09/11/2008
09/11/2008

Fotos: Wenzel Mracek

Der heiße Atem des Strategen

Wenzel Mracek

Der heiße Atem ist immer noch zu spüren. Die Kabarettisten Stermann und Grissemann haben sicherheitshalber darauf verzichtet, ein Gastspiel zu geben. Obwohl der Gast hier König ist, der zahlende. Der neue LH machte schon vor der Aufgabe der Satiriker Anstalten, den Auftritt, nach den Verunglimpfungen in einer TV-Show, zu verbieten. Hier werden Events mit Fun-Faktor gegeben; bei Satire hört sich der Spaß auf. Im hier gepflegten Dialekt klingt die Aufforderung „Pass auf!“ wie „Buzz off!“

Die young, stay pretty
Ich habe nach meiner Erinnerung (Erinnerung als/ist Konstruktion) das Gefühl, wenn er einen Raum durch die eine Tür betreten hat, habe ich durch die andere das Weite gesucht. Früher schon: Das Land, in das er erst kommen musste, um die Schenkung seines Ruf-Onkels, das Bärental und die Geschichte seiner fragwürdigen „Ablöse“, in Besitz zu nehmen, habe ich inzwischen verlassen. Während ihm seither, und immer noch, Hymnen gesungen werden, wird nach mir kein Hahn krähen. Keineswegs hat er jedem in diesem Land (und jeder? – das hat niemand behauptet) wenigstens einmal die Hand geschüttelt. Ich habe ihm in der Tat bei Gelegenheit den Handschlag verweigert.
Ich weiß, dass er durch solche Schrift abermals künstlich beatmet, aspiriert wird, aber das lässt sich nicht vermeiden, wenn noch etwas gesagt sein soll. Dann werde ich in dieser Sache still sein, wer weiß, was folgt. Ich sehe ohnehin gerade ein bisschen nach Limbo – das ist dort, wo der Blues verklingt, außer Atem gekommen. Aber keine Angst, ich habe meinen Camus gelesen (den ich Onkel Albert rufe und der neben Onkel Arno Schmidt wohnt). Camus übrigens ist als Beifahrer im Auto seines Verlegers Gallimard tödlich verunglückt. In seiner Aktentasche das unfertige Manuskript „Der erste Mensch“. Ich muss nur den Stein nach oben bringen, das ist meine Arbeit. Ins Rollen und nach unten gelangt er dann schon von selbst.
Mit James Dean vergleichen sie ihn jetzt (letaler Fahrfehler im Porsche 550 Spyder) und im Kerzenmeer ein Zettel, darauf in ungelenker Handschrift „Du bist unsere Lady Diana“, haargenau daneben gezielt und doch getroffen.
Sein Nachfolger, der neue LH, hatte sich noch zu Lebzeiten seines Masters als dessen Voice gegeben und vom „gesunden Volksempfinden“ gesprochen, nachdem es nicht notwendig, gar unerwünscht sei, weitere zweisprachige Ortstafeln aufzustellen … In einem frühen Interview, gleich nach dem Ausritt seines Mastas (das englische Wort für Meister klingt in diesem Dialekt ganz gleich: Masta) und darauf angesprochen, hatte er erklärt, es sei ihm nicht bewusst gewesen, aus welcher Zeit und welchem Zusammenhang die Phrase stammt. Mit dieser Zeit habe er sich nie auseinander gesetzt, er sei da völlig unwissend … Auch in der Mythologie dürfte der Neue nicht allzu bewandert sein. „Die Sonne“; jedenfalls, „ist“ an diesem Tag nicht „vom Himmel gefallen“, wie ich an jenem Tag, von Graz kommend, im Autoradio hörte; bei strahlend blauem Himmel gerade in dem Augenblick, als ich aus dem Tunnel fuhr, der unter der Grenze beider Länder verläuft. Der Vergleich mit dem antiken Mythos um Helios und seinen Sohn Phaëton funktioniert nicht, um darauf einen neuen Mythos zu begründen. Was hier hinkt, dürfte dem Vermögen jenes jungen Strategen entsprechen, des Intimus, der seine Diplomarbeit unter dem Titel „Die Macht der Musik am Beispiel Udo Jürgens“ angelegt hatte.
Ähnlich aber steht es um meine Erinnerung, so bruchstückhaft wir ungefähr(lich): Damit dieser Masta ein Konzert auf der in vieler Hinsicht leidigen Seebühne geben möge, die mediokre (für die Vielen) Kulturarbeit der Landesregierung akklamiert werde, finanzierte man den Auftritt von Udo Jürgens mit 200 000 Euro aus dem Kulturbudget. Die Budgetierung respektive Finanzierung dieser Seebühne, man gibt auf Tournee befindliche Musicals sofern die Wetterbedingungen es erlauben, bleibt im übrigen weiterhin undurchsichtig.

