25/01/2021

Über den Einsatz für eine bessere Welt

Mit dem Projekt LAMA haben sich AbsolventInnen der TU Graz vorgenommen, die oftmals selbst gesetzten Grenzen der Architekturdisziplin aufzubrechen und zu einem Dialog mit anderen Wissenschaften und AktivbürgerInnen anzuregen.

Mit Innovation statt Isolation reagier(t)en LAMA direkt auf die veränderte Lage der letzten Monate.
Bauen in der Blase rückt den Blick (wieder) auf die Architekturpraxis im Speziellen und der 3. LAMAtalk sorgt(e) für Diskussionen und Material.

RELEASE - LAMA 2|9
Bauen in der Blase, 28.01.2021, ganztägig, Forum Stadtpark, Graz

Call for Contributions LAMA 4|9
Ausbildung zur Weiterbildung. Was soll die Architekturlehre leisten? Abstracts bis 26.03.2021 senden.

.

Bericht von Bettina Landl

25/01/2021

LAMA – laut Eigendefinition „unabhängig, unbequem und ungeniert“ ...

©: Bettina Landl

... die beiden aktuellen Ausgaben im Pocketformat ...

©: Bettina Landl

... doch dann kam Corona. Mit der Sonderausgabe antwortet LAMA auf die Krise

©: Bettina Landl

LAMA "Bauen in der Blase", Release am 28.01.2021

©: Bettina Landl

LAMAtalk 3|9 am 9. November 2020, Screenshot

©: Bettina Landl

LAMA (zur Erinnerung)
Das lösungsorientierte Architekturmagazin: Ein Projekt von Philipp Glanzner, Andreas Maierhofer, Felix Obermair und Vera Schabbon. In 9 Ausgaben widmen sie sich seit dem Sommer 2019 dem Thema, warum Architektur nicht mehr gesellschaftsbildend ist – heißt: LAMA will kritisch hinterfragen, analysieren und im Besonderen auch Lösungsansätze und Lösungen bieten. LAMA versteht sich als Konglomerat verschiedener Denkanstöße unterschiedlichster Professionen, mit einem möglichst internationalen Blick auf die Verortung von Architektur in Gesellschaft. Anhand der Teilbereiche Lehre, Praxis und Diskurs versucht LAMA den Status Quo (genau) zu fassen, herauszufinden, welche Ansprüche es an (die) Architektur gibt und wie deren Erfüllung gewährleistet werden könnte. Zum Abschluss kommt dieses Projekt nach 9 Ausgaben in Form eines kleinen Handbuchs, das die (wichtigsten) Aspekte zusammenfasst und einen Leitfaden anbietet um wieder eine gesellschaftsbildende Architektur in den Fokus zu rücken.
Nach der 1. Ausgabe mit dem Titel Ausbildung zur Einbildung (VÖ März 2020) wurden mittlerweile zwei weitere LAMA-Ausgaben herausgegeben, eine davon als Sonderausgabe aus aktuellem Anlass: Innovation statt Isolation widmet sich einer Architektur während und nach COVID-19. Das eigentliche 2. Heft Bauen in der Blase ging Anfang Dezember 2020 in Druck und ist ebenfalls bereits erhältlich.

Rückblick
In Innovation statt Isolation wird nicht nur die österreichische Politikerin Heide Schmidt ("Auch abgesehen davon, dass Freiheit unglaublich anstrengend ist") herangezogen, sondern auch Nietzsche, Horkheimer, Marcuse u.a. – und liest sich als Appell an uns alle, denn nach Nietzsche kann sich der Mensch frei von Knechtschaft machen, wenn er sich selbst als den Urheber aller Hirngespinste erkennt und weiß, dass aus seinem Willen selbst die Ziele stammen. „Während wir im medialen Politikdiskurs erleben können, wie um die Alleinherrschaft über das Krisen-Narrativ als taktischen Schachzug gestritten wird, stellt sich realpolitisch die simple Frage: Wo sind unsere Utopien hin?“ (Ramona Kraxner) Und es heißt auch: „Egal ob öffentliche Institutionen, Wissenschaft oder Praxis: Rein männliche Gremien und Diskussionsrunden können nicht mehr Teil unserer Normalität sein.“ (Nina Krass und Susanne Böcherer) Damit betonen die Autorinnen, dass die Architekturbranche ein „Frauenproblem“ hat, denn „ist das Geschlechterverhältnis unter Absolventinnen und Absolventen noch ausgewogen, so brechen die Zahlen der in den Architekturbüros beschäftigten Mitarbeiterinnen zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr (bzw. nach dem ersten Kind) ein. Wer in der von einer enormen Präsenzkultur geprägten Branche nicht Vollzeit plus Überstunden leisten kann, wird verdrängt“ und kritisieren damit die Architekturbranche, die „mit ihrem Arbeitswahn und den engen Deadlines ein Vorzeigeobjekt der neoliberalen Leistungsgesellschaft“ darstellt. Als eine mögliche Antwort darauf fordert Elisabeth Lechner "Caring Cities" als Ausgangs- und Endpunkt einer architektonischen Praxis, denn gemäß Leslie Kern in Feminist City darf der able-bodied weiße Mann in der Raumplanung nicht mehr die unangefochtene Norm sein. Mildere Töne schlägt hingegen Eugen Gross in seinem Plädoyer für eine Architektur der sozialen Nachhaltigkeit an, wenn er von dem Wechselverhältnis zwischen Nähe und Distanz berichtet, die erst die Wahrnehmung zum Erlebnis macht“.

