_Rubrik: 

Interview
Was unter Schutz steht, steht unter Schutz
da brauchen wir nicht drüber zu diskutieren.

Brugger: Das Denkmalamt selbst ist zwar eine Behörde, hat aber keine Exekutionsgewalt. Exekutieren muss das Gesetz für uns die zuständige Bezirksverwaltung, im Fall Graz das Magistrat mit der Bau- und Anlagenbehörde. Wir haben also die Möglichkeit, über unsere Rechtsabteilung bei der Bau- und Anlagenabteilung anzeigen zu lassen, sie möge entsprechende Maßnahmen ergreifen. Im Gesetz ist es so formuliert: Wenn diese Behörde von sich aus von dem Umstand weiß, dann muss sie auch selbstständig tätig werden. Wir selbst haben überhaupt keine Möglichkeiten. Wir können Missstände nur bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde anzeigen. Das ist natürlich eine gewisse Schwäche im Denkmalschutzgesetz, weil die Wege zum Teil relativ lange sind.

GAT: Das würde bedeuten, wenn jemand mit dem Abbruch eines geschützten Objektes oder eines Gebäudes beginnt, welches in einem Unterschutzstellungsverfahren steckt, dann können Sie nichts dagegen unternehmen?

Brugger: Wenn ein Unterschutzstellungsverfahren läuft und wir erfahren, dass der Abbruch des Gebäudes beginnt, dann gibt es nach dem Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz §57 [Gefahr im Verzug, Anm. der Redaktion] die Möglichkeit einer sofortigen Unterschutzstellung. Das bedeutet, dass dann von unserer Rechtsabteilung in Wien dem Eigentümer/der Eigentümerin unverzüglich ein Bescheid zugestellt wird. Wenn dieser/diese den Abbruch weiter vorantreibt, macht er/sie sich damit strafbar.

GAT: Im Fall des Hafnerriegels gibt es einen gültigen Abbruchbescheid für die außenliegende Treppe. Wie sieht die Situation hier aus?

Brugger: Ja, da gibt es einen gültigen Abbruchbescheid. Das Verfahren der Unterschutzstellung ist gegenwärtig im Laufen. Die Frist der Stellungnahme war ursprünglich bis Ende Mai, aber der Bauwerber hat um Verlängerung ersucht.

GAT: Das ist problemlos möglich?

Brugger: Ja, das geht. Ein Unterschutzstellungsverfahren funktioniert so: Der Eigentümer/die Eigentümerin bekommt eine Vorankündigung, ein Schreiben, in dem steht, dass das Denkmalamt aufgrund eines Gutachtens beabsichtigt, das betreffende Objekt unter Denkmalschutz zu stellen. Das Gutachten wird allen Parteien zur Kenntnis gebracht. Dazu kann der Eigentümer/die Eigentümerin eine Stellungnahme oder ein Gegengutachten abgeben, welches sich auf gleichem Niveau bewegen muss wie das Sachverständigengutachten. Das entspricht dem österreichischen Verwaltungsweg mit dem Parteiengehör. Da es fachlich auf gleicher Ebene sein muss, werden solche Gegengutachten häufig bei Externen beauftragt. Wenn sich das nun zeitlich nicht ausgeht, dann kann um Fristerstreckung ersucht werden. Die Behörde, die das Verfahren durchführt, ist die Rechtsabteilung des Denkmalamtes. Diese hat zu entscheiden, wann alle Argumente auf dem Tisch liegen. Sie entscheidet auch, welches der vorliegenden Gutachten glaubwürdiger ist. Sie stellt den Bescheid aus, gegen den in Folge berufen werden kann. Derzeit ist in der Berufung das Ministerium zuständig.

GAT: Was bedeutet das im konkreten Fall für die Treppe beim Hafnerriegel?

Brugger: Das ist unproblematisch. Sollte jemand versuchen, die Treppe abzubrechen, selbst mit dem Abbruchbescheid der Stadt Graz, dann würde sofort eine §57-Feststellung auf dem Tisch liegen, womit das Objekt unter Schutz steht und der Abbruch illegal wäre. Abgesehen davon befürchte ich hier keine solche Situation. Wir haben gute Gespräche mit den Eigentümern und mit deren Rechtsvertretern.

GAT: Wie sieht es betreffend die Fassade des Hafnerriegels aus? Wurde hier ein Projekt eingereicht?

Brugger: Dazu hat es bereits zahlreiche Vorgespräche mit meinen Mitarbeitern gegeben. Generell ist das ein schwieriger Punkt, der die Idee des Denkmalschutzes für Bauten des dritten Viertels des 20. Jahrhunderts betrifft. Bei allen früheren Bauten haben wir relativ wenige Schwierigkeiten. Es wurden immer mehr oder weniger dieselben Materialien eingesetzt und diese haben empirisch funktioniert. Ziegel, Stein, Kalkmörtel, Holzdächer mit ordentlichen Dachbeständen und Ziegeldeckung. Da wissen wir, das funktioniert bei ein wenig Pflege über Jahrhunderte. Nach dem Zweiten Weltkrieg, mit dem Aufkommen moderner Baustoffe, wurde in großem Ausmaß mit Materialien und Konstruktionen experimentiert, die sich teilweise nicht als nachhaltig und dauerhaft erwiesen haben. Damit stecken wir in einem Dilemma. Der Denkmalschutz in seiner traditionellen Vorstellung geht immer davon aus, dass an erster Stelle die Substanzerhaltung und die Bewahrung des Erscheinungsbildes stehen. Wenn irgendwo Reparaturen nötig sind, dann sind diese mit den historischen Materialien durchzuführen. Das funktioniert bauphysikalisch und die Authentizität wird aufrechterhalten. Diese Herangehensweise wirft nun Probleme mit Materialien auf, welche schlichtweg nicht funktionieren. Eine Asbestdämmung kann ich nicht 1:1 ergänzen, ich kann sie genau genommen gar nicht im Gebäude lassen. Wir haben auch Glasverbindungen und Metallverbindungen, welche ursprünglich gehalten haben, aber nun beginnen, zu versagen, weil die Fehlertoleranzen teilweise gegen Null gehen.

Es stellt sich hier also die Frage, ob nicht auch das Transportieren der Idee dem Denkmalschutz entspricht, auch wenn das nur mit anderen Mitteln gelingt. Vorausgesetzt natürlich, dass das Erscheinungsbild passt und der Originalzustand dokumentiert wird. Diesbezüglich sind wir Denkmalpfleger selbst in einem Denkprozess. Können nicht auch die Form und das Aussehen den Denkmalwert indizieren?

Beim Hafnerriegel ist es so, dass eine damals neue Fassadenverkleidung und Befestigungstechnik zum Einsatz gekommen ist, welche aber aus heutiger Sicht energetisch unbrauchbar und nicht nachhaltig ist. In so einem Fall ist für uns wichtig, dass im Endeffekt das Erscheinungsbild weitgehend beibehalten wird, auch wenn die Technik eine andere ist.

GAT: Besteht dann die Gefahr, dass dasselbe passiert wie mit dem Forschungszentrum Leoben von Eilfried Huth?

Verfasser / in:

Martin Brischnik
Petra Kickenweitz

Datum:

Wed 18/07/2012

Terminempfehlungen

Artikelempfehlungen der Redaktion

Das könnte Sie auch interessieren

Infobox

Hofrat Mag. Dr.phil. Christian Brugger wurde im Jänner 2008 zum Landeskonservator für die Steiermark bestellt. Brugger hat sich während seines Kunstgeschichtestudiums an der Karl-Franzens-Universität Graz, das er 1995 mit einer Dissertation über die „Kirchenbauten in der Zeit des Historismus in der Steiermark“ mit dem Doktorat abgeschlossen hat, intensiv mit Architektur, Denkmalpflege und regionalem Kunstschaffen befasst.

Kontakt:

Kommentar antworten