19/04/2013

Ausstellung:
Statt Leerstand Stadt

HDA, Palais Thienfeld
Mariahilferstraße 2
8010 Graz

Bis 24.05.2013
DI-SO 10.00 bis 18.00 Uhr

Kuratorinnen: Lisa Enzenhofer und Anna Resch _ Lendlabor

Tipp: Im Rahmen der Ausstellung finden seit 12. April 2013 jeden Freitag Veranstaltungen beim "Leerstand der Woche" statt.

19/04/2013

Ausstellungsansicht

©: Thomas Raggam

Sitzgruppe mit den symbolischen leeren Ordnern und Literatur.

©: Thomas Raggam

Objekt der Woche beim Eingang zum HDA

©: Thomas Raggam

Es gibt sie überall in der Stadt, in den unterschiedlichsten und unscheinbarsten Gestalten: vom winzigen Geschäftslokal bis zum prächtigen Palais, vom vorstädtischen Biedermeier-Häuschen bis hin zum eindrucksvollen Industriebau. Ihre Gemeinsamkeit sieht man ihnen nicht immer gleich auf den ersten Blick an, aber es handelt sich um „Leerstand“. Gebäude schlummern ungenutzt vor sich hin, sind dem Verfall preisgegeben oder gar vom unmittelbaren Abriss bedroht. Die aktuelle Ausstellung im Haus der Architektur widmet sich einer Erfassung dieser Bauten und nimmt sich deren individueller Schicksale an.

Als Ergebnis des HDA-Calls „What keeps us going?“ haben die beiden jungen Architektinnen Lisa Enzenhofer und Anna Resch (Lendlabor) die Ausstellung „Statt Leerstand Stadt“ aus dem umfangreichen Fundus ihrer Forschungsergebnisse gestaltet. Die spannende Vorgeschichte dazu: In ihrer Diplomarbeit am Institut für Architektur und Landschaft an der TU Graz haben die Grazer Architektinnen (Lendlabor) im Bezirk Lend schon im Jahr 2011 urbane Leerstände untersucht und kartiert. „Im Zuge der Untersuchungen wurde sorgfältig jeder Straßenzug analysiert und gleichzeitig versucht, die Geschichte jedes einzelnen Gebäudes zu erheben“, erklärt Enzenhofer. Bei Abschluss der Recherche im Juli 2011 standen 6,2 Prozent übrigens von 1,7 untersuchten Quadratkilometern im Lend leer.
In einem zweiten Schritt haben Enzenhofer und Resch im vergangenen Jahr in einer Auftragsstudie für das Stadtplanungsamt Graz etwa gleich große Teile der Bezirke Gries und Geidorf genau unter die Lupe genommen, die viele weitere Bespiele an leerstehenden Bauten ergeben haben.

Die Ausstellung selbst ist im Erdgeschoß des HDA mittels mehrerer Blickfänge gegliedert. Im Eingangsbereich befindet sich eine gemütliche Sitzgruppe, in deren Mitte anstelle eines Wohnzimmertisches ein Stapel mit leeren Aktenordnern aufgebaut ist, eine Metapher für den Leerstand. In der Mitte zeigt eine Glasplatte über einer Grazkarte anhand von Symbolen in einer Kartierung die verschiedenen Spielarten der Nichtnutzung: Brache von Plätzen, aufgelassene Geschäftslokale im Erdgeschoß sowie als Ganzes aufgelassene Gebäude. Am anderen Ende des Raumes schließt die großformatige fotografische Reproduktion eines bunten Graffitis aus einer aufgelassenen Siebdruckerei im Lend die Szenerie ab. Entlang der Mauer befinden sich Abrissblöcke mit Schwarzweiß-Fotos von Dutzenden Gebäuden im Zustand des Leerstandes. In kurzen Texten werden die Geschichte sowie weitere Schicksal dieser Bauten skizziert. Die Besucher sind aufgefordert, nach Belieben Blätter mit den Fotos abzutrennen, um diese etwa in der realen Welt aufzusuchen bzw. selbst weitere Informationen dazu zu sammeln. Daneben tragen erklärende Tafeln zum allgemeinen Verständnis der Thematik bei. Mit einem großen Plakat „Leerstand der Woche“ beim Eingang zum HDA wird der Fokus auf einzelne Objekte gelegt, zu welchen spezielle Infoblätter aufliegen.

Was ist die tiefere Intention der Ausstellung abseits des Dokumentarischen? Wie in vielen anderen Städten haben wirtschaftlicher Wandel und die Krise das Angesicht des urbanen Raumes auch in Graz dramatisch verändert. Wer mit wachen Augen durch die Stadt wandert oder fährt, nimmt dies an vielen Stellen wahr. Andernorts wachsen wieder neue Gebäude aus dem Boden, oft ohne jedes Gefühl für vorhandene gewachsene Strukturen und Zusammenhänge. Der kurzfristige Profit aus der Investition und die trendige Kulisse stehen oft im Mittelpunkt. Ebenso schnell ist gerade noch Modisches veraltet und wird aufgegeben. Dem gegenüber lautet die Devise der Ausstellungsmacherinnen: „Zuerst 100 Prozent recyceln, dann neu bauen!“, eine Aufforderung zur Sensibilisierung für Vorhandenes und das kollektive Gedächtnis der Stadt. Jeder Ort wird so als Teil der Geschichte begreifbar und zeigt eine Momentaufnahme des Verhandlungsprozesses vieler AkteurInnen. Leerstände sind als Chancen auf Neues zu begreifen und somit eine wahre Ressource in ökonomischer, kultureller, sozialer und emotionaler Hinsicht. Vor dem Hintergrund wachsender Bevölkerung und zugleich steigenden Flächen- und Energieverbrauchs wird die Stadt zu einem Möglichkeitsraum, in dem Bestehendes aufgegriffen und gewohnte Regeln neu interpretiert werden können.

Terminempfehlungen

Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
GAT+