Das Aufwiegen des einen gegen das andere, sagt man, sei in solcher Form unstatthaft. Dem immer wieder kritisch gegen LH, Gesinnungsfreindä und Kulturreferenten antretenden Verein UNIKUM wurden von Anbeginn der Ära als Landeskulturpolitiker sämtliche Förderungen verweigert. Das jüngste Ansuchen für Förderung im Jahr 2008 erhielt wieder negativen Bescheid. Es ist schon lange her, dass der Künstlerin Meina Schellander – noch unter vormaliger Landesregierung – Projektförderung zugesagt worden war. Gleich nach Antritt des neuen Kulturreferenten wurde die Zusage revidiert. Dem Künstler Valentin Oman hatte er nahegelegt, doch das Land zu verlassen. Die Amtsleitung der Landeskulturabteilung ist seit etwa zehn Jahren ein Provisorium.
Nach unsäglichen Kalamitäten um die Restaurierung von Fresken im Landhaus, die sein Großvater, Anton Kolig aus dem Nötscher Kreis, angelegt hatte und schließlich erfolgter, nach Entscheidung einer Expertenkommission nicht zu vermeidender, Auftragserteilung an Cornelius Kolig, initiierten die Gesinnungsfreindä und der Kulturreferent eine grausige Kampagne zur Desavouierung Koligs. Nach erfolgtem Zubau von Domenig und Eisenköck am Stadttheater, lud anlässlich dessen Wiederöffnung Intendant Dietmar Pflegerl zu einer Diskussion um den Fall Kolig. Volles Haus. Keiner der Gesinnungsfreindä aber war der Einladung gefolgt, keiner lies sich nur blicken, es gab ihrerseits keine Erklärung. Ich dachte mir damals, in einer Loge neben der Bühne sitzend, das sei Sniper-Manier. Snipe heißt auch Schnepfe. Es ist aber auch ein treffendes Onomatopoet nach dem Geräusch der einschlagenden Kugel, während die Explosion des Schusses nicht zu hören ist, weil zu weit entfernt.
Einige Zeit später kam es zu einem Handschlag zwischen dem Kulturstrategen und dem inzwischen mutlos wirkenden Künstler. Dazu die lapidare Erklärung, lachend, man hätte etwas versucht, das Konzept, den Künstler zur persona non grata zu stempeln, sei eben nicht aufgegangen. Wieder später, vor wenigen Jahren, wurde der Kunstpreis des Landes an Cornelius Kolig verliehen. Um dem Kulturstrategen nicht nochmals die Hand geben zu müssen, trat der Künstler mit einer Distanz herstellenden Handschlagmaschine an. Wie zu erwarten wurde das in der Bevölkerung gar nicht gut geheißen. Das seien keine Manieren, die ein Künstler dem Politiker gegenüber an den Tag legt. Kein Wort über die Vorgänge und die Geschichte, die Kolig in diese Lage führten …
Inzwischen hatte sich der Kulturstratege auf Dietmar Pflegerl eingeschossen, gänzlich ungeachtet der Tatsache, dass das Stadttheater erst mit dessen Intendanz Aufsehen und Reputation über die eng gezeichneten Grenzen des Landes erfuhr. Eine über Jahre geführte Auseinandersetzung – in der Pflegerl sich etwa missliebig über den Besuch bei Saddam Hussein geäußert hatte oder in einem, vom Strategen herausgegebenen, Kulturalmanach des Landes keine Rede war von einem Stadttheater, auch nicht von UNIKUM – endete erst mit dem Ableben Pflegerls. Wie ein weiterer Zynismus erscheint die posthume Verleihung des Landeskulturpreises, den Pflegers Witwe entgegen nahm. Immerhin kam es zum Eklat, als dem von der Witwe gebetenen Laudator, ein Freund Pflegerls und kritischer Kulturredakteur, verweigert wurde, seine Rede zu halten. An seiner Stelle sprach ein Beamter der Kulturabteilung aus dem Kreis der Gesinnungsfreindä, so sei es im Protokoll zu derlei Veranstaltungen festgelegt.

