09/03/2021

Wolkenschaufler_44

Das Problem mit der Übergangslösung

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Die Kolumne Wolkenschaufler von Wenzel Mraček zu Lebensraum, Kunst und Kultur(-politik) erscheint jeden 2. Dienstag im Monat auf GAT.

09/03/2021

Grand Palais Ephémère. Screenshot Mraček, Link: http://www.wilmotte.fr/fr/projet/533/grand-palais-ephemere

©: Wenzel Mraček

Das Problem mit der Übergangslösung

Paris, ein Fest fürs Leben. Möchte man meinen. Das Auswärtige Amt in Deutschland beispielsweise warnt infolge der aktuellen Covid-Statistik vor nicht notwendigen touristischen Reisen und erklärt Frankreich, die Überseegebiete ausgenommen, zum Risikogebiet. Nach dem Brand von Notre Dame vor zwei Jahren, will Präsident Macron die Kathedrale bis zum Sommer 2024 wieder repariert wissen, weil dann die Olympischen Sommerspiele in Paris beginnen. Das Weichbild der französischen Metropole soll den bekannten Ansichten entsprechen. Aber da gibt es ein paar weitere Baustellen, die sich möglicherweise nicht ganz den Veduten gerecht erweisen könnten: Wegen umfassender Renovierungsarbeiten werden während der Olympischen Spiele die Ausstellungsbauten Grand Palais und das Centre Pompidou wohl geschlossen bleiben.
Noch in diesem Frühjahr aber soll ein Ersatzbau für das Grand Palais auf der Grünfläche des Marsfelds neben dem Eiffelturm fertiggestellt sein. Der kreuzförmige Entwurf des Büros WILMOTTE & ASSOCIÉS sieht ein Hauptschiff in der Länge von 145 Metern und ein Querschiff von 140 Metern vor mit einer Gesamthöhe von 20 Metern. Getragen wird das Objekt von vorgefertigten Holzrahmen, die mit einer semitransparenten „Schale“ verkleidet werden. Das temporär angelegte Gebäude soll nach den Olympischen und Paraolympischen Spielen wieder abgebaut werden.
Im Grand Palais Ephémère genannten Bauwerk sollen in den kommenden Jahren die Kunstmessen FIAC und PARIS PHOTO stattfinden, Reitturniere, die Modeschauen von Chanel und die olympischen Judo- und Ringerbewerbe. Beworben wird das Grand Palais Ephémère unter anderem damit, dass es sich „nach dem Vorbild der großen Weltausstellungen des 19. und 20. Jahrhunderts, perfekt in die Geschichte des Ortes“ einfüge, nachdem das Grand Palais ja zur Weltausstellung von 1900 errichtet worden war.
Das vorrangige Problem dürfte nun aus den notwendigen 8000 Quadratmeter einnehmenden Parkplätzen und Zufahrten im Bereich der Grünflächen des Marsfeldes entstanden sein. Anrainer und die Bürgermeisterin des siebenten Bezirks, Rachida Dati, werfen der Stadtverwaltung und den „Bauherren“ Staatliche französische Museen (Réunion des musées nationaux) vor, das Grand Palais Ephémère ohne weitere Absprache zu errichten. Ein Rechtsstreit, in dem auch die Verbauung der Grünflächen mit Blick auf den Eiffelturm behandelt wird, ist trotz der Bauarbeiten anhängig – und irgendwie sind wir an das Problem um den Canaletto-Blick und den Wiener Heumarkt erinnert.
Wenngleich es den Anrainern des Marsfeldes vor wenigen Jahren schon gelungen ist, den Blick frei zu halten und die Errichtung einer gläsernen Friedensmauer zu verhindern beziehungsweise die Aufstellung einer groß dimensionierten Plastik der Künstlerin Clara Halter, wird sich nun wohl das nationale Interesse durchsetzen. Wenn der Bau auch als „wiederverwendbar“ beschrieben wird, muss das zudem auch nicht heißen, er werde an einem anderen Ort wieder verwendet. Die Vedute wird hinkünftig wohl eine andere sein.

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