Statt einer Baukulturförderung sollen nur baukulturelle Qualitätskriterien für bestehende Förderungen angewandt werden, wie auch immer das funktionieren soll; und statt einer Agentur für Baukultur soll die aktuelle Geschäftsstelle des Beirats für Baukultur im Kulturministerium „konsolidiert“ werden, was auch immer das bedeuten mag. Über Austauschgremien und Papiere hinausgehende baukulturpolitische Schritte auf Bundesebene gibt es nach mehr als 20 Jahren bis heute nicht, und sie sind auch nicht absehbar, solange nicht starke politische Stimmen auf Bundesebene sich der Baukultur annehmen.

Immerhin hatten die Leitlinien und die Konzepte der Baukulturreports zur Folge, dass sich viele Bundesländer trotz der Enttäuschung durch den Bund beim ÖREK-Umsetzungspakt dem Thema zuwandten und eigene Schritte starteten: Das Bundesland Kärnten erarbeitete Leitlinien und begleitende Programme und startete ein Fortbildungsangebot, Tirol folgte wenig später mit einem eigenen Leitlinien-Entwicklungsprozess, und etliche andere Bundesländer sprangen ebenfalls auf den Zug auf. Auch wenn die Bundespolitik beim Thema Baukultur auslässt, sind die Bundesländer nun aktiv. Das allein wird nicht reichen, Synergien zwischen Bund, Ländern und Gemeinden werden eine Voraussetzung für erfolgreiche Baukulturpolitik sein. Man darf hoffen, dass die dafür nötigen Schritte – eine fachlich fundierte Institution und ein ausreichend finanziell ausgestattetes, qualitätsorientiertes Förderprogramm – in den nächsten Jahren noch genommen werden. Lange genug darüber diskutiert wurde jedenfalls bereits.

_Robert Temel hält am 22.11. einen Inputvortrag zum Thema "Stadtentwicklung – Zukunft der Baukultur" beim 6. StadtDialog Graz.

Wolfgang feyferlik

Die architekturbildungsstätten in dem Text, spielen die Unis keine Rolle mehr, entlässt man sie aus der Pflicht zu diesem Thema was beizutragen ???

Fr. 24/11/2023 9:32 Permalink

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