12/08/2020

Ungebautes ans Licht geholt

Salzburg: Vier Künstlerische Interventionen in Räumen nie gebauter Festspielhäuser

Anlässlich des 100-Jahr-Jubiläums der Salzburger Festspiele werden vier nicht gebaute Architekturprojekte durch künstlerische Interventionen im öffentlichen Raum sichtbar und erlebbar gemacht: am Mönchsberg, im Schlosspark Hellbrunn, am Kapuzinerberg und im Mirabellgarten. Sie dokumentieren, wie sich die Festspielhäuser in die Stadt- bzw. den Naturraum eingeschrieben hätten.

Idee / Projektleitung
Dr. Norbert Mayr, Architekturhistoriker

Beauftragung
Salzburger Festspiele 2020

Die Installationen sind von August – Dezember 2020 zu sehen.

12/08/2020

Mönchsberg, Esther Stocker, 'Knitterskulptur'. Foto SF/Lukas Pilz

©: Salzburger Festspiele

Hellbrunn, Maria Flöckner & Hermann Schnöll, Norbert Mayr. Foto SF/Lukas Pilz

©: Salzburger Festspiele

Kapuzinerberg, Werner Feiersinger, 'Tafel, 2019–20'. Foto SF/Lukas Pilz

©: Salzburger Festspiele

Mirabellgarten, Isa Rosenberger, 'Portalrahmen'. Foto SF/Lukas Pilz

©: Salzburger Festspiele

Ein zerknitterter Plan auf der Wiese, eingeschlagene Pflöcke im Tiergarten, eine weiße Tafel im Wald und goldene Rahmen im barocken Garten: An vier unterschiedlichen Orten erinnern vier Werke zeitgenössischer KünstlerInnen ab 27. Juli 2020 an verworfene Ideen zur Erbauung eines Festspielhauses in Salzburg. Die Idee von Festspielen und ein dafür zu errichtendes Haus waren von Anfang an – schon vor dem 1. Weltkrieg und vor allem danach von Max Reinhardt (1873–1943) – miteinander verknüpft, was zu Architektur-Entwürfen an mehreren potenziellen Bauplätzen führte. Bescheiden waren diese Entwürfe nicht, galt es doch, den exklusiven – Richard Wagner gewidmeten –, 1876 gegründeten Bayreuther Festspielen Paroli zu bieten.
Vier dieser zwischen 1890 und 1951 angedachten Planungen für ein inklusives Haus der Künste (Schauspiel, Oper, Konzert), wurden 2020 anlässlich 100 Jahre Salzburger Festspiele durch künstlerische Interventionen aus dem Vergessen geholt: Vier KünstlerInnen wurden von den Salzburger Festspielen 2020 eingeladen, auf die ehemaligen Festspielhaus-Ideen Bezug zu nehmen und auf die Intentionen der damaligen Architekten sowie den Raum, in dem die Bauten entstehen sollten, zu reagieren.

