22/11/2014

Das Symposium Stadt Kunst Linz – Perspektiven zur Kunst im öffentlichen Raum fand am 06.11.2014 im afo architekturforum oberösterreich als 4. Ausgabe eines laufenden Diskursformats im Rahmen des städtischen Kulturentwicklungsplans statt. 

Da Kunst im öffentlichen Raum und die Stärkung der Freien Szene darin besonderen Stellenwert einnimmt, verstand sich die Veranstaltung mit internationalen ExpertInnen als Auftakt einer längeren Befassung mit dem Thema, die durch Impulse von außen immer wieder geschärft werden soll. 

22/11/2014

Öffentliche Kunst als Kritik: gemeinschaftliches Kopf-in-den-Sand-Stecken an einem der zugeschütteten Linzer Hafenbecken, Oktober 2014.

©: Peter Arlt / Klapp-Akademie 2014

Drei "Tischgespräche" waren dem Symposium in Linz vorangegangen: AkteurInnen der Freien Linzer Szene diskutierten aktuelle Tendenzen und Fragestellungen.

©: Claudia Sommer

Seit dem Beschluss des neuen Kulturentwicklungsplans Anfang 2013 lädt die Stadt Linz halbjährlich zum Diskurs über darin festgelegte Schwerpunktthemen. Kunst und Kultur im öffentlichen Raum sind in dem engagierten Leitbild besonders hervorgehoben. Die vierte Ausgabe des Folgeformats Anfang November war dementsprechend der Diskussion urbaner Kunstpraxen und deren Möglichkeiten für die Stadt gewidmet. Nach dem Atelierhaus Salzamt, dem freien Fernsehen dorfTV und dem Kunstmuseum Lentos bot diesmal das afo architekturforum oberösterreich als Gastgeber den passenden Rahmen für die Veranstaltung. 

Um vom Status Quo in Sachen urbaner Kunst ein Bild zu bekommen, waren dem Symposium drei Tischgespräche mit ausgewählten AkteurInnen der lokalen Kunst- und Kulturszene vorangegangen – selbstverständlich in städtisch-öffentlichem Ambiente: Was sind die Möglichkeiten für die Kunst? Welche Handlungsfelder gibt es in der Stadt? Wie sind die Machtverhältnisse? Was wären Alternativen?
Fünf Jahre nach dem Europäischen Kulturhauptstadtjahr linz ´09 ist teilweise Ernüchterung eingekehrt. Öffentliche Interventionen und partizipative Kunstprojekte, die damals einen spannenden Teil des kulturellen Angebots ausmachten, konnten nicht in den stadtkulturellen „Alltag“ gerettet werden. Die Kunst wanderte zum Gutteil wieder ab in Säle und Museen, hinter verschlossene Türen und in andere Städte. 

Performing Cities

Nicolas Whybrow von der Universität Warwick beschäftigt sich seit vielen Jahren mit künstlerischen Zugängen zur zeitgenössischen Stadt, vor allem performativer Art. „The Future of art is not artistic but urban“, zitiert er den Urbanitätsphilosophen Henri Lefebvre und gibt damit einen Hinweis auf die wichtige Rolle, die Kunst und Kultur für die Entwicklung einer Stadt einnehmen könnten. Eine Idee von Kunst, die nicht künstlerisch ist? In dieser Paradoxie liegt der kritische Antrieb für das nötige Umdenken. Die Kunst muss aus den institutionalisierten Zusammenhängen des Kulturbetriebs zurück in die Stadt geholt werden. Die Darstellende Kunst dient dabei Lefebvre wie Whybrow zur historischen Erläuterung: Theater – das hat eigentlich dem Volk gehört, das war „auf der Straße“. Erst allmählich wurde daraus ein elitäres Innenraumprojekt mit Logenplatz und Pausenschampus.

