07/10/2011
07/10/2011

Aktuelles Rendering des eingereichten Projekts von Zaha Hadid Architects. (Bildrechte: WEGRAZ / Zaha Hadid Architects)

Der Wettbewerbsentwurf von 2004. (Bildrechte: WEGRAZ / Zaha Hadid Architects)

Das ehemalige Kommodhaus kurz vor dem Abriss 2003. (Foto: Wenzel Mracek)

Ende 2013: An der Ecke Burggasse/Einspinnergasse landet wieder ein Friendly Alien in Graz. Diesmal nicht als Realisation einer Sixties-Utopie, sondern mit Seventies-Retro-Schick. Und diesmal von Zaha Hadid. Der Name? An dieser Adresse wird wohl jedes Haus "Kommodhaus" heißen.

Nach einer jahrelangen rechtlichen Auseinandersetzung wird die wahrscheinlich berühmteste Baulücke in Graz wieder bebaut. Die Geschichte des Kommodhauses soll an dieser Stelle nicht in ihren vielen Facetten wieder aufgerollt werden, nur so viel: Ausgerechnet im Kulturhauptstadt-Jahr 2003 wurde das Kommodhaus mit dem beliebten, Namen gebenden Lokal, in dem auch viele Künstler verkehrten, unter teils heftigen Protesten abgerissen. Nach jahrelanger Vernachlässigung durch wechselnde Besitzer hielt der damalige Eigentümer Reinhard Hohenberg schlussendlich einen rechtsgültigen Abbruchbescheid in den Händen und das Biedermeierhaus aus dem Jahr 1819 war Geschichte. Eines wurde durch die rechtskonforme, aber ethisch fragwürdige Praxis (das Kommodhaus war nur der Höhepunkt mehrerer umstrittener Abbrüche der vorangegangenen Jahre) auf jeden Fall erreicht: die Sensibilisierung der Öffentlichkeit (und als Folge davon auch der Politik) für das baukulturelle Erbe der Stadt, auch abseits einiger weniger Tourismusattraktionen.

Einzelnen Stimmen forderten prompt die Rekonstruktion der Fassade, was aber, wie unter anderem Christian Andexer anmerkte, nichts als ein pseudohistorisches "absurdes Theater" gewesen wäre. Die Lücke sollte mit hochwertiger zeitgenössischer Architektur gefüllt werden. Vom Eigentümer WEGRAZ wurde ein geladener internationaler Architekturwettbewerb ausgeschrieben, aus dem 2004 die britisch-irakische Architektin Zaha Hadid und ihr Partner Patrick Schumacher als Sieger hervorgingen. Der nicht unumstrittene Entwurf – Eilfried Huth etwa bezeichnete das siebengeschoßige Gebäude wortgewandt als einen „Strudelauflauf mit Fettaugen“ und Herbert Missoni ortete nicht unberechtigt eine "Überdimensionalität" – sah in Erdgeschoß, Mezzanin und Untergeschoß verschiedene Gastronomienutzungen und in den Obergeschoßen ein Boardinghouse (ein Apartment-Hotel für länger verweilende Gäste) vor.

Letzte Woche war es schließlich so weit und die WEGRAZ reichte die Pläne bei der Baubehörde ein. Geschäftsführer Dieter Johs erwartet die Baugenehmigung im ersten Quartal des kommenden Jahres und hofft, das Gebäude bis Ende 2013 eröffnen zu können. Der, aufgrund seiner nicht gerade zurückhaltenden Fassade, polarisierende Entwurf wurde in Abstimmung mit der ASVK vom Büro Hadid und deren Innsbrucker Partnerbüro Malojer mehrfach adaptiert, insbesondere auch der Anschluss an die beiden Nachbargebäude. Positiv ist hervorzuheben, dass die entwerfenden Architekten selbst für die Veränderungen verantwortlich zeichnen und nicht ein "Hausarchitekt", wie auch Hadid es bei dem Wohnbau in der Wiener Spittelau schmerzhaft zu spüren bekam, von dessen endgültigem Ergebnis sie sich distanzierte.

Aus wirtschaftlicher Sicht verständlich, aus architektonischer aber zu hinterfragen ist jedoch eine mögliche Funktionsänderung: Sollte sich kein Betreiber für das Boardinghouse finden, würden daraus Büro- und Geschäftsflächen. Mag das selbstbewusste, auf die solitäre Wirkung abzielende (und fast an eine etwas zu klein geratene Signature-Architektur erinnernde) Erscheinungsbild für ein Boardinghouse als Visitenkarte einer Architekturstadt angemessen sein, der relativ banalen Funktion von Büroräumen ist es das sicher nicht. Auch die Beibehaltung der Bespielung der Erdgeschoßzone mit öffentlichen Funktionen, wie im Wettbewerb vorgesehen mit Restaurant, Café und einer Bar mit Veranstaltungssaal im Untergeschoß, wäre für die Verortung im sozialen Kontext der Innenstadt wesentlich.