Die KünstlerInnen und ihre Arbeiten

  • Esther Stocker, Wien
    Dreiteilige Knitterskulptur für den Mönchsberg, 2019/20.
    Die Künstlerin reagiert auf das Mozart-Festspielhausprojekt der Wiener Architekten Fellner & Helmer am Mönchsberg aus dem Jahr 1890. Diese wollten mit ihrem Bau das Richard-Wagner-Festspielhaus in Bayreuth übertreffen.
    Esther Stocker inszeniert mit ihrer dreiteiligen Skulptur den Raum, verschiebt die Wahrnehmung und macht ihn für die BesucherInnen neu erlebbar. Die zerknüllten Entwurfsideen thematisieren Ordnung und Unordnung, System und Systemzerstörung. Darüber hinaus stellen die Skulpturen unter Nutzung von Texten aus dem Jahr 1890 einen direkten Zusammenhang mit dem geplanten Festspielhaus her.
  • Maria Flöckner & Hermann Schnöll, Norbert Mayr, Salzburg
    Intervention im Schlosspark in Hellbrunn, 2019/20
    Das Team reagiert mit seiner Intervention auf das Festspielhausprojekt im Hellbrunner Schlosspark, das Architekt Hans Poelzig, Berlin, 1922 entwarf. Vom Bauplatz war Max Reinhardt bereits 1917 überzeugt, dass er der beste sei.
    Das Architektenteam Maria Flöckner und Hermann Schnöll setzt gemeinsam mit Norbert Mayr eine mit Versatzstücken des Bauens spielende Intervention, welche die Größenordnung des Poelzig-Projekts von 160 Metern Länge bewusst macht. Der abgesteckte Raum kann auf einer markierten Achse durchschritten werden, auch im benachbarten Tiergarten wird er angedeutet. Sogenannte „Platzanweiser“ entlang der Achse bieten Orientierung, einzelne Bereiche wie Bühne oder Auditorium erstehen vor dem geistigen Auge.
  • Werner Feiersinger, Wien
    Tafel, 2019/20, Eine Intervention für den Kapuzinerberg.
    Der Künstler reagiert am Kapuzinerberg auf das Festspielhausprojekt von Architekt Otto Reitter, Salzburg, aus den Jahren 1942/43, wo das NS-Regime einen mächtigen Solitär errichten wollte.
    Werner Feiersinger, inspiriert durch die Plastizität des Modells im Salzburg Museum, transformiert dieses zu einem Teilobjekt seines bemerkenswerten künstlerischen Konzepts. In der für den Künstler typischen ästhetischen Formulierung schafft er ein Kunstwerk, das mit einer scheinbar verharmlosenden, spielerischen Kopie des Modells irritierend auf den geplanten historischen Entwurf hinweist. Durch die Positionierung in der Nähe eines Aussichtspunktes und die Benutzbarkeit durch die BesucherInnen wird das Objekt zu einem Ort der Kommunikation.
  • Isa Rosenberger, Wien
    Portalrahmen für den Mirabellgarten, 2019/20.
    Die Künstlerin reagiert mit ihrer Intervention auf das Festspielhausprojekt im Mirabellgarten, in dem Architekt Clemens Holzmeister 1950/51 ein Gebäude plante, das den barocken Mirabellgarten samt Festungsblick ins Bühnengeschehen integrieren sollte.
    Isa Rosenberger setzt mit ihrem Entwurf ein reduziertes Zeichen im barock gestalteten Mirabellgarten, das einen wichtigen Kontrapunkt zur Umgebung darstellt. Die Höhe des Objekts in Anlehnung an Holzmeisters Entwurf erinnert an das geplante historische Konzept und verändert den Blick auf den Stadt- und Parkraum sowie die Wahrnehmung des Raumes. Rosenberger schafft mit dem geplanten Objekt eine benutzbare Bühne, um für die BesucherInnen neue Blickpunkte und Sichtweisen erfahrbar zu machen.

Die Installationen sind von August bis Dezember 2020 am Mönchsberg, im Schlosspark Hellbrunn, am Kapuzinerberg und im Mirabellgarten zu sehen.

KünstlerInnen-Biografien

Esther Stocker
Geboren 1974 in Schlanders, Südtirol. Von 1994 bis 2000 Studium an der Akademie der bildenden Künste in Wien, der Accademia di Belle Arti di Brera in Mailand und am Art Center College of Design in Kalifornien. Seit 2000 ist sie als freischaffende Künstlerin im Bereich Malerei, Installationen, Skulpturen und Wandarbeiten tätig. Zahlreiche internationale Einzel- und Gruppenausstellungen sowie permanente Wandarbeiten/Installationen. 2020 erhält Esther Stocker den Prix Aurelie Nemours.

Maria Flöckner & Hermann Schnöll
Maria Flöckner studierte in Wien bei Anton Schweighofer, Hermann Schnöll bei Hans Hollein. Ihr baukünstlerisches Werk erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Österreichischen Bauherrenpreis und den Architekturpreis des Landes Salzburg 2000 und 2008. Sie wurden zweimal zum europäischen Mies-van-der-Rohe-Preis nominiert und waren bei der Architekturbiennale in Venedig 2008 vertreten. 2018 haben sie den internationalen Wettbewerb zur Erweiterung des Mozarteum Salzburg gewonnen.
Norbert Mayr, HTBLA, Studium der Kunstgeschichte, Architekturhistoriker, Stadtforscher, Autor (Architekturgeschichte und -theorie, Stadtentwicklung, Denkmalpflege). Seit 2012 Geschäftsführer M2plus.

Werner Feiersinger
Geboren 1966 in Brixlegg. Von 1984 bis 1989 Studium der Bildhauerei an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien sowie von 1991 bis 1993 an der Jan van Eyck Academie in Maastricht. 1999 Gastdozent an der École nationale supérieure des beaux-arts de Lyon, von 2002 bis 2006 Universitätslektor an der TU Wien und von 2006 bis 2008 Gastprofessor an der Universität für angewandte Kunst Wien. Zahlreiche Ausstellungen sowie Skulpturen im öffentlichen Raum in den Niederlanden, der Schweiz und Österreich.

Isa Rosenberger
Geboren 1969. Studium an der Universität für angewandte Kunst in Wien und an der Jan van Eyck Academie in Maastricht. Künstlerische Arbeiten in Medien wie Video, Fotografie und Installationen an der Schnittstelle von Kunst und (Erinnerungs-)Politik. Seit 1999 Lehrtätigkeit u.a. an der TU Graz, Akademie der bildenden Künste Wien und TU Wien. Zahlreiche Ausstellungen, Festival-Beteiligungen und Auszeichnungen, darunter der Otto Mauer Preis (2008) und der Outstanding Artist Award für Video und Medienkunst (2012).

Terminempfehlungen

Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
GAT+