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Brugger: Jein. Leoben war ein Lehrbeispiel, entweder es gelingt, das Erscheinungsbild zu erhalten, oder man lässt die Finger davon. Das, was in Leoben passiert ist, das ist noch viel weiter gegangen. Das Gebäude stand nicht unter Denkmalschutz, sondern wurde durch Ensembleschutz zum Denkmal. Im Fall des Hafnerriegels soll das Erscheinungsbild mehr oder weniger gleich bleiben. Das Erscheinungsbild beim Huth-Projekt in Leoben ist ein komplett anderes. Das hat nichts mehr mit dem alten Gebäude zu tun, das ist mehr oder weniger ein Neubau, der zufällig die gleiche Grundform hat.
GAT: Wenn bei manchen Bauwerken der Transport der Idee im Vordergrund steht, wird sich der Denkmalschutz bei Gebäuden, welche technisch nicht funktionieren, dann künftig auf die Dokumentation beschränken? Würde das dem Transport der Idee bereits gerecht werden, sodass das betreffende Gebäude selbst abgebrochen werden kann? Müsste man dann frühzeitig eine umfassende Dokumentation des Objektes im Originalzustand fordern und betreiben?
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Brugger: Das ist ein Gedankenspiel, das durchaus naheliegt und in manchen Fällen auch so enden kann. Wenn das Material nicht mehr zu retten ist, wäre dann die Dokumentation das, was für die Zukunft aufgehoben werden kann. Diese Vorgangsweise ist analog zur Archäologie, wo ausgegraben wird, dokumentiert, befundet und erforscht. Im Fall des Huth-Gebäudes in Leoben wäre das wahrscheinlich der richtige Weg gewesen.
GAT: Besteht auch die Möglichkeit, seitens des Denkmalschutzes zu bestimmen, dass Gebäude nicht wärmegedämmt werden, wenn das Erscheinungsbild dadurch grob verändert würde?
Brugger: Selbstverständlich, das Erscheinungsbild ist doch wesentlicher Anteil des Denkmalwertes. Aber daran knüpft sich das Problem, dass die Frage in die Wirtschaftlichkeit abgleiten kann. Der § 5 des Denkmalschutzgesetzes ist so formuliert, dass wirtschaftliche Belange im Bewilligungsverfahren für den Umbau besondere Beachtung finden müssen, wenn dadurch die langfristige Erhaltung des Denkmals unterstützt wird. Am Beispiel des Hafnerriegels: Wenn der Eigentümer sagt, eine Investition zahlt sich wirtschaftlich nicht aus, er will das Gebäude gar nicht angreifen, dann können wir zusehen, wie das Objekt in kurzer Zeit verfällt und weg ist. Wenn jemand kommt und sagt, er investiert für eine wirtschaftliche Nutzung, die den langfristigen Erhalt des Objektes sichert, dafür aber diverse Eingriffe vornehmen muss, dann müssen wir abwägen und entscheiden, inwieweit der Denkmalcharakter damit erhalten bleibt. Da gibt es kein Patentrezept. Es wird auch in Zukunft sicher Objekte geben, wo wir sagen, hier geht gar nichts, und andere, wo wir Zugeständnisse machen müssen. Jeder Dachgeschossausbau ist letztlich auch ein Zugeständnis an die Wirtschaftlichkeit.
GAT: Zum Thema Wirtschaftlichkeit und Erhaltung war zuletzt auch die Eishalle Liebenau in den Medien präsent.
Brugger: Die Liebenauer Eishalle steht derzeit unter Schutz und ist meiner Meinung nach unbedingt erhaltenswert. Ich werde mich sicher dafür einsetzen, dass die Halle bestehen bleibt. Eventuell können spätere Einbauten, die den Charakter verändert haben, wieder zurückgebaut werden, aber die Grundsubstanz wird zu erhalten sein. Meinem Augenschein nach sollte das auch technisch kein Problem darstellen.
GAT: Ist die Terrassenhaussiedlung ein Thema für eine Unterschutzstellung?
Brugger: Ja, sie steht auf unserer Agenda, ich kann aber noch nicht genau sagen, wann es soweit sein wird. Die Gebäude der 1950er- und 1960er-Jahre werden immer mehr zum Thema. Wir stecken bei diesen Gebäuden aber in einem zweifachen Dilemma. Zum einen betrifft das die angesprochenen bautechnischen und bauphysikalischen Probleme. Zum anderen ist es schwierig, bei relativ jungen Objekten deren Wertigkeit in der Architekturgeschichte zu definieren. Teilweise stehen nicht einmal die ArchitektInnen hinter ihrem Werk. Wir tun uns daher wesentlich leichter bei historischen Objekten, wo ja auch bereits eine natürliche Auslese stattgefunden hat. Vereinfacht formuliert – wenn etwas aus der Gotik, der Renaissance oder dem Barock die Jahrhunderte bis in die Gegenwart überdauert hat, dann muss es eine gewisse Qualität haben. Im Fall der Gebäude der 1950er- und 1960er-Jahre stellt sich die Frage: Was wird sich als stilbildend und schuletypisch herausstellen?
GAT: Sind diese Gebäude nicht gegenwärtig akut gefährdet durch den ungebrochenen Trend zur thermischen Sanierung?
Brugger: Das betrifft gleichermaßen auch die historischen Objekte. Der Druck der thermischen Sanierung bereitet uns allergrößte Probleme. Wir bekommen beispielsweise Unterlagen von Firmen, die historische Gesimse und Verzierungen aus Dämmstoffen herstellen, um sie auf Gebäude zu applizieren. Das sieht schrecklich aus, auf einem Niveau von Disneyland. Das Denkmalamt setzt sich daher bewusst mit der Frage Energieeffizienz und Baudenkmal auseinander. Wir haben beispielsweise eine Broschüre zur Energieeffizienz von Baudenkmälern publiziert.
GAT: Andere Länder und Kontinente sehen durchaus neidisch auf unsere Baudenkmäler. In Las Vegas wird Venedig nachgebaut, in China Hallstatt. Bei uns lechzen die Investoren danach, alte Substanz abzubrechen.
Brugger: Der Prophet zählt im eigenen Land nicht. Der Unterschied liegt darin, dass anderswo ein romantisches Bild erzielt wird, indem ein Teil historischer Städte nachgebaut wird, während wir mit diesen Objekten tatsächlich leben. Wenn in China Hallstatt nachgebaut wird, passt das auch in die Kultur der Chinesen, wo dem Bild eine besondere Bedeutung verliehen wird und nicht der Substanz. Die Fixierung auf das originale Material entspricht eher einer europäischen Einstellung.
GAT: Wie steht es um das Glashaus im botanischen Garten?
Brugger: Wir haben eine Proberestaurierung vorgenommen. Die Bundesimmobiliengesellschaft sagt, sie darf an den Objekten nur dann etwas machen, wenn dadurch irgendeine Form der Nutzung möglich wird. Es gibt ein vergleichbares Beispiel in Slowenien in Sežana, wo ein Glashaus als Ausstellungsort in einem Park integriert und in Verwendung ist.
GAT: Wir danken für das Gespräch.
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Hofrat Mag. Dr.phil. Christian Brugger wurde im Jänner 2008 zum Landeskonservator für die Steiermark bestellt. Brugger hat sich während seines Kunstgeschichtestudiums an der Karl-Franzens-Universität Graz, das er 1995 mit einer Dissertation über die „Kirchenbauten in der Zeit des Historismus in der Steiermark“ mit dem Doktorat abgeschlossen hat, intensiv mit Architektur, Denkmalpflege und regionalem Kunstschaffen befasst.