01/07/2009
01/07/2009

Foto: Emil Gruber

Ein Jahrzehnt Thalia

Am 8. April 1999 veröffentlichte die damalige Stadtregierung Graz folgende Erklärung: „Einvernehmliche Entscheidung für das Funktionskonzept der Thalia: In der Thalia sollen eine Probebühne für die Vereinigten Bühnen, das Filmfestival "Diagonale", ein Restaurant und Geschäfte untergebracht werden sowie ein Komplex für den "steirischen herbst" und die "Styriarte" (bei Einigung mit Landeshauptmannstellvertreter Dr. Peter Schachner-Blazizek) oder ein Hotel entstehen. Dieses Raumkonzept entspricht dem bestehenden Rahmen der Bebauungsdichte.“ (nachzulesen unter http://graz.at/news/thalia.htm)

Zwei Jahre später wurden die Baurechte für 45 Jahre von der Stadt Graz an den Investor und Bauträger Acoton verkauft. Der heutige Bürgermeister Nagl zeichnete als Stadtrat für Finanzen und Liegenschaften verantwortlich.
Wie ja mittlerweile hinlänglich bekannt, wich das Thalia-NEU-Konzept der Acoton erheblich vom Ursprungsgedanken ab und erzeugte von Beginn an einen Reigen an Konflikten mit Bürgerinitiativen, der Altstadtkommission, dem Weltkulturerbe. In den Medien wurden unzählige Berichte und Kommentare dazu verfasst, jede Menge Interviews mit Beteiligten geführt, Positionen bezogen (als retrospektive Übersicht dazu sei auf die Sammlung der zwischen 1997 bis 2007 erschienenen Schlagzeilen auf der Homepage der Bürgerinitiative ALS verwiesen: http://www.8ung.at/bials/Thalia.htm#Meldungen).

Das Ergebnis nach einer Dekade: eine architektonische Bankrotterklärung und ein finanzieller Trümmerhaufen. Acoton möchte sein selbst konstruiertes Fass ohne Boden wieder abstoßen, die Arena Thalia wenn möglich nur mit einem leicht hellblauen Auge durch einen Notausgang verlassen. Die ÖVP unter Siegfried Nagl kann sich durchaus mit einer vorzeitigen Vertragsauflösung für den Langzeitpartner anfreunden. In Zahlen gesehen soll die Stadt - also der Steuerzahler - als neue und alte Eigentümerin die bestehenden Verbindlichkeiten von rund 10 Mio Euro übernehmen und zusätzlich in den Ausbau des geplanten Fitnessstudios investieren. Kostenpunkt: nochmals beinahe 10 Mio Euro. Laut Stadtrat Rüsch ein Investment, das sich in rund 30 Jahren wieder amortisiert hätte. Alternative Varianten sieht die Stadt „nur“ als Haftungsträger für kommende Investitionen und/oder Minderheitseigentümer vor. Da sich aber bisher keine andere Partei, auch nicht der Koalitionspartner, mit einem dieser Szenarien bei der letzten Sitzung vor dem Sommer anfreunden konnte, wurde eine Entscheidungsfindung bis nach den großen Ferien vertagt.

Vertagung? Wozu eigentlich? Was kann es außer einem „Nein“ zur finanziellen Unterstützung einer Fehlkalkulation mit Steuermitteln aus einer ohnehin ebben Stadtkasse denn geben? Jedem Investor sollte der Begriff „unternehmerisches Risiko“ bekannt sein. Die Firma Acoton, die mit ihrer langjährigen Erfahrung an jedes ihrer Projekte mit entsprechendem Verantwortungsbewusstsein herangehen sollte, wird neben den erwarteten Renditen und Gewinnen wohl auch ein Worst Case Scenario für den Fall der Fälle erhoben haben. Auf seiner Homepage präsentiert sich das Unternehmen schließlich selbstbewusst laut Eigenbeschreibung „als einer der größten und erfolgreichsten Baukonzerne“.
Daher kommen ein Jammern über Banken, die keine Gelder mehr bereitstellen wollen und Menetekel, dass der seit zehn Jahren ohnehin im baulichen Wachkoma befindliche Patient Thalia ohne Errettung durch die Stadt endgültig dem Untergang geweiht sei, nicht gerade sehr überzeugend daher.

Übrigens - dies als Information zur Geschichte der Thalia - wurde 1899 als letzte Aufführung im Theater am Stadtpark, dem Vorläufer des Gebäudes an diesem Platz, ein Raimundstück gebracht: „Der Verschwender“.

Verfasser/in:
Emil Gruber, Kommentar
Werner Swoboda

für ein Fitnessstudio bei freiem Eintritt für alle Steuerzahler in den nächsten 30 Jahren ...? - also wirklich notwendig ist das nicht in dieser grausligen Hütte - aber meinetwegen OK !

Mi. 01/07/2009 6:10 Permalink
Werner Swoboda

die anderen 10 Mio nur wenn Politiker Hausverbot bekommen bitte

Mi. 01/07/2009 6:13 Permalink
B. Bertold

Nur unter einer Bedingung hätte ich nichts gegen den Rückkauf der Thalia durch die Stadt Graz einzuwenden: wenn sie nämlich aus dem verpfuschten Bauwerk ein Mahnmal machen würde (dazu wäre allerdings ein gehöriges Maß an Selbstkritik nötig ...), das daran erinnert, wie man es nicht macht, schon gar nicht an einem derart sensiblen Ort mit denkmalgeschützter Architektur bzw. was herauskommt, wenn man statt eines offenen Architekturwettbewerbs in Kooperation mit der Kammer ein geladenes Gutachterverfahren mit 3 Teilnehmern ohne Kooperation mit derselben macht. Eines sei Herrn Bgm: Nagl ins Stammbuch geschrieben: Vergib Superedifikate nur an seriöse Investoren, die nicht nur das schnelle Geld im Blick haben! Im Fall der Acoton und Superedifikat für den Andreas-Hofer-Platz ist der Zug allerdings leider schon abgefahren.

Fr. 03/07/2009 9:29 Permalink
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