Der Atem
Seine Rede nach der Wahl zum Obmann der Gesinnungsfreindä, am Innsbrucker Parteitag 1986, hörte ich im Radio – selbst mit Kopfhörern unter einer Tanne, die damals dort noch stand, am Ende des Sees sitzend – wie er zum ersten Mal „Nestbeschmutzer“ sagte. Solche nämlich, wie Thomas Bernhard in den Augen der Gesinnungsfreindä einer war, die „Auslöschen“ schreiben, werde man, sei man erst einmal an der Regierung „nicht dulden“. Gerade war damals Bernhards „Die Auslöschung“ erschienen. Wenn er selbst das Buch nicht gelesen hatte, ihm wohl nur von Ohrenbläsern zugetragen worden war, dass da einer, der weißgott (oder der Teufel eben) sich schon etliche Male über ein Österreich hergemacht hatte in einer Form, die von den Gesinnungsfreindän jetzt nicht mehr geduldet …
Dieser, Bernhard, war ohnehin schon angeschrieben, den hatte ja schon der ehemalige Wissenschaftsminister auf seine wenig Dank enthaltende Rede hin, die jener zur Verleihung des Großen Österreichischen Staatspreises gehalten hatte, einen „Hund“ genannt. Jetzt, nach dem Salto Mortale des Strategen, kam dem jungen Intimus ein Wort Bernhards zupass: Seinen „Lebensmenschen“ habe er verloren.
Als der schließlich in Bundesangelegenheiten agierende Stratege sich gezwungen sah, die zuvor von ihm präferierte Sozialministerin wieder zu entamten, diese argumetierte, sie hätte doch ein Schloss zu erhalten und sei auf das Amt angewiesen, versicherte er sie: „Du wirst immer meinen heißen Atem spüren“.
Seine Aspiration hatten schon vorher KünstlerInnen und Kulturschaffende mit einer Plakatkampagne und dem Pejorativ „Staatskünstler“ gespürt: „Was wollt Ihr – Scholten, Peymann, Jelinek – oder Kultur?“
Der slowenisch schreibende Autor Florjan Lipuš hatte zu Beginn einer Lesung im Klagenfurter Musilhaus auf slowenisch eingeleitet, hatte in einem einzigen Satz auf slowenisch gesagt, er werde heute auf deutsch lesen, worauf der gesinnungsfreindliche Kulturstadtrat der Landeshauptstadt Skandal rief, um darauf auch gleich die Förderungen seines Ressorts für das Musilhaus abzustellen.
Zur strikten Vorlage aller Entscheidungsfragen an den Kulturstrategen wurde der Leiter der Landesgalerie angehalten. Selbst kein einnehmender Charakter (der mir infolge Meinungsverschiedenheit mein bis dato ohnehin schon lange währendes Studium um ein Semester verlängert hatte), zeigte er sich immerhin unangenehm kritisch gegenüber den Gesinnungsfreindän. Kurzum, die Landesgalerie wurde geschlossen, stattdessen ein MMKK installiert und lange nach einem offensichtlich kaum angestrebten Direktorium gesucht.
Provisorisch erfolgte die erste Ausstellung mit Arbeiten des US-Künstlers Alex Katz. Der, nachdem er sich über die Umstände des Museums, des Landes und die Gesinnungsfreindä informiert hatte, reiste, trotz zunächst gegebener Zusage, schließlich doch nicht zur Eröffnung an.

