13/09/2017

Start-up as Start-up.
What the f*** is innovation?

Bericht von Claudia Gerhäusser von der Veranstaltung am 6. September 2017 im Haus der Architektur in Graz in Zusammenarbeit mit der Kammer der ZiviltechnikerInnen für Steiermark Kärnten.

13/09/2017

Diskussion im HDA mit: Urs Hirschberg, Michaela Maresch, Martin Emmerer, Sabine Egartner, Martin Mössler, Petra Kickenweitz, Stefan Peters, Hubert Rieß (von links)

©: HDA – Haus der Architektur
©: HDA – Haus der Architektur
©: HDA – Haus der Architektur

Zum siebenten Mal lud die Kammer der ZiviltechnikerInnen Steiermark/Kärnten gemeinsam mit dem Haus der Architektur in der Reihe Start-up zur Diskussion eines Themas ein, das besonders junge Architektinnen und Architekten in der Gründungs- und Professionalisierungsphase ansprechen sollte. Mit einem Podium aus VertreterInnen der Universität Graz, etablierten Architekturbüros, der Kammer der ZiviltechnikerInnen und UnternehmensgründerInnen stellte man sich der Frage nach Innovation im Architekturbereich. Dabei kam nicht nur heraus, dass die Steiermark als Innovations-Region in Europa Baden-Württemberg überholt hat, sondern auch, dass nicht jede Bürogründung gleich ein Start-up ist. Als Start-ups werden üblicherweise innovative Produkt- und Geschäftsmodelle im High-Tech Bereich bezeichnet, die auf einen Massenmarkt abzielen. Wie passt dieser Begriff zu einem Berufsfeld, das sich oftmals dem Massenmarkt entzieht und dessen eigentliche Qualität in einer genauen Kontextualisierung liegt? Ist Innovation aus dieser Perspektive überhaupt im Sinne der ArchitektInnen?
Der Abend konnte diese Fragen zwar nicht gänzlich klären, zeigte aber durch die sehr unterschiedlichen, persönlichen Werdegänge der Gäste ein immenses Potenzial auf, wie und in welchen Feldern auch in der Architektur Innovation zu neuen Modellen führen kann. Als Beispiel sei das von Michaela Maresch und Gerald Brencic entworfene Commod-Haus genannt oder das vom Architekten Martin Emmerer entwickelte Computerprogramm Archilles PRO
Die ca. 35 Besucher des Abends, gemischten Alters und mitnichten nur Anfänger in der Architektur, konnten verfolgen, wie vielfältig Karrieren sein können. Frage für Frage deckten die Moderatorinnen Petra Kickenweitz und Sabine Egarter auf, was ihre Gäste selbst erlebt hatten und in welchem Zusammenhang sie von Innovation sprechen würden.
Urs Hirschberg, Leiter des Instituts für Architektur und Medien der TU Graz, hatte z.B. mit einer eigenen Garagenfirma im Zuge der aufkommenden Digitalisierung an Datenbanklösungen gearbeitet, bevor er das damit erlangte Knowhow zu einer akademischen Karriere im Bereich der Architektur umwandeln konnte. Die Auseinandersetzung mit der Digitalisierung ist seines Erachtens auch in der Architektur ein Feld für Innovation: „Es geht um das Bauen intelligenter Modelle. Parametrische Modelle und Optimierungs- logarithmen generieren zusätzliches Wissen über das Entwerfen, lösen dieses aber nicht ab. Man bewertet damit komplexe Informationen einfach schneller und sicherer und kann effizienter entscheiden“. Aber auch im Holzbau und im Wohnbau bieten sich, falls entsprechend geforscht wird, Möglichkeiten Neuerungen durchzusetzen. Hubert Rieß gab zwar zu, dass er zu Beginn seiner Karriere in ein normales Architekturbüro als Partner eingestiegen ist, konnte aber auch erzählen, dass er mit eigenen Prototypen im Holz-Modulbau die Chance gehabt hätte diesen Baubereich maßgeblich neu zu entwickeln. Es scheiterte am Ende vornehmlich an den hohen Kosten, die Prototypen in der Architektur mit sich bringen.

Für Innovation braucht es langfristige Finanzierung und einen langen Atem. Nicht alles, was begonnen wird, lässt sich in ein Unternehmen umwandeln. In der Anfangsphase von Innovationen spielen die Universitäten eine wichtige Rolle, obwohl die meisten Produktentwicklungen auch in der Baubranche auf Visionen größerer Unternehmen basieren. „Ohne Steve Jobs“ so Stefan Peters, Dekan der Fakultät für Architektur und Leiter des Instituts Tragwerksentwurf an der TU Graz, „hätte es z.B. die heute verfügbaren Glasformate von bis zu 16 Metern Maximalmaß wahrscheinlich nicht gegeben“. Aber selbst wenn große Firmen hervorragende Chancen zur Entwicklung bieten, so sind es doch die Universitäten, die unterschiedlichste Wissensbereiche verbinden und auch den Raum für zeitlich ausgedehnte Studien bieten, ohne direkten Verkaufsdruck auszuüben. Peters erwähnte zudem, dass mittlerweile auch in den Firmen und Konzernen ArchitektInnen an der Entwicklung beteiligt sind und sich mit der richtigen Ausbildung Wege abseits einer klassischen Architekturlaufbahn öffnen. Ob man sich durchsetzen kann hängt allerdings damit zusammen, dass man den richtigen Partner für die eigene Idee findet. Martin Mössler, Geschäftsführer des Science Park Graz, sieht deshalb ein Start-Up als „kreativen, unternehmerischen Gesamtprozess, der Entwicklung, Produktion und Vertrieb miteinschließt“. Dafür braucht man Partner, die das eigene Knowhow ergänzen.

Zum Schluss gab es doch noch einen kurzen Schreckensmoment, als Gerald Fuxjäger, ZT-Kammer Präsident, feststellte, dass die Industrie langsam aber sicher den ArchitektInnen die Kompetenz der Ausführungsplanung wegnimmt. „Das liegt auch daran,“ so Fuxjäger „dass ArchitektInnen heute wenig Ahnung von Logistik, Industrialisierung und Fertigungstechniken haben. Diese Wissenslücke schließt ArchitektInnen aus dem Feld der Innovation mehr und mehr aus, und man muss fragen, ob es für die bleibenden Gestaltungsaufgaben noch diese vielen ArchitektInnen braucht?“
Das passt zur kommenden Veranstaltung der Reihe am 18. Oktober mit dem Titel Kiss the frog! Die klassische Architekturlaufbahn. Wird man dann erfahren, ob sich das Studium der Architektur und die Gründung eines Architekturbüros heute noch lohnen? Es bleibt wohl spannend wie bisher in der Reihe Start-up.

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