Um der Kunst wieder öffentliche Selbstverständlichkeit zu geben, sie zum Projekt aller für alle zu machen, müsse sie als Teil der notwendigen Infrastruktur einer Stadt, als ein Service, das der Bevölkerung dient, verstanden werden und nicht als Schönmacherei instrumentalisiert werden. Mit beispielhaften Arbeiten aus London und Folkestone zeigt Whybrow, was ein gelungenes Verhältnis von „Art and the City“ (2011) ausmacht: dass die Menschen am Werk und seiner Wirksamkeit direkt beteiligt sind. So verstandene Kunstpraxen sind in der Lage, Interesse für die Stadt zu wecken, die Belebung des öffentlichen Raums und die kritische Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Belangen anzuregen. Damit ist die politische Verantwortung angesprochen, den hohen demokratischen Wert der Kunst zu erkennen und auch entsprechend zu fördern. 

Urbane Künste Ruhr    

Das Ruhrgebiet bietet wegen der unmittelbaren Nachfolge als Kulturhauptstadt 2010 gewisse Vergleichsmomente für Linz. Auch die spannungsreichen Brüche zwischen (post-)industrieller und kultureller Identität sind in Oberösterreich zumindest nicht ganz unbekannt. Katja Aßmann ist seit zwei Jahren die künstlerische Leiterin von Urbane Künste Ruhr. In Bochum, Dortmund oder Essen scheint gelungen zu sein, was in Linz verpasst wurde: an die aktivierende Intensivphase des Großevents konnte angeknüpft werden. Der Antrieb der Kulturhauptstadt wurde genutzt, um Kunst und Kultur in der Gesellschaft positiv und dauerhaft zu verankern. 

Als Kuratorin ging es Aßmann zuallererst darum, genau hinzusehen und zu hören, welche Themen für die Leute vor Ort relevant sind. Der partizipative Anspruch beginnt somit nicht erst beim einzelnen Projekt sondern ist integraler Bestandteil der gesamten Herangehensweise: Initiativen mit inhaltlichen Überschneidungen werden zusammengebracht, Kontakte zwischen unterschiedlichen Gruppen regional wie international geknüpft, der interdisziplinäre Austausch angeregt. Aus anfänglichen „Stadtlaboren“ haben sich verschiedenste Formate unterschiedlichster Maßstäblichkeit und Öffentlichkeitswirksamkeit entwickelt. Forschendes Interesse für die Stadt, Experimentierfreude, und auch das in einem Labor immer mögliche Scheitern bleiben den künstlerischen Positionen jedoch eingeschrieben. Die inhaltliche Lebendigkeit und Greifbarkeit der entstandenen Arbeiten verdanken sich zu einem Gutteil dieser Zugangsweise.   

„In den 90er Jahren fanden einige Künstler Gefallen an rostigen Hüttenwerken aus Stahl. Mittlerweile sind es Massen, die das ‚schön‘ finden und sehen wollen“, erklärt Katja Aßmann ein gerade in der verschämten „Stahlstadt“ Linz noch brachliegendes Potential der Kunst im öffentlichen Raum: die Pionierfunktion, die sie für eine positive Wahrnehmung des Vorhandenen einnehmen kann. Einen anderen Blick zu bekommen, etwas Neues im Altbekannten zu entdecken, Schönheit im Ungewöhnlichen zu erkennen – diese ästhetischen Momente sind nicht nur im Ruhrgebiet wichtig für ein gutes und anregendes Verhältnis von Bewohnerschaft und Stadt. Denn erst die Fähigkeit, „Stadt“ und ihre Schönheit überhaupt wahrzunehmen, ermöglicht es sich dafür einsetzen und an ihrer Planung und Gestaltung mitwirken zu wollen. 


Das Symposium Stadt Kunst Linz – Perspektiven zur Kunst im öffentlichen Raum fand am 06.11.2014 im afo architekturforum oberösterreich als 4. Ausgabe eines laufenden Diskursformats im Rahmen des städtischen Kulturentwicklungsplans statt. Der Abend wurde im Auftrag der Kulturabteilung von Clemens Bauder, Gabriele Kaiser und Christoph Weidinger gestaltet. Die Kulturtheoretikerin Elke Krasny führte durch den Abend.

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