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Klaus Schafler, „Hacking Kulmland“, Pischelsdorf, 1. Oktober 2011, 14:14 Uhr
©: Wenzel Mraček

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Kolumne
Wolkenschaufler_13

Künstler machen Wetter
Wenn künstlich erzeugtes Klima, Anlagen-Klima, nach Stan Cox das Sozialverhalten der Menschen beeinflusst, erscheint diese Erkenntnis wie das Eintreffen fiktiver Eröffnungsszenarios in Romanen von Bernhard Hüttenegger (10) oder Peter Weber (11).  Wetter, Klima, Wolken werden zu Synonymen für das Befinden von Individuen und ihren Beziehungskalamitäten. Hütteneggers Protagonist Kainer erhält vom Institut für Soziometeorologie den Auftrag, das Wetter zwischen den Menschen zu beobachten. Dagegen sitzt Webers Wettermacher im Keller und erschreibt nicht allein Wetter, sondern mit durchaus gottgleichem Anspruch eine utopische Welt mit historischen Anklängen.
Kolportiert wurde, dass Besucher von Olafur Eliassons The Weather Project (2003/04 Tate Modern) vor dieser Installation mit künstlicher Sonne und leichtem Nebel aus einem Gemisch von Zucker und Wasser zur Ruhe kamen und einschliefen – dem Klima geschuldet. In mehrfacher Hinsicht arbeitete Walter De Maria 1977 mit atmosphärischer Spannung. Nach striktem Konzept konnten Besucher gegenüber dem Areal von einer Quadratmeile für jeweils 24 Stunden in der Wüste New Mexicos provozierte Blitzentladungen beobachten.
Glücklicherweise vergebens versuchte Timm Ulrichs in einer Performance den Blitz auf sich zu lenken (Timm Ulrichs den Blitz auf sich lenkend, 1977/79). Nackt und mit einer fünf Meter hohen Antenne auf den Rücken geschnallt, überquerte er, vor Publikum und unter wolkenverhangenem Himmel, mehrmals ein Fußballfeld.
Roni Horn wird immer wieder als die „große Poetin des Wassers und des Wetters“ bezeichnet. Oft metaphorisch, dann wieder synonym ist Wetter eines der großen Motive ihres Werks zwischen Individuum und Umwelt. „Weather ist the key paradox of our time. Weather that is nice is often weather that is wrong. The nice is occurring in the immediate and individual, and the wrong is occurring systemwide“, wurde Horn 2010, anlässlich ihrer Ausstellung im Kunsthaus Bregenz, zitiert. In einer Fotoserie aus dem Jahr 1995 ist das sich minimal verändernde Gesicht einer jungen Frau zu sehen, die ein Bad in einer heißen isländischen Quelle nimmt: You Are The Weather (1995) lautet der Titel.

HACKING KULMLAND
Mit Umsetzung nun schon etlicher Module verfolgt Klaus Schafler sein Projekt 2050, in dem er verschiedenste Problematiken der Globalisierung thematisiert, speziell soziale und geopolitische Ereignisse und deren Auswirkungen. Die einzelnen Module resultieren dabei aus von ihm angestellter Recherche oder Feldforschung und werden von Fall zu Fall in Zusammenarbeit mit Wissenschaftern verschiedener Disziplinen, Künstlerkollegen oder Architekten realisiert. Künstlerische Techniken und Praktiken variieren dabei entsprechend jeweiliger Intention und Anforderung. Schafler reflektierte im Steirischen Herbst 2005 in der Zukunftsvision einer Tankstadt 2050 das Systemische eines real existierenden Netzwerkes, dessen Knotenpunkte Tankstellen sind, gleichsam (zukünftige) Zentren im (sub)urbanen Raum. Im Sinn von Nicht-Orten oder Übergangsräumen sind sie dennoch vorrangig mit der Pragmatik mobiler Gesellschaften verbunden – und sie erfüllen darüber hinaus die Funktion sozialer Zentren, wenn nicht von Brennpunkten. Tankstellen sind in mehrfacher Hinsicht Kulminationsorte der Kommunikation. In einem weiteren Zusammenhang allerdings, und ganz im Sinn Michel Foucaults Heterotopien, sind Tankstellen Repräsentanten der weltweiten Petroindustrie und aller mit ihr wirtschaftlich, politisch also gesellschaftlich und – wie auch immer es hier verstanden werden kann – klimatisch konnotierten Umstände.
Was Stan Cox 2010 in seiner Publikation thematisiert, hatte Klaus Schafler schon 2009 mit einer Installation unter dem Titel Schubumkehr /Thrust Reversal im Grazer Kulturzentrum bei den Minoriten ins Auge gefasst. „Endlich keine Luft mehr“ stand an der Wand eines Raumes zu lesen, daneben eine ganze Batterie von Klimaanlagen, deren Ansicht schon bedrohlich genug wirkte. Sie mussten gar nicht erst in Betrieb genommen werden. Raumklima, das angenehm ist, könnte man in Anlehnung an Roni Horn diese Installation paraphrasieren, hat die Beinträchtigung des Umgebungsklimas zu Folge. Gegenüber dieser Darstellung als Pars pro toto wird allein die Vorstellung des Energieaufwands und der Umweltschäden durch weltweite Verwendung von Klimaanlagen zum Schreckensbild. Dem begegnete Schafler wiederum mit beißender Ironie und zeigte in Verbindung mit der Installation die Fotografie eines Mannes, dessen Kopf im Ausgang eines Entlüftungsrohres steckt.