Einblick
Mit der regulären 2. Ausgabe zum Thema Bauen in der Blase rufen die HerausgeberInnen unmissverständlich und „unabhängig, unbequem und ungeniert“ zu einem „Raus aus dem Korsett!“ auf, denn „die Architektur – als Berufsbild, verwirklichte Baukultur und gesellschaftsbildender Lebensraum – läuft zunehmend Gefahr, im ewigen Reibungsfeld zwischen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft an Qualität und Relevanz zu verlieren“. Dass es in der Architekturszene aber sehr wohl „ein kritisches Bewusstsein des eigenen Tuns und die damit verknüpfte Verantwortung“ gibt, zeige die Response innerhalb der letzten Wochen und Monate.
In ihrem Beitrag Gute Architekt*innen sind Arschlöcher, oder? reflektiert Theresa Reisenhofer ihre Erfahrungen im Ausbildungs- und Berufsalltag und resümiert, dass die Blase, in welcher zu einem großen Teil der Austausch innerhalb der ArchitektInnenschaft stattfindet, einen erheblichen Nachteil hat: „Sie hebt uns Architekt*innen in eine elitäre Position und verstärkt unsere Überzeugung, dass wir und nur wir wissen, was die Gesellschaft jetzt und in Zukunft braucht.“ Außerhalb der Blase gelinge ihr das Planen und Gestalten von Architektur wesentlich leichter, erzählt sie und schließt damit, „dass man auch als normaler Mensch gute Architektur machen kann und kein Arschloch sein muss“. Ähnliches war schon im LAMAtalk 2|9 am 16. Jänner 2020 zu hören. Dringend nötig sei eine Grundsolidarität, denn „wir haben wenig Rückenwind, weil Architekt*innen ein zerstrittener Haufen sind, was nicht förderlich ist“. „Die Frage lautet also auch: Wie schwimmen, wenn kein Wasser da ist?“ (Michael Zinner)

Ausblick
Am 9. November 2020 fand der 3. LAMAtalk zum Thema Architektursprache = Architekturbrache, diesmal online, statt. Besprochen wurde u.a. warum der Architekturdiskurs nicht mehr gesellschaftsbildend ist und wieso es die Architekturdisziplin nicht schafft, einheitliche Werte und Ziele zu formulieren und diese in Form einer handlungsfähigen und durchsetzungsstarken Lobby zu organisieren. „Um dieses Fragengebilde zuallererst fassbar zu machen, ist zu betonen, dass es verschiedene Ebenen dieses Diskurses impliziert. Zum einen wird innerhalb der Disziplin – als Architekt*innen und Architekturstudent*innen – darüber gesprochen, zum anderen gibt es auch eine Wahrnehmung von ‚Architektur’ innerhalb der Gesellschaft. Es macht einen Unterschied, ob ich mich mit Architekt*innen unterhalte oder mit Leuten, die keine Architekt*innen sind. Die Form, den Diskurs über Architektur zu führen, unterscheidet sich in beiden Fällen extrem. – klar, bei Architekt*innen ist es das übliche ‚Rumgenerde‘ und die Themen, über die man sich dann im Detail mit Nicht-Architekt*innen unterhält, betreffen nicht selten ‚Skandalprojekte‘, bei denen es ‚die Architekt*innen‘ mal wieder verkackt haben. Also ich finde, der Diskurs geht da ungemein weit auseinander. Ich würde mir wünschen, dass das mehr zusammenkommt“, ist nur einer der engagierten Kommentare, die eine Änderung im Architektur- und Stadtplanungsdiskurs einfordern, denn „wir müssen schleunigst weg von diesem neoliberalen 'Stadt-von-oben‘ und hin zu einer 'Stadt-von-unten‘ bzw. einer 'Stadt der Teilhabe‘.“ Auch warum die Beteiligten in Auseinandersetzungen immer vom Hundertsten ins Tausendste kommen und „nicht einmal in den Diskussionen innerhalb unserer Echokammer“ etwas weitergeht, wird im 3. LAMAtalk angesprochen, was u.a. zu dem Schluss führt, dass „solange wird das nicht in den Griff bekommen, uns niemals das Vorhaben, die Welt zu verbessern, gelingen wird“. Mehr dazu dann in der 3. LAMA-Ausgabe, die im Frühling 2021 erscheint.

Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
GAT+