In diesem Jahr veranstaltete der Stratege die landesweite Schau K08, eine durch die Kuratorin bemüht wirkende Flächendeckung, die eine hier entstandene Kunst seit 1945 zeigen sollte. K08 erweist sich als durchwachsen, in Teilen relevant, oft hübsch anzusehen. In einem Interview wies der Masta unverzagt daraufhin, dass diese Schau ohnehin nur möglich sei, weil er sich als Kulturreferent dafür eingesetzt habe, andernfalls wäre niemand in der Lage gewesen, solches öffentlich zu machen. So „spezifisch“ wie er in diesem Interview für das Landesstudio des ORF auf die Kunst in diesem Land eingegangen ist, sie undifferenziert und quasi in Summe als Bildhintergrund für sein sprechendes Konterfei verwendendend, genau so tat er es vor dem Hintergrund diverser Beach-Volleyball-Events, wie man hier zu sagen pflegt. Gerade noch vor dem Salto Mortale hat er mit einem Erfolksmusik-Chor eine CD aufgenommen, als Solist natürlich und mit seinem heißen Atem … da Summa is aus, von da Olm oba etc.

Den Gesinnungsfreindän dürfte die Identifikationsfigur abhanden gekommen sein. Ob das so ist, wird sich bei den Landtagswahlen im Frühjahr zeigen. Das ehemalige Hotel, das „Lager“, wie es der Intimus genannt hatte, in dem einer Straftat verdächtigte Asylanten derzeit „konzentriert“ werden, müsste von einer neuen Regierung sofort aufgelöst werden.
Allerdings hat das Land europaweite Grenzprobleme. Viele junge Männer, viele der Gesinnungsfreindä, tragen eine Art Kilt als Festtagstracht und berufen sich auf ein hier übliches historisches Kleidungsstück. Die einst hier angesiedelten Kelten aber trugen Hosen. Geschichte ist auch hier eine Frage der Interpretation. Phonetisch dagegen treffen sich Schotten und Ackermann im Heiwender, der dem Highlander regionalmythologisch verwandt wird. – Und Heimat ist dort, wo der Laptop ein W-Lan-Netz findet.

Habe ich etwas vergessen? Sicher, jede Menge (den Versuch, den Bachmannpreis, „nicht mehr zeitgemäß“, abzuschaffen)! Ich habe kein Protokoll geführt, wozu auch.

Wenzel Mraček, geb. 1962 in Klagenfurt, Kunsthistoriker, Kulturredakteur, Autor, Seefahrer, lebt in Graz.
Literatur: W.M., Simulierte Körper. Vom künstlichen zum virtuellen Menschen. Wien, Köln, Weimar 2004 (Böhlau, www.boehlau.at).
KONTAKT: wenzel.mracek@mur.at

Verfasser/in:
Wenzel Mracek
Martin Krammer

... für diesen Kommentar.
Ich erinnere mich an ein Interview, dass Dietmar Pflegerl einst im Radio gegeben hat. Er erzählte, dass als er das Haus übernahm es überall nach Scheisse roch. Ich frage mich ob diese Gerüche inzwischen wieder hochgekommen sind (nicht nur im Stadttheater).

So. 09/11/2008 11:43 Permalink
janoschmojner

this way ( by the way)
Our Grate Masta Mracek,
had topped the bill....
(winke- winke syndrom)

Do. 13/11/2008 1:02 Permalink
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
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