Auf einer 2009 in London stattgefundenen Nobelpreisträgertagung regte der US-amerikanische Energieminister Steven Chu an, Hausdächer in Amerika, und möglichst auf der ganzen Welt, weiß zu streichen. So würden bis zu vier Fünftel der Sonneneinstrahlung reflektiert und vor allem in Städten müssten Gebäude weniger stark klimatisiert werden. Es käme zu einer Verminderung von Kohlendioxid-Ausstoß, entsprechend der Menge, die durch Autos weltweit in elf Jahren verursacht wird. Im Vordergrund einer dahingehenden Studie, die ein Wissenschafter-Team des National Center for Atmospheric Research um Keith Oleson anstellte, steht das Stadtklima. Der in Städten auftretende Hitzeeffekt, vermutet Oleson bestärkt durch Computersimulationen, könnte allein durch weiße Dächer um durchschnittlich 0,4 Grad gesenkt werden (12). Während eines Sommertages im Großraum New York City entspricht dies 1,1 Grad Temperaturabsenkung. Den sogenannten Albedo-Effekt (13) wollen die New Yorker Bürgerinitiativen Cool Roofs und White Roof Project (14) nutzen und rufen zum gemeinsamen Weißen auf.

Klaus Schaflers davon angeregtes Modul im Rahmen 2050 nannte er HACKING KULMLAND (15). Unter Beteiligung der Einwohner der oststeirischen Gemeinde Pischelsdorf wurde die 1.400 Quadratmeter große Bodenfläche des Hauptplatzes mit weißer Leimfarbe gestrichen. Vorrangiges Ziel dieser Kunstaktion im öffentlichen Raum war der Nachweis des – tatsächlich eingetretenen – Albedo-Effekts. Das Institut für Meteorologie und Geophysik der Universität Wien richtete dafür eine Wetter-Messstation ein, mittels welcher Veränderungen des Mikroklimas im Bereich des Hauptplatzes erfasst wurden. Professor Reinhold Steinacker verzeichnete bei strahlendem Sonnenschein an seiner Messstation eine Absenkung der Temperatur um knapp zwei Grad Celsius gegenüber dem zu erwartenden Temperaturanstieg um die Mittagszeit. Wie geplant entfernte die Pischelsdorfer Feuerwehr nach zwei Tagen die Leimfarbe mittels Löschgerät.

Fußnoten

1  Stan Cox: Losing Our Cool. New York 2010.
2 Vgl. Florian Rötzer auf www.heise.de/tp/blogs/2/147951
3  Ebda.
4  Vgl. Helfried Valentinitsch, Ileane Schwarzkogler (Hg.): Hexen und Zauberer. Bd. 2, Graz 1987, S. 179.
5  Vgl. Carlo Ginzburg: Hexensabatt. Frankfurt a. M. 1993, S. 165f.
6  Vgl. Frank Thadeusz: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-77222656.html
7  Ruedi Haenni: Wetter nach Wunsch? www.meteoradar.ch/tests/Wetter.pdf
http://appft1.uspto.gov/netacgi/nph-Parser?Sect1=PTO1&Sect2=HITOFF&d=PG01&p=1&u=/netahtml/PTO/srchnum.html&r=1&f=G&l=50&s1=%2220090173386%22.PGNR.&OS=DN/20090173386&RS=DN/20090173386
http://www.radenthein.at/nebel.htm
10  Bernard Hüttenegger: Die sanften Wölfe. Reinbeck bei Hamburg 1982.
11  Peter Weber: Der Wettermacher. Frankfurt a. M. 1993.
12 Vgl. Renate Bader: Gegen die Hitze der Stadt. http://www.wissenschaft-online.de/artikel/1031003&_z=859070"www.wissenschaft-online.de/artikel/1031003&_z=859070
13  Die Albedo (lateinisch albedo = „Weißheit“; v. lat. albus = „weiß“) ist ein Maß für das Rückstrahlvermögen von diffus reflektierenden, also nicht selbst leuchtenden Oberflächen. Die Albedo ist vor allem in der Meteorologie von Bedeutung, wo sie Aussagen darüber ermöglicht, wie stark sich Luft über verschiedenen Oberflächen erwärmt. Die Eis-Albedo-Rückkopplung ist in der Klimatologie ein wesentlicher, den Strahlungsantrieb und damit die Strahlungsbilanz der Erde beeinflussender Faktor, welche relevant für den Erhalt des Weltklimas ist.
14  https://www1.nyc.gov/nycbusiness/article/nyc-coolroofs
15  http://www.youtube.com/watch?v=e88yBLY6Pg4"www.youtube.com/watch?v=e88yBLY6Pg4

Verfasser / in:

Wenzel Mraček

Datum:

Tue 14/08/2018

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