15/03/2009
15/03/2009

Abb. 1: Auf dem Plan ist die Unfallstelle als Kreuzung dargestellt.

Abb. 3: Die offiziellen Fotos der Polizei suggerieren eine Einmündung (Abb. 2, 3). Laut Plan (Abb. 1) handelt es sich aber um eine Kreuzung - ein gravierender Planungsfehler, den auch die kümmerliche Absperrung nicht aufhebt.

Abb. 2: Polizeibild vom Tag nach dem Unglück: Die Skifahrerin fuhr auf der mit dem blauen Pfeil markierten Piste den Berg hinab, Althaus auf der rot markierten. Die Unglückstelle ist mit dem grünen Kreis markiert und liegt hinter einer Absperrung.

Abb. 4. Fotos: Landespolizeikommando

"Der Kölsche Klüngel ist ja ein Bridge-Klub dagegen" (Zitat: Helmut Müssener)

Eine sonnTAGsgeschichte von Hans Fraeulin

Nun werden wir nie erfahren, ob wir in Thüringen ein Depp oder Rowdy sein dürfen oder müssen, um Ministerpräsident zu werden, nicht wegen einer voreiligen liebedienernden Justiz, nicht wegen einer dummen Polizei und Staatsanwaltschaft, nicht wegen eines grottenschlechten Journalismus, sondern wegen alledem. Und dem wie üblich ahnungslosen Rest der Welt, der sich auch dann gut informiert fühlen darf, wenn die Zeitung gratis war. Seit Jahr und Tag spotte ich über das hiesige katholische Tagblatt und seine Chorknaben in Brüssel und in der Lokalredaktion, überlege mir bei dem in allen Kaffeehäusern herumliegenden papiernen Schrott Sammelaktionen fürs Altpapier. Am besten, ich sammle bereits bei den Kolporteuren ab und zahle sie aus. Darüber schreiben schont den Geldbeutel, also jetzt.
Bei einem unnatürlichen Todesfall fragen die ermittelnden Beamten als erstes, ob sich Täter und Opfer gekannt hatten. Das ist Herr Althaus, Ministerpräsident von Thüringen, nicht einmal nach dem Urteil gefragt worden. Die kleine nette Sportlehrerin vom Ballvergnügen gestern, hallo, und dann mit Restalkohol und Karacho der Dame auf der Piste die Aufwartung machen. Dumm gelaufen. Ohne Helm hätte sie mich vielleicht wiedererkannt. Stattdessen habe ich sie damit umgebracht. Umbringen ist eigentlich eine Beschönigung für Töten. Welchem Journalisten ist das über die Tastatur gegangen: Herr A hat Frau C getötet. Das sei ein Eingriff in ein laufendes Verfahren, wurde mir vorgejammert, und? Hat Frau C. Herrn A. getötet, fragte ich zurück.
Argumente für die Helmpflicht sind das keine, obwohl ihr wochenlang das Wort geredet wurde. Seit langem bekannt ist, dass 20% auf Skiern Helm tragen und 50% aller Skiverletzten mit Helm unterwegs gewesen sind, also ein Helm schon fast als Unfallursache betrachtet werden kann. So deutlich stand das aber nur in der ZEIT.
Noch eine den Tourismus schonende Kleinigkeit: Die Fotos von der Unfallstelle suggerieren die Einmündung von zwei Pisten. Auf das Panorama der Riesneralm ist deutlich eine Kreuzung gemalt und die gehört sofort anders gestaltet. Wurde je eine Rennstrecke mit einer Kreuzung gebaut? Nie! Eine Autobahn ist eine Autobahn ist kreuzungsfrei und eine Piste eine natürliche Einbahnstraße. Es gibt daher keine FIS-Regel fürs Bergauffahren. Geisterfahrer Althaus war im Grunde von allen guten Geistern verlassen, als er bei der Kreuzung nach links hinauffuhr, fragt sich nur: dumm oder ahnungslos, was mitunter einhergeht, oder einfach ein Rabauke.
Die Heli-Show zum Drüberstreuen – unerträglich in jedem Detail. Beim Zappen bleibe ich bei dem Kanal hängen, der gerade zeigt, wie Herr Althaus auf dem Spital in Schwarzach den Helikopter besteigt – zu Fuß. Jemand in seiner Begleitung hält eine Decke in die Luft, um zu suggerieren, dass es eine Tragbahre gibt – zu spät. Ich hab es gesehen und niemand sonst. Das ist mein Dilemma. Ob die Bedienung der Kamera das auch gesehen hat, ist fraglich. Befragt wurde sie sicher nicht. Fazit: Die Verletzungen des Täters wurden dramatisiert bis zum Geht-nicht-mehr. Wehe, es ist dabei eine Frau, die vier Kinder zu betreuen hat, unter der Hand gestorben!
Wir haben es also auch mit Mitwisserschaft zu tun. Die Piloten sind außer obligo. Die werden nur fürs Fliegen bezahlt. Die Security hat ihren Auftraggeber vor allen und auch medialen Zudringlichkeiten zu schützen, aber die Ärzte in Schwarzach? Plötzlich Pressekonferenzen, Objektive, Licht und die Gelegenheit mitzuteilen, dass es in dieser kleinen Stadt ein Topspital gibt, dem wir vorstehen.
Ich war einmal nach einem Unfall und langer Fahrt durch die Nacht mit dem Rettungsauto in Schwarzach eingeliefert worden, als mir auf der Gastarbeiterroute ein Frankfurter Arzt aus Kroatien mit seinem Benz ins Gesicht gefahren war. „War ihre Nase immer schon krumm?“ wurde ich auf dem OP-Tisch vom diensthabenden Operateur gefragt. Ich bejahte in meinem Dusel. Am Morgen im Spiegel staunte ich nicht schlecht. Die Nase war schief, aber in die andere Richtung, die gute Gelegenheit zur Begradigung verpasst.
Eitelkeit gehört zu vielen Berufen, auch zu meinem, und schützt mich vor kleinen grünen Männchen. Wie man mit einer krummen Nase eine Karriere hinlegt, dass die Beamten vom Finanzamt für mich sammeln wollen – ein andermal. Und die Frage, was einen zum Ministerpräsidenten macht, stellen wir mit Blick auf unser geliebtes Kärnten – besser nicht.

KURZBIOGRAFIE:
Hans Fraeulin ist Diplom-Volkswirt mit Studienpraxis in der Stadt- und Regionalplanung, Journalist. Regiestudium, Theaterleiter, Inszenierungen eigener Stücke, fünf Jahre Kinderbeauftragter der Stadt Graz, lehrte zuletzt an einem Zentrum für Sozialberufe Theater und Medien.

KONTAKT:
Hans Fraeulin
Stiftingtalstr. 120
A-8010 Graz
T 0316-356123
hans.fraeulin@pickuptheater.com

Verfasser/in:
Hans Fraeulin
Tschavgova

"sonnTAG" , das war hier eine zeitlang ein journalistisches Format mit hohem Anspruch. Die wöchentliche Sonntags-Geschichte folgte einem stringenten Konzept. Es wurden Texte und Essays ausgewählt oder beauftragt, die Architektur/Stadt/gebaute Umwelt in literarischer Qualität thematisieren oder ArchitekturTheorie in essayistischer Form gesucht, die spannende Themen originell und anregend denken/behandeln. Leider, nichts mehr davon zu sehen und zu lesen - kein Format mehr zu erkennen, nur "Kraut und Rüben-Mischmasch"

So. 15/03/2009 12:38 Permalink
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