10/12/2019

Wolkenschaufler_29

Das nationale Freiheits- und Einheitsdenkmal Bürger in Bewegung sollte auf dem Berliner Schlossplatz bis 2017 realisiert werden.

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Die Kolumne Wolkenschaufler von Wenzel Mraček zu Lebensraum, Kunst und Kultur(-politik) erscheint jeden 2. Dienstag im Monat auf GAT.

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10/12/2019

Denkmal "Bürger in Bewegung" auf dem Berliner Schlossplatz, Entwurf von Milla & Partner, 2010. Bildherkunft: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Das_Nationale_Freiheits_und_Einheit…

©: Milla & Partner

Gemeinsames Wippen oder Wo ein Wille …

Wenn man sich nicht einig wird, hapert es fallweise an der zeitnahen Einrichtung avisierter Sinnbilder von Einheit – in diesem Fall, der Errichtung eines Freiheits- und Einheitsdenkmals in zeitlichem Abstand von ungefähr einer Generation nach der deutschen Wiedervereinigung 1989/90.

Die Initiative Denkmal Deutsche Einheit (Florian Mausbach, Günther Nooke, Jürgen Engert, Lothar de Maiziére) richtete 1998 einen Brief an die Bundesregierung und den Berliner Bürgermeister mit dem Vorschlag, ein „Bürgerdenkmal“ an einem zentralen Ort in Berlin zu errichten, das an das „historische Glück“ und die „Freudentränen“ erinnern möge. Ein erster überparteilicher Antrag wurde im April 2000 vom Kulturausschuss des Bundestags abgelehnt. 2007 schrieb die „Bundesstiftung Aufarbeitung“ einen ersten Wettbewerb an Studierende um Entwürfe aus, und im selben Jahr beschloss der Bundestag die Errichtung eines Denkmals. Aus diesem frühen Wettbewerb ging der Entwurf von Bernadette Boebel (Studentin an der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe) hervor. Zwei große Ringhälften sollten aneinander gestellt sein, damit Betrachter je nach Perspektive zwei Teile oder einen geschlossenen Ring wahrnehmen sollten. Es folgte eine monatelange Standortdiskussion mit dem Ergebnis, das Objekt auf dem Sockel der nicht mehr bestehenden Reiterstatue Wilhelms I. auf der Schlossfreiheit zu errichten. Zunächst aber wurden die Initiatoren von 1998 für ihr Vorhaben mit dem Deutschen Nationalpreis 2008 bedacht.

2008 folgte ein weiterer Wettbewerb um einen Entwurf, auf den keine Entscheidung folgte. 2010 dann kam es zu einem mehrstufigen Verfahren, nach dem man sich für den Entwurf von Milla & Partner (Agentur für Kommunikation im Raum) in Zusammenarbeit mit der Choreografin Sasha Waltz entschied. Das Monument mit dem Titel Bürger in Bewegung ist eine begehbare, schalenartige Form mit einer Fläche von 700 Quadratmetern und einer Länge von 50 Metern, die sich durch Gewichtsverlagerung von Besuchern bewegen soll. Flexible Stahlnetze an der Unterseite der 150 Tonnen schweren Konstruktion sollen den Zugang in diesem Bereich verhindern.

Milla & Partner entwickelten den Entwurf bis zur Baureife 2013. Im Jahr 2015 wurde dann die Baugenehmigung erteilt. Mit Kosten von 17 Millionen Euro wurde gerechnet, hinzu kommen jährliche Betriebskosten von 200.000 Euro. Mag sein, dass Planung und Bau eines Flughafens zwar einer völlig anderen Dimension entsprechen – eine große Wippe aufzustellen, dürfte jedenfalls auch nicht gerade leicht zu schaukeln sein. Im April 2016 stoppte der Haushaltsausschuss des Bundestages die weiteren Planungen mit der Begründung, aufgrund einer Umsiedlung von Fledermäusen und den Auflagen des Denkmalschutzes für das historische Gewölbe im Sockel seien die Kosten gestiegen. 2017 wurde der Bau abermals beschlossen. Aber nun waren plötzlich die Eigentumsverhältnisse am Bauplatz unklar. Diese geregelt, wurde die Baugenehmigung bis Oktober 2019 verlängert und die Mittel wurden freigegeben. Angestrebt war eine Fertigstellung bis zum 30. Jahrestag der Deutschen Einheit im Oktober 2020.

Im Mai dieses Jahres (2019) allerdings trat der Filmemacher Christoph Lauenstein auf den Plan, der nun Milla & Partner vorwirft, die Einheitswippe plagiiere die Idee seines Animationsfilms Balance (von 1989, das Jahr, in dem die Mauer fiel), für den er 1990 den Oscar für den besten animierten Kurzfilm erhielt. Auch die Fledermäuse sind zurück und überwintern im Sockel des Denkmals. Nun kommt ein Baubeginn, so der Naturschutzbund, vor Mai 2020 nicht in Betracht. Der Bau der Waage bleibt damit weiterhin vage, während die Eröffnung des Flughafens Berlin – andere Baustelle, jetzt wirklich – im Oktober 2020 erfolgen soll. Da wäre dann auch der 30. Jahrestag der Deutschen Einheit zu begehen und den Flughafen BER könnte man – im 14. Jahr des Bauens – danach auch kurzfristig für Adaptierungen wieder schließen. Ein Vorschlag des Wolkenschauflers, nachdem viel Einmischung geschieht, wenn viel Zeit dafür verbleibt.

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