Auch wenn das Projekt ästhetisch vielen gewöhnungsbedürftig erscheinen mag, es ist aus einem Wettbewerb hervorgegangen, dessen Ausgang zu akzeptieren ist. Frische, auch provozierende Akzente zu setzen, ist eine Aufgabe der Architektur. Auch und besonders im dichten historischen Geflecht der Grazer Altstadt. Vor etwas mehr als acht Jahren wäre man, um darüber zu diskutieren, womöglich bessere Ideen auszutauschen oder auch um sich damit anzufreunden wohl ins Kommod gegangen...

susawe_www

Beim Anblick des Entwurfs denke ich wehmütig an das zerstörte Ensemble mit dem Kommodhaus. Warum muß an diesem Standort in der Altstadt so protzig und klotzig gebaut werden? Es stellt sich die Frage, ob es bei der Bauaufgabe um eine Eckverbauung geht oder um einen Klon des Kunsthauses. "Hochwertige" Architektur - eine Spielwiese der Selbstdarstellung?
Steht zeitgenössisches Bauen im Widerspruch zu einer zurückhaltenden architektonischen Haltung?
Wohl kaum.
In Graz aber weht der architektonische Zeitgeist im Retro-Stil durch die Altstadt....

Fr. 07/10/2011 12:07 Permalink
Michaela wambacher_www

... auch wenn das Ergebnis nicht gefällt. Ihre Meinung in Ehren, lieber Armin Haghirian, aber eines möchte ich doch angemerkt haben: die Architekten waren in der Jury zum Wettbewerb mit Massimiliano Fuksas (Rom), Gerhard Mitterberger (Graz), Reinhardt Honold (Innsbruck) und Jörg Krasser (Graz) wohl ausreichend vertreten (Fachfrauen fehlten allerdings, Anm.), ob auch gut, das möchte ich hier nicht kommentieren. Ich frage mich, welche Möglichkeiten der Qualitätssicherung in der Architektur bleiben, wenn der Wettbewerb nun auch nicht mehr genügt? Sie schütten Öl ins Feuer bei jenen, die ihn nicht für nötig erachten und die planen und bauen, wie es ihnen gerade gefällt.

Fr. 07/10/2011 10:46 Permalink
Martin Grabner

ich bin im artikel ganz bewusst nicht näher auf den wettbewerb eingegangen (was an anderer stelle auf gat geschehen ist), weil ich über die architektur, die wohl bald an diesem ort stehen wird schreiben will.
wogegen ich mich im angesprochenen letzten absatz wende ist auch nicht die kritik am entwurf, sondern ein prinzipielles abwehrverhalten, nur weil es kein grazer/steirischer architekt, eine "stararchitektin", ein projekt der wegraz ist oder einfach weil es am ort des kommodhauses steht.
ich hätte jedoch selbst sicher eines der anderen projekte vorgezogen. zaha hadid ist nicht unbedingt mein "liebling" und ich halte den entwurf auch für keine ihrer besten arbeiten.
was mich sehr freut ist aber, dass es hier eine diskussion gibt! (auch wenn diese, wie geschrieben, im kommod mehr spaß machen würde...)

Fr. 07/10/2011 4:16 Permalink
Gerhard Springer

Wenn ein Wettbewerb Qualität hervorbringen soll,kommt es halt schon auch darauf an, wie seriös und mit welcher Zielvorstellung er ausgelobt und veranstaltet wird. Bei diesem war die Signature-Architektur -wenn möglich mit klingendem Namen- ja von Anfang an das öffentlich erklärte Ziel des Auslobers. Und genau das haben die auch bekommen.

Fr. 07/10/2011 2:20 Permalink
Armin Haghirian

Sehr geehrter Herr Grabner,
gerade bei so einem Entwurf mit Seventies-Retro-Schick (Sic!) ist es völlig wurscht, was dahinter steckt und wenn juckt das auch? Die Stadtführungen haben ein Highlight mehr und die legendäre „City of Design“ kann sich wieder selbst feiern. Oder gibt es wirklich jemanden der behauptet beim Grazer Kunsthaus geht es um die Ausstellungen? Noch eine Bemerkung zu Ihrem letzten Absatz: In einem Land wo die Anzahl der Architekten in den Jurys immer mehr schwindet, so dass man ihn eigentlich schon unter Artenschutz stellen sollte, muss man als mündiger Bürger gar nichts akzeptieren.

Fr. 07/10/2011 10:00 Permalink
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