27/11/2014

Die Urban Future Global Conference fand am 18. und 19. November 2014 im Messe Congress Graz statt, wo über 1000 KonferenzteilnehmerInnen aus 43 Ländern die Zukunft der Städte diskutierten.

Mehr als 190 ReferentInnen sprachen zu den Themen Mobility, Ressources/Energy, Communications, Living & City Planning und Government.

GAT berichtet in 4 Teilen:

_  City Planning

Die, 25.11.2014

_  Communications

Mi, 26.11.2014

_  Living

Do, 27.11.2014

_ Urban Future Bar

Fr, 28.11.2014

27/11/2014

URBAN FUTURE Global Conference 2014 in Graz

©: URBAN FUTURE Global Conference

„Future depends on what you do today.”
  Mahatma Gandhi

Trotz des einigermaßen unheilvollen Übertitels Immobilien-Schwerpunkt wird am Mittwoch um 9:00 Uhr Leistbarer Wohnraum im Rahmen von Smart Living & City Planning angesteuert. Chair Prof. Ing. Mag. Dr. Robert Kremlicka (A.T. Kearney Inc.) eröffnet die Session mit dem ersten Referat von Dr. Frank-Georg Rips, dem Präsidenten des Deutschen Mieterbundes:

Status Quo: So steht es um Wohnraum in der D-A-CH-Region

Bezahlbare Wohnungen bzw. leistbare Wohnungen sind definiert über eine Obergrenze von Gesamtmietausgaben von 33% des Haushaltsbudgets. Bei den derzeitigen Mietpreisen ist es aber nicht selten, dass einkommensschwache Schichten bis zu 50% ihres Einkommens aufwenden müssen, was einen sehr geringen Spielraum für die allgemeine Lebensführung offen lässt. Als Gründe nennt Dr. Rips:

  • die fortschreitende Demontage des gemeinwirtschaftlichen Wohnungssektors u.a. auch durch Umwandlungen von Mietwohnungen in Eigentum,
  • die durch die (künstliche?) Verknappung ermöglichte Finanzialisierung der Immobilienmärkte (Wohnungen werden wie Aktien gehandelt), und
  • jene Wohnungskäufe, die durch zunehmende Privatisierung der Altersvorsorge motiviert sind.

Die zunehmende Polarisierung der Wohnraumversorgung nach Einkommensunterschieden und Arbeitsmarktlagen wird verschärft durch das Sonderproblem der Flüchtlingsunterbringung. Allgemeine Trends wie der demographische Wandel, der die Gesellschaft langsam alt aussehen lässt, oder die wohl auch dadurch bedingte veränderte flexiblere, teilweise unterbrochene Lebensführung (Singularisierung der Haushalte…) tragen ebenfalls dazu bei, dass in Ballungszentren und Universitätsstädten Mangel an Raum, in kleineren ländlichen Orten Leerstand herrscht. (Gerade diese zunehmende Ausdifferenzierung der Wohnungsmärkte wird aber in den seltensten Fällen tatsächlich als Gesamtbild gesehen, geschweige denn behandelt.)
Mögliche Antworten auf all diese Problemlagen sieht Dr. Rips vor allem in der Revitalisierung des öffentlich geförderten Wohnbaus, der ja vor allem in Deutschland beinahe aufgehoben wurde. Alle weiteren genannten Lösungsansätze wie „Bildung, Wirtschaft, Arbeit im Quartier“ (BIWAQ, EU-Ebene), „Soziale Stadt“ (Deutschland), eine Aufstockung der Städtebauförderung oder eine Mietpreisbremse liegen ebenfalls auf juridisch-politischer Ebene.

Zukunftsforscher Harry Gatterer entwirft ein humorvolles, aber vielleicht etwas oberflächliches Bild von Wie Menschen in Zukunft wohnen werden. Zutreffend ist sicherlich die Aussage, dass der Wohnbau aufgrund der systemimmanenten Trägheit immer etwa 10 bis 15 Jahre hinter den aktuellen Bedürfnissen „nachhinkt“ oder dass die Zukunft sich nicht mehr in Funktionssystemen, sondern nur in Netzwerken denken lässt.

DI Alois Aigner von ARE Austrian Real, einer BIG-Tochter, sieht den gegenwärtigen Preisauftrieb (das Wort Blase wird tunlichst vermieden!) nicht durch eine überdurchschnittliche Steigerung des Baukostenindizes (2005 – 2013: bki +27%, vki + 13%?), sondern durch die exorbitante Zunahme der Grundstückspreise gegeben. Die Bauträger „verdienen derzeit Geld mit Warten“, Baugrundstücke werden unter den verschiedenen Besitzern wie Aktien gehandelt, die Behörde „hilft“ durch lange Wartezeiten. Seine Lösungsvorschläge wären eine Rückverteilung der Widmungsgewinne durch eine Bindung an die infrastrukturelle Entwicklung, eine stärkere Förderung der öffentlichen Verkehrsmittel im urbanen Raum bei gleichzeitigem Wegfall des Ausbaus der Tiefgaragen, kleiner bauen (Stichwort Wien: 23qm) sowie höher bauen.

Leistbarer Wohnraum und die Regulierung

Der Chair der zweiten Session, Dr. Wolfgang Amann, Direktor des IIBW, betont ebenfalls, dass die Baukosten über Jahre nur leicht über der Inflationsrate liegen. Inwieweit aber Gesetze, OIB und ÖNORMEN und die wachsenden Qualitätsstandards größere Wohnungen erfordern, die dann wiederum bezahlt werden müssen, führt zur Frage, inwieweit die Regularien für die Steigerung der Wohnkosten zuständig sind.

Ing. Alfred Graf, Vorstandsdirektor der Gedesag, und Herwig Pernsteiner, Geschäftsführer der Innviertler Gemeinnützigen Wohnungs- und Siedlungsgenossenschaft, geben einen Überblick über die Systematik der Gesetze und Richtlinien verschiedener politischer Ebenen und über einige Stolpersteine, die sich aus ihrer Praxis ergeben:
Das wäre zum Beispiel der enorm gestiegene Dokumentationsaufwand, der sich aus der B1300, den Wartungs- und Instandhaltungspflichten ergibt, dass im derzeitigen Standard-Wohnbau die 100%ige Ausführung der Barrierfreiheit nach B1600 eine Vergrößerung des Grundrisses bis etwa 14% bedeuten kann, oder dass bei der geforderten Energieeffizienz z.B. beim Passivhaus das Nutzerverhalten ausschlagkräftiger für die Wirtschaftlichkeit ist. Bekannte Quintessenz ist, dass geförderter Wohnbau durch die höheren Auflagen oftmals qualitativ besser (und für die Bauträger somit weniger lukrativ?) ist als freifinanzierte Vorhaben.

Nun hätte man beinahe Mitleid mit Ing. Stefan Wagmeister (Austrian Standards Institute), der als letzter Redner das Normungswesen „verteidigen“ muss und nach seinem Vortrag auch recht heftig angegriffen wird: Zum einen aufgrund der rechtlich unüberschaubaren Situation, dass von einem Privatinstitut aufgestellte Regeln in Gesetzesrang erhoben werden, dass u.U. gerade für „kleine“ Büros hohe Kosten entstehen, wenn sie all diese Regeln käuflich erwerben, oder dass  die vielgepriesene Mitbestimmung dann obsolet wird, wenn man überlegt, dass man für die Mitarbeit erstens bezahlen muss und zweitens – wen wundert dies an dieser Stelle noch? – die Gremien zu 59% aus der Privatwirtschaft bestückt werden.

Wohnbau und Politik

In der dritten Session zum Thema Leistbarer Wohnraum und Politik erinnert vor allem die Diskussion zwischen DI Alexander Pongratz (Landeinnungsmeister Wirtschaftskammer Steiermark & Geschäftsführer Pongratz Bau), Landesrat Johann Seitinger, Dr. Frank-Georg Rips sowie dem ehemaligen Salzburger Landesrat Walter Blachfellner ein wenig an eine sozialromantische Variante von Wünsch Dir was:
Neben dem bereits angesprochenen Abspecken der Regulierungen wird generationengerechtes Wohnen beschworen (wenn schon nicht gedacht und gebaut), WohnbauEIGENTUM (?) soll wieder stärker gefördert werden (damit wenigstens der Mittelstand aus einer vollends segregierten Stadt in die zersiedelten Randgebiete flüchten kann?), und auch die gute alte Zweckbindung kommt wieder zur Sprache (wobei sich alle darüber einig sind, dass man aus verschiedenen nichtgenannten Gründen nie wieder in diesen begnadeten Zustand zurückkehren können wird).

PS: Über Architektur, die helfen könnte, einige dieser Anforderungen durch intelligente, flexible Lösungen auszubalancieren, wurde in diesen drei Panels im Übrigen nicht gesprochen – am Rande wurde aber erwähnt, dass ja auch "...die Architekten soviel kosten...".

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