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Sebastian Höglinger und Peter Schernhuber übernehmen neu nach sechs Jahren Barbara Pichler die Intendanz der Diagonale. Damit verbunden wurden erste zarte Positionsbekenntnisse durch die neuen Verantwortlichen gesetzt. Das Erscheinungsbild des Filmfestivals stellt sich im Logo quer und gibt sich unruhig. Programmschienen wurden gestrafft und neue Rahmenprogramme rund um die Diagonale geschaffen. Der Katalog hat an Größe und Gewicht zugenommen.
Rund um das Kunsthaus Graz wird der Versuch unternommen, erstmals einen Festivaldistrikt zu etablieren. Wer will, kann sich dort und an anderen Plätzen kopfüber in die Nacht lassen und am nächsten Tag erholt/gerädert wieder beim Cinema Next Breakfast Club aufrecht/gebeugt in Diskussionen sich einbringen.
Für den Festivalbesucher, der Filme sehen will, werden in den sechs Tagen 158 Produktionen in 130 Vorstellungen in den bewährten vier Festivalkinos zu sehen sein.
Die Filme mit den deutlichsten Architekturbezügen laufen schon seit 11. Februar im Space05 des Kunsthauses Graz. Sasha Pirker und Lotte Schreiber gestalteten im Rahmen der neuen Ausstellungsreihe Offenes Haus die heurige, sehr empfehlenswerte Ausstellung zur Diagonale. In FILM erforschen die beiden Künstlerinnen mit Kurzfilmen und Installationen jeweils ein für die Kunst bedeutsames Gebäude.
Sasha Pirker widmet sich in wortwörtlich zu nehmenden Seitenblicken der von Donald Judd gegründeten Chinati Foundation in Marfa, Texas. Bei Lotte Schreiber bevölkern Archetypen Wittgensteins Villa in Wien.
Die Filme These Walls were built by Donald Judd (One Chapter, In Texas) und Manchmal also denkt man, weil es sich bewährt hat – Wittgensteins Haus sind im Rahmen des Kurzdokumentarfilmprogramms auch auf der großen Leinwand zu sehen.
Angela Christlieb stellte sich in ihrer Dokumentation die Frage: Whatever happened to Gelitin? In einer skurrilen Spurensuche nach der legendären Aktionistengruppe zeugen ein Mix aus aktuellen Interviews von KünstlerkollegInnen und Archivmaterial vom „unfassbaren Ausmaß des kreativen Gelitin Kosmos“.
Ein Epitaph auf den 2007 aus dem Leben geschiedenen Filmemacher Jörg Kalt ist Shops around the Corner. Das 1998 gedrehte Rohmaterial (Kamera: Eva Testor) zeigt den Umbruch eines New Yorker Stadtviertels an der Schnittstelle zwischen Little Italy und Chinatown. Jörg Kalt übergab den unbearbeiteten Film kurz vor seinem Tod Nina Kusturica, mit der Bitte, ihn fertigzustellen. Knapp zehn Jahre später löst die Filmemacherin ihr Versprechen ein.
Raumkraft nannte Carl Schappeler 1920 die von ihm entdeckte neue Energieform, eine Revolution für die Technik. Er fand sofort viele namhafte Sponsoren, restaurierte mit den Geldern ein desolates Schloss, das zum Forschungszentrum umgebaut werden sollte. Mangels Ergebnissen, die Raumkraft in der Realität ankommen zu lassen, verpufften Idee und Geldflüsse nach einer Dekade wieder. Angela Summereder nimmt in Aus dem Nichts die Person Schappeller als Ausgangspunkt, um über die Grenzen von Glauben und Wissen, Vision und Hybris filmisch zu reflektieren.
Sturmjahre – Der Leidensweg Österreichs entstand im selben Jahr, in dem der Raumkraftentdecker verarmt starb: 1947. In der schon bewährten Kooperation mit dem Filmarchiv Austria präsentiert die Diagonale gegensätzliche Positionen des österreichischen Kinos der „Stunde Null“. Sturmjahre blenden in die Zeit von 1936 bis 1946 zurück. Ernst Kieringer beschreibt im Katalog den Film als „eine Form der visuellen Folklore, die sich in den kommenden Jahren zu prägenden Geschichtsbildern, zur Lebenslüge dieses Landes verfestigen wird.“
Zu diesem Thema passend ist die einzige Alltagsgeschichte von Elizabeth T. Spira, die nie im ORF ausgestrahlt wurde, stattdessen im Giftschrank verschwand. Am Stammtisch räsonieren 1988 inmitten des Waldheimkonflikts „Patrioten“ aus Wien, Steiermark, Tirol und Kärnten wie Österreich war und wie die Welt sein sollte.
Damit das Lachen nicht nur im Hals stecken bleibt, sondern sich befreien kann, wechseln wir zum Ende auf einen anderen, nur von Insidern entdeckten Planeten. Planet Ottakring von Michi Riebl zeigt humorvoll, dass Chaos nicht nur für das Funktionieren eines Mikrokosmos unablässig ist, sondern auch ungerechte Wirtschaftssysteme bedarfsgerechter aufstellen kann.
Ein letzter Tipp für alle, die nicht gerne lange still sitzen können. Am 10. März verlässt die Diagonale ihren geschützten Raum und wird zum temporären Wanderkino. Street Cinema Graz erinnert im Gries und Lend mit Projektionen auf Hauswänden an die ehemaligen Kinos in diesen Bezirken.
Vorführtermine
- These Walls were built by Donald Judd (One Chapter, In Texas)
Sasha Pirker 2015 – 6 min
Mi 09.03.2016, 16:15 Uhr, UCI Annenhof Saal 5
Do 10.03.2016, 18:30 Uhr, Schubertkino 2
- Manchmal also denkt man, weil es sich bewährt hat - Wittgensteins Haus
Lotte Schreiber 2016 – 20 min
Mi 09.03.2016, 21:00 Uhr, UCI Annenhof Saal 5
Do 10.03.2026, 13:30 Uhr, UCI Annenhof Saal 5
- Whatever happened to Gelitin?
Angela Christlieb 2016 – 82 min
Do 10.03.2016, 11:00 Uhr, UCI Annenhof Saal 5
Sa 12.03.2016, 21:00 Uhr, Rechbauerkino
- Shops around the Corner
Jörg Kalt (Fertigstellung Nina Kusturica) 2016 – 70 min
Do 10.03.2016, 16:00 Uhr, UCI Annenhof Saal 5
Sa 12.03.2016, 18:30 Uhr, Rechbauerkino
- Aus dem Nichts
Angela Summereder 2015 – 91 min
Mi 09.03.2016, 18:00 Uhr, Schubertkino 1
Fr 11.03.2016, 11:30 Uhr, UCI Annenhof Saal 5
- Sturmjahre – Der Leidensweg Österreichs
Frank Ward Rossak / Herbert Heidmann 1947 – 80 min
Do 10.03.2016, 11.30 Uhr, Schubertkino 1
- Alltagsgeschichte - Am Stammtisch
Elizabeth T. Spira, 1988 – 59 min
Mi 09.03.2016, 21:00 Uhr, Schubertkino 2
- Planet Ottakring
Michi Riebl, 2015 – 85 min
So 13.03.2016, 16:00 Uhr, UCI Annenhof Saal 5
- Street Cinema Graz
Do 10.03.2016, 20:00 Uhr
Treffpunkt: HDA - Haus der Architektur Graz
- FILM
Sasha Pirker / Lotte Schreiber
Kuratiert von: Roman Grabner
12.02.– 03.04.2016, 10:00-17:00 Uhr
Space05 Kunsthaus Graz
Freier Eintritt
Datum:
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Fri 12/02/2016 10:00am - Sun 13/03/2016 17:00pm
_Ausstellung